Pressestimmen

Neonazis und der Verfassungschutz "Kontrolle ist überfällig"

Der Verfassungsschutz steht in einem schlechten Licht da. Das meint nicht nur n-tv.de. Die Presse fragt kritisch, wie es möglich gewesen sei, dass eine Neonazi-Bande ungehindert, unerkannt und unverfolgt mordend durch Deutschland ziehen konnte. Das Konzept mit den V-Männern hat versagt. Der Verfassungsschutz selbst sollte dringend kontrolliert werden.

Sollte selbst mal unter die Lupe genommen werden: der Verfassungsschutz.

Sollte selbst mal unter die Lupe genommen werden: der Verfassungsschutz.

(Foto: dpa)

Die Frankfurter Neue Presse fragt, warum die Ermittler "bei der Mordserie an Türken immer nur an mafiöse Verbindungen aber nie an Rechtsradikale" gedacht haben. Zwar gehöre zum Terror in der Vergangenheit auch immer ein Bekennerschreiben, um auf das Anliegen aufmerksam zu machen und dafür zu werben. Das Verhalten der Zwickauer Neonazis habe "außerhalb des Fahndungsmusters" gelegen, gesteht das Blatt zu. "Dennoch hätte man Hinweise auf rechtsextreme Motive genauer prüfen müssen." Die Zeitung zieht eine Konsequenz aus den Versäumnissen: "dass der demokratische Staat künftig Flagge zeigt und es nicht mehr zulässt, dass die Nazi-Stiefel sich in manchen Ortschaften rechtsfreie Räume verschaffen". Denn bei der Radikalisierung des Thüringer Mordtrios sehe man, wozu Verharmlosung führe.

Die Leipziger Volkszeitung geht weiter und fordert als Konsequenz die Abschaffung der V-Leute. Denn "die Strategie, sich für Informationen teilweise zum Handlanger des Milieus zu machen, ist gescheitert". Jenseits der NPD franse der rechte Rand immer mehr aus. Es gebe ein unüberschaubares Netzwerk freier Kameradschaften, die sich im Internet organisieren. "Diese Gruppen sind teilweise so klein, dass sie kaum von Spitzeln unterwandert werden können – genauso wie das Trio in Zwickau. Das Argument, die NPD dürfe man nicht verbieten, weil sich das rechte Milieu sonst der Kontrolle entzieht, ist längst von der Realität überholt."

"Junge Menschen, die nach einem perfiden Plan Ausländer ermorden, Banken ausrauben und im bürgerlichen Rechtsstaat ihren Todfeind erkannt haben – diese Mörder und Neonazis haben offenkundig mehr als ein Jahrzehnt unerkannt mitten in Deutschland leben können", schreibt die Westdeutsche Zeitung und bezeichnet das als einen "beispiellosen Skandal", dessen Ende noch nicht absehbar sei. "Diese Terroristen muss man mit dem Gesetz bekämpfen. Die Instrumente dafür sind vorhanden, die deutsche Demokratie ist gefestigt genug, um diese Auseinandersetzung mit offenem Visier und voller Selbstvertrauen zu führen. Dazu gehört auch eine intensive Kontrolle der Verfassungsschützer." Sie sei längst überfällig.

Die Süddeutsche Zeitung schlägt einen noch kritischeren Ton an: "Seitdem bekannt geworden ist, dass eine Neonazi-Bande ungehindert, unerkannt und unverfolgt mordend durch Deutschland ziehen konnte; seitdem klar geworden ist, dass also die Verfassungsschutzberichte seit 15 Jahren falsch sind; seitdem die Innenpolitiker bekennen müssen, dass die Folgerungen, die sie auf dieser Basis gemacht haben, nicht tragfähig sind; seitdem jeden Tag neue Fehlleistungen des Verfassungsschutzes bekannt werden und immer neue Details über die Distanzlosigkeit, die zwischen einzelnen Verfassungsschützern und Rechtsextremisten herrscht – seitdem mag man sich verzweifelt fragen, ob womöglich nicht nur die NPD, sondern auch der Verfassungsschutz verboten werden sollte."

Der Kölner Stadt-Anzeiger hält den Umgang des bürgerlichen Milieus mit den Neonazis für nicht konsequent. "Man findet sie unangenehm – intellektuell wie körperlich. Man meidet ihre Präsenz. Besondere Konzentrationen in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen werden entsetzt zur Kenntnis genommen, man wendet sich schaudernd ab und merkt sich vor, da nicht hinzufahren." Aber, fragt das Blatt: "Gibt es einen Aufschrei, wenn die Finanzmittel für den Kampf gegen rechte Gesinnung und Hilfe an Aussteiger gekürzt werden? Gibt es wirksame Unterstützung für Nachbarn, die von rechten Pöblern malträtiert werden? Eher nicht."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger

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