Pressestimmen

General Motors will Opel behalten "Opfer auf dem Altar des Wettbewerbs"

Nach der Kehrtwende von GM ist die Presse vorsichtig optimistisch - der abgeblasene Verkauf sei für Opel gar nicht schlecht. Und das Hin- und Her, das hätten die Europäer selbst zu verantworten.

Auch in Rüsselsheim ist die Belegschaft nicht begeistert über die neuen Pläne.

Auch in Rüsselsheim ist die Belegschaft nicht begeistert über die neuen Pläne.

(Foto: dpa)

Die Süddeutsche Zeitung verweist auf die Parallele bei Finanzkrise und Autoindustrie: "Merkel hat vor ein paar Wochen einen sehr richtigen Satz gesagt: Keine Bank der Welt dürfe so mächtig sein, dass sie eine Regierung erpressen könne. Man könnte diesen Satz auch auf die Autoindustrie übertragen: Kein Autohersteller darf so groß sein, dass er eine Regierung erpressen kann." Tatsächlich seien jedoch GM und auch Opel mächtig genug, um Bund und Ländern beinahe jede erdenkliche Hilfe abzuringen. "Denn bei Opel ging und geht es um 25.000 Jobs und vermutlich noch einmal genauso viele Stellen bei den Zulieferern."

Die Frankfurter Rundschau sieht nur die Drohung von Werksschließungen in Deutschland, nicht deren Verwirklichung: "Kommt jetzt die harte Tour? Legt es Detroit auf einen Kahlschlag an, unter anderem mit der Schließung von zwei der vier deutschen Werke?" Alles deute auf ein ganz anderes Szenario hin, mit dem Kahlschlag als Drohkulisse. Schließlich habe GM-Chef Fritz Henderson gleich mehr oder weniger unverhohlen um staatliche Hilfe gebeten. "Natürlich stellten sich Ministerpräsidenten und Kabinettsmitglieder breitbeinig hin und verlangten Rückzahlung der Opel-Hilfen. Das muss an so einem Tag sein. Doch sie müssen sich mit GM wieder an einen Tisch setzen."

Bei der innerstädtischen Konkurrenz, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, überwiegt das Gefühl der Blamage: Gerade habe Angela Merkel im Kapitol in Washington die Hymne auf das deutsch-amerikanische Verhältnis geschmettert, und dann werde sie noch vor dem Abflug auf den kalten Boden der Tatsachen zurückgeholt. "Wie immer die Opel-Geschichte ausgehen wird, so ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt festzustellen, dass Bund und beteiligte Länderregierungen mit der alles andere als unstrittigen Rettungsaktion gescheitert sind, auch weil sie nicht alleinige Herren des Verfahrens waren. Mehr noch: Sie haben sich blamiert. Da hilft es nicht, dass Brüderle, Rüttgers oder Beck die Blamage mit Empörungsrhetorik zu kaschieren suchen."

Der Münchner Merkur hat die Grenzen der Bundeskanzlerin ausgemacht: "Frau Merkel mag die Macht haben, einen Günther Oettinger in Brüssel zu entsorgen oder die CSU nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Ihr Arm reicht nach Stuttgart, München oder Brüssel. Aber nicht bis nach Detroit." Die Entscheidung von GM, Opel zu behalten, stelle die Kanzlerin und ihre Regierung bloß: "Wie kann es sein, dass in dem Gezerre um Opel die Mutter GM bis zum Schluss alle Chancen für sich reservieren konnte, das Risiko aber beim deutschen Steuerzahler lag? Als in der Weltwirtschaft die Lichter auszugehen drohten, sprang Berlin mit 1,5 Milliarden Euro ein und steht jetzt, wo es wieder besser läuft, mit leeren Händen da."

Für die Pforzheimer Zeitung ist nicht General Motors, sondern die Europäische Union für die plötzliche Kehrtwende verantwortlich: "Im Grunde genommen haben die Europäer den Übernahmemotor zum Stottern gebracht." Die EU-Kommission habe Bedenken geäußert, wonach die 4,5 Milliarden Euro staatlicher Hilfen aus Berlin den Wettbewerb verzerren könnten. "GM wurde aufgefordert, den Deal mit Magna noch einmal zu überdenken. Und genau das haben die US-Amerikaner nun getan." Folge sei, dass Tausende von Opelanern an den Standorten des Kontinents sind bald ohne Arbeit, ganze Familien ohne ordentliches Einkommen sein werden. "Ein zweifelhaftes Opfer auf dem Altar des unverzerrten Wettbewerbs."

 

 

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Roland Peters

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