SPD vor dem Parteitag "Notwendigkeit der Rente mit 67"?
12.11.2009, 21:03 UhrWelche Richtung wird die SPD auf ihrem bevorstehenden Parteitag einschlagen. Kehrt sie sich ab von ihren Plänen wie der Rente mit 67, um die Delegierte zu beruhigen und die verlorenen Stammwähler zurückzugewinnen? Oder ist dieses Konzept die einzig realistische Marktlücke für die SPD?. Die Presse ist unseins. Der Parteitag wird es zeigen.

Franz Münterferings (ursprüngliches) Konzept: Bis 2010 solle die Beschäftigungsquote Älterer bis auf 55 Prozent erhöht werden.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der Münchner Merkur fragt nach der Zukunft der SPD, denn circa 1,4 Millionen SPD-Anhänger hätten sich bei der letzten Bundestagswahl nach Schwarz-Gelb und nicht nach links gerichtet. Das gebe laut dem Blatt einen "klaren Hinweis auf die Attraktivität der neuen Mitte in Deutschland". Diese werde "souverän beherrscht von einer zwischen den politischen Farben changierenden Angela Merkel". Die Bundeskanzlerin werde der Meinung vieler nach schon dafür Sorge tragen, "dass es trotz Schwarz-Gelb auch künftig anständig zugehen wird in der Republik". In Anbetracht dessen wirft der Münchner Merkur die Frage auf: "Wo also wäre die Marktlücke für die SPD?"
Die Pforzheimer Zeitung weiß Antwort. Laut dem Medium gebe es ein "Konzept, mit dem die SPD sich wieder Luft verschaffen könnte". Keiner Partei sei es bisher nämlich dauerhaft gelungen, "sich glaubwürdig und konsequent für Reformen einzusetzen, sie aber gleichzeitig so sozial wie möglich zu gestalten". Als Beispiel führt das Blatt die "Notwendigkeit der Rente mit 67" an. Wenn es der SPD gelingen würde, dieses Konzept zu erklären und dabei alles zu tun, um es so gerecht wie möglich umzusetzen, hätte sie eine "Zukunft jenseits des Daseins in der Daueropposition".
Die Frankfurter Rundschau erinnert jedoch daran, dass die Delegierten wütend seien - wütend über eben jene Rente mit 67, über die Agenda-Politik, über die 23-Prozent-Klatsche bei der letzten Wahl auf Bundesebene und über den autoritären Führungsstil der SPD-Spitze. All dies könnte sich auf dem Parteitag in Dresden zu einem "hochexplosiven Gemisch" zusammenbrauen. Daher wäre es schon ein Erfolg, wenn es dazu nicht käme. Denn "die Aufarbeitung der Regierungsjahre muss gelingen, ohne dass neue Gräben und neue Verletzungen aufgerissen werden". Die Ursachen der SPD-Krise reichen laut dem Blatt sogar noch tiefer: "Die Partei kann ihren Wählern kein Aufstiegsversprechen mehr geben. Nach elf Jahren an der Regierung hat sie ja nicht einmal mehr die Kraft, die Abstiegssorgen vieler Leute zu mildern."
Vor diesem Hintergrund fragen die Nürnberger Nachrichten, ob "die SPD-Spitze nun ab(rücke) von dem Projekt, das ihr Noch-Chef Franz Müntefering auf Drängen der Union vorangetrieben hat?" Die Antwort ist: "Nein!", so Blatt. Es solle "nur ein bisschen so scheinen vor dem Parteitag". Der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier hätte nur wiederholt, was sowieso beschlossene Sache sei: "2010 muss die 'Rente mit 67' auf den Prüfstand." Betrachtet man die Entwicklung der Bevölkerung müsste jede Regierung dies bejahen. Ergo keine Korrekturen seitens der SPD-Führung, was den Inhalt ihrer Politik angeht. Fazit: "Steinmeier, einer der entschiedensten Verfechter der im Kern richtigen Schröderschen Reformen, biedert sich nun an bei den vielen Gegnern dieses Kurses in seiner Partei, die am liebsten die ganze Agenda beerdigen würden." Aber dies sei ein nur zu "leicht durchschaubares Manöver".
Die Augsburger Allgemeine hält dagegen. Sie meint, dass das "Herz der SPD (…) wieder deutlicher links schlagen" werde. Das Blatt glaubt, dass "eine Abkehr von der selbst erfundenen Rente mit 67" bevor stehe sowie "Forderungen nach einer weiteren Aufweichung der Hartz-IV-Gesetze". Die Sozialdemokraten würden sich dadurch erhoffen, ihre verlorenen Stammwähler zurückzugewinnen. Das reiche im "sozialen Überbietungswettkampf mit der Linkspartei" allerdings nicht zur Genesung der stark angeschlagenen SPD aus. "Denn die SPD hat bei der Bundestagswahl auch Millionen Stimmen an Union und FDP verloren. Sie zurückzugewinnen, braucht mehr als Andrea Nahles, Sigmar Gabriel und einen Linksschwenk."
Das Badisches Tagblatt erkennt das Dilemma: "Einerseits muss sie versuchen, das Image einer immer weniger sozial orientierten Politik abzustreifen, andererseits wäre es auch nicht besonders glaubwürdig, die eigene Arbeit der vergangenen elf Jahre plötzlich zu verdammen." Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner sagte, dass die Bürger es merken müssten, dass die Partei aus ihrer Niederlage etwas gelernt hätte. "Aber was?", fragt das Blatt. "Sollte der Parteitag eine schlüssige Antwort finden, wäre das eine Sensation."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger