Israel operiert in Syrien "Lage ist brisant genug"
31.01.2013, 20:42 Uhr
Israelische Soldaten feuern Raketen ab. (Archiv)
(Foto: AP)
Israelische Jets bombardieren Ziele in Syrien. Die Nachricht befeuert die Furcht, dass der innersyrische Konflikt die ganze Region in Brand setzen könnte. Die UN zeigen sich besorgt, Damaskus droht mit Vergeltung. Was denken die deutschen Zeitungen über die Entwicklung?
Die Badische Zeitung schreibt: "Vermutlich handelte es sich um einen begrenzten Angriff. Nach gleichem Muster hat Israel schließlich schon öfter den Waffennachschub für die palästinensische Hamas in Gaza oder die libanesische Hisbollah durchkreuzt. Meist geschah das im Sudan oder in anderen afrikanischen Ländern, wo die Welt kaum Notiz nahm. In Syrien sind die Risiken viel unkalkulierbarer, gerade weil es so viele Mitspieler gibt - von al-Qaida über iranische Revolutionsgarden bis hin zu den Saudis. Nicht von ungefähr haben die syrischen Nachbarstaaten Jordanien und Libanon ihre Truppen jetzt in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Die Lage ist brisant genug. Schon deshalb sollte der Westen dringend den Israelis von weiterer Einmischung abraten."
Die Kieler Nachrichten meinen: "Israelische Regierungen von links bis rechts haben in der Vergangenheit oft ihr Heil in Präventivschlägen gesucht. So scheint es auch dieses Mal zu sein: Bevor die Hisbollah in die Lage versetzt wird, sich aus den Beständen einer untergehenden syrischen Armee bis an die Zähne zu bewaffnen, versucht man lieber, schon den Versuch im Keim zu ersticken. Ja, das ist hoch riskant. Doch welche Wahl hat Israel? Soll es warten, bis sich seine Freunde im Westen zu verbalem oder gar militärischem Beistand durchringen? Dann könnte es zu spät sein."
Der Reutlinger General-Anzeiger gibt zu bedenken: "Der Angriff kam ausgerechnet an dem Tag, an dem ein UN-Bericht veröffentlicht wurde, der Israel der systematischen Diskriminierung des palästinensischen Volkes beschuldigt. Ungeschminkt wird in dem Bericht gesagt, die israelische Siedlungspolitik sei ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, und die Siedlungsaktivitäten müssten ohne Vorbedingungen eingestellt werden. Letzteres ist übrigens eine der Bedingungen der Palästinenser für ernsthafte Friedensgespräche. Ministerpräsident Netanjahu weiß natürlich, dass er nicht so einfach nach Den Haag zitiert wird, aber er sollte es auch nicht auf die leichte Schulter nehmen."
Die Volksstimme aus Magdeburg sieht das ähnlich: "Die harsche Kritik aus Genf wird indes die Regierung Netanjahu nicht anfechten. Als Trotzreaktion auf die Aufwertung der Palästinenser in der UNO Ende vergangenen Jahres hatte sie den Bau weiterer 3000 Wohnungen im Westjordanland beschlossen. Ohnehin wirft Israel dem UN-Menschenrechtsrat vor, voreingenommen zu sein. Es wird also weiter gebaut werden, und jede neue Siedlung entzieht der Zwei-Staaten-Lösung ein weiteres Stück Boden."
Die Landeszeitung aus Lüneburg analysiert: "Schon lange ist der Syrien-Konflikt mehr als der Aufstand von Teilen des Volkes gegen den Diktator Assad. Nämlich ein religiös aufgeladener Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten; zugleich ein Stellvertreterkrieg zwischen Regionalmächten einerseits und den alten Rivalen USA und Russland andererseits. In die prasselnden Flammen des syrischen Konflikts kippte Israel nun mit seinem Luftschlag noch Brandbeschleuniger. Möglicherweise hat die Regierung Netanjahu mit dem Luftangriff die Überlegenheit der israelischen Streitkräfte bewahrt. Zugleich hat sie aber auch die Gefahr geschürt, diese Überlegenheit in einem Waffengang erneut beweisen zu müssen. Ein Krieg gegen den Erzfeind Israel könnte den Schiiten als Chance erscheinen, zum Burgfrieden mit den Sunniten zu gelangen."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt: "Der syrische Bürgerkrieg war auch bisher viel mehr als eine lokale Angelegenheit. Doch der israelische Angriff verdeutlicht auf dramatische Weise das regionale Eskalationspotential des Konflikts. Klar, dass Russland den Angriff als Verletzung der Souveränität Syriens brandmarkt. Auch die antiisraelischen Drohungen Irans und die Erregung der libanesischen Hizbullah sind quasi logische Reaktionen. Sie sind Parteigänger Assads, die Hizbullah ist zudem direkt von der Stabilität seines Regimes abhängig. Dennoch hat der Angriff eine neue Qualität. Offenkundig will Israel verhindern, dass die Hizbullah irgendeinen Nutzen aus dem Chaos im Nachbarland zieht oder dass gar ein Zwei-Fronten-Krieg eröffnet wird."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Thomas E. Schmitt