De Maizières Drohnen-Bericht "Mut, den man auch Unverschämtheit nennt"
05.06.2013, 21:27 Uhr
Im Verteidigungs- und Haushaltsausschuss des Bundestages äußert sich Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière erstmals zur "Euro Hawk"-Affäre. Er selbst weist die Verantwortung von sich. "Meine Einbindung war unzureichend", formuliert er in seiner Stellungnahme und stößt damit in der deutschen Presse fast ausnahmslos auf Kritik.
Die Berliner Zeitung zieht zwei mögliche Schlussfolgerungen aus den Aussagen des Verteidigungsministers: "Entweder der Minister lügt. Oder das Verteidigungsministerium ist tatsächlich eine Truppe mit ihrer ganz eigenen Agenda. Und auch de Maizière hat sie nicht in den Griff bekommen." Beide Varianten seien beunruhigend und sprächen nicht für de Mazière, so die Zeitung weiter.
Auch der Münchener Merkur kritisiert die mangelnde Kontrolle de Maizières über seinen Personalstab: "Ein Minister (…), der nicht weiß, was seine Mitarbeiter so alles treiben, muss sich Zweifel an seiner Qualifikation gefallen lassen und unterscheidet sich damit nur graduell von den Urhebern der Probleme selbst." Allerdings dürfe de Maizière den Drohnenskandal dennoch im Amt überstehen, da Merkel sich den dritten Wechsel im Verteidigungsministerium, so kurz vor der Wahl, nicht leisten könne. Unbeschädigt überstehe er die Affäre allerdings nicht: "Sein Ruf eines grundsoliden Arbeiters und effizienten Managers der Macht ist allerdings beschädigt. In der Loge möglicher Kronprinzen der Kanzlerin sitzt Ursula von der Leyen jetzt ganz allein."
Der General-Anzeiger sieht in de Maizières Verhalten wieder einmal die Regel bestätigt, "dass nicht der eigentliche Skandal den Minister rücktrittsfällig macht, sondern die Art, in der er den Skandal bearbeitet." Wer seine Staatssekretäre zumindest indirekt für den Vorgang verantwortlich mache, müsse sie entlassen, meint die Zeitung weiter und fügt abschließend hinzu: "Doch wenn die politische Verantwortung eines Ministers ihren Sinn hätte, müsse er eigentlich selbst gehen."
"Derart unverhohlen die eigene Verantwortung und Ahnungslosigkeit auf die Untergebenen abzuschieben - das beweist jene Art von Mut, die man auch Unverschämtheit nennt", kommentiert die Frankfurter Rundschau, versucht den Leser jedoch auf einen anderen, grundlegenderen Aspekt hinzuweisen: "Es lohnt sich auch, den Blick immer mal wieder abzuwenden vom Personality-Theater des Politikbetriebs. Dann fällt der Blick auf das, worum es eigentlich gehen sollte: die Drohne. Wir reden über denjenigen Minister, der - sollte er sich jetzt halten können - in Deutschland als entscheidender Wegbereiter des automatisierten Krieges in die Geschichte einzugehen gedenkt. Das ist noch viel wichtiger - und bedrohlicher - als das Versagen im Umgang mit dem eigenen Haus."
Doch nicht alle Blätter sehen die Rolle des Verteidigungsministers in der Drohnen-Affäre derart kritisch. Die Saarbrücker Zeitung ist milder in ihrem Urteil und bescheinigt: "Als erster Verteidigungsminister hat ausgerechnet de Maizière wenigstens ansatzweise versucht, die strukturellen Missstände zu beseitigen." Jedoch seien seine Reformen nicht ausreichend, um ein so großes Projekt unter Kontrolle zu halten. Viel wichtiger als die Frage, wessen Kopf wegen des Drohnen-Debakels rollen muss, findet es die Zeitung eine Lösung zu finden, wie der "Milliarden-Schlendrian" in der Rüstungsbeschaffung endlich beendet werden kann.
"Nicht zuletzt ist der Rüstungsbereich ein besonders kniffliger Teil der Bundeswehr", kommentiert die Westdeutsche Zeitung und beschreibt folgende Konstellation: "Traditionell mit zivilen Angestellten besetzt, hat sich über die Jahrzehnte ein besonderes Selbstverständnis herausgebildet: Die Zivilisten sehen sich selbst über dem Militär." Das de Maizière diesen zivilen Beamten bei der Reform ihre Pfründe abspenstig machen will, könne nun die Ursache für Schadenfreude innerhalb des Ministeriums sein. Ein freier Informationsfluss, so die Zeitung weiter, sei demnach unwahrscheinlich.
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Aljoscha Ilg