Ölkatastrophe im Golf von Mexiko "Menetekel" ohne Folgen
04.08.2010, 20:38 UhrDie Operation "static kill" war erfolgreich, die undichte Ölquelle im Golf von Mexiko ist versiegelt. Was BP als "Meilenstein" verkauft, nimmt die Presse zum Anlass für einen skeptischen Blick in die Zukunft. Trotz der Lehren, die aus dem Umwelt-Desaster gezogen werden dürften, ist eines klar: Risikoreiche Tiefseebohrungen werden weiterhin durchgeführt werden. Der Öldurst ist einfach zu groß.
"Die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Austrittes von knapp fünf Millionen Barrel Rohöl in den Golf von Mexiko freilich werden die Anrainer und auch den Konzern noch über Jahre belasten", weiß die Märkische Allgemeine aus Potsdam. Lehren dürfe man aber jetzt schon ziehen. Die offenkundigste: "Tiefseebohrungen sind nicht sicher. Versagt die Technologie, ist ein Desaster kaum zu verhindern. Ein Verzicht wäre gleichermaßen eine Herausforderung und ein Zeichen für eine neue Energiepolitik, doch realistisch ist das nicht. Strenge Sicherheitsvorgaben mindern das Risiko, aber sie greifen nur bei scharfen Kontrollen, die die US-Behörden versäumten. Das gleicht einer Einladung zur Schlamperei, und BP hat sie nicht ausgeschlagen."
"Mehr als hundert Tage hat es bis zum jetzigen Erfolg gedauert. Nicht nur BP, die gesamte Ölwirtschaft und die Aufsichtsbehörden offenbarten in beschämender Weise, dass sie die Risiken von Tiefseebohrungen nicht ernst genug genommen haben", zieht die Frankfurter Allgemeine Zeitung Bilanz. Zwar sei der Wille, daraus zu lernen, vorhanden: "Regierung und Kongress arbeiten an schärferen Standards. Vier Ölunternehmen haben angekündigt, gemeinsam Fazilitäten aufzubauen, um für ein ähnliches Unglück künftig schneller und besser gerüstet zu sein." Das Blatt fordert aber mehr: "Geboten wäre es freilich, in diesen Pakt auch ausländische Unternehmen wie BP einzubeziehen. Für BP hat sich das Unglück als wirtschaftlicher Großschaden erwiesen, dessen Höhe noch nicht feststeht. Schaden hat aber auch die Regierung von Obama davongetragen."
"Der Ölteppich im Golf von Mexiko wirkt wie ein Menetekel und sollte Warnung genug sein, die Ausbeutung unseres Planeten nicht skrupellos weiterzutreiben", kommentiert der Münchner Merkur. Doch genau das passiere gerade. "Die Aussicht einer aufgrund der Erderwärmung bald eisfreien Arktis hat bereits ein Wettrennen der Mächte rund um den Nordpol ausgelöst, um Ansprüche auf dort in der Tiefe vermutete reiche Gas- und Ölvorkommen geltend zu machen. Und nicht nur dort: Der Katastrophen-Konzern BP will im Mittelmeer vor der libyschen Küste den Meeresboden in zwei Kilometern Tiefe anbohren, um dort das schwarze Gold zu heben. Dies zu verhindern, wäre nicht nur eine echte Bewährungsprobe für die Mittelmeer-Union der EU, sondern auch ein Indiz dafür, ob man aus Katastrophen die richtigen Lehren zieht."
Auch die Nürnberger Nachrichten glauben nicht an einen Sinneswandel, im Gegenteil: "Das Katastrophen-Szenario hat aber Regierungen und Energie-Industrie nicht davon abgeschreckt, Tiefsee-Bohrungen sogar noch zu intensivieren. Mit jedem Bohrturm steigt die Möglichkeit einer weiteren Katastrophe, weil die neue Technik noch nicht beherrscht wird. Wir gehen Risiken ein, die wir gar nicht verstehen, sagte ein Ingenieur, der an der Untersuchung der Havarie der Deepwater Horizon beteiligt war. Wir - das sind nicht nur die Multis, sondern auch alle, die dazu beitragen, dass der Öldurst scheinbar nicht zu stillen ist."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig