Pressestimmen

Vorratsdatenspeicherung "Projekt nicht endgültig beerdigt"

Die Verfassungsrichter kippen das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Der Richterspruch aus Karlsruhe ist ein Schritt in die richtige Richtung, meint n-tv.de. Aber eben nur ein Schritt. Denn zwischen den Jubelschreien der Gesetzes-Gegner und den Mahnungen der Befürworter werden auch Stimmen laut, die klarmachen: Das Gesetz wird wiederkommen.

Karlsruhe lässt die Daten löschen. Dass bald neue gesammelt werden könne, halten viele für sehr wahrscheinlich.

Karlsruhe lässt die Daten löschen. Dass bald neue gesammelt werden könne, halten viele für sehr wahrscheinlich.

(Foto: APN)

"Das Urteil attestiert der Regelung einen hohen Murksfaktor, denn Daten, mit denen sich unser aller Lebensführung nachvollziehen lässt, vom Konsumverhalten bis zur Krankheit, lagen leicht angreifbar herum. Das war eine schallende Ohrfeige", kommentiert der Fränkische Tag.

Auch der Mannheimer Morgen begrüßt das Urteil: "Aus Karlsruhe grüßt mal wieder das Murmeltier. Was zwar nicht gerade täglich geschieht, wie in dem Kultfilm, aber doch in schöner Regelmäßigkeit, wenn es um die Bewertung der Gesetze zur Inneren Sicherheit durch das Bundesverfassungsgericht geht. Die Deutlichkeit aber, mit der die Richter die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung geradezu in der Luft zerrissen haben, steht in der Tradition der Urteile zur Inneren Sicherheit einzigartig da. Ein Gesetz mit sofortiger Wirkung für nichtig zu erklären, kommt der Höchststrafe gleich."

Für die Süddeutsche Zeitung geht der Richterspruch nicht weit genug: "Das Urteil ist hart, aber nicht hart genug. Es ordnet zwar an, die bisher gespeicherten Daten zu löschen, lässt aber die Speicherung und Weitergabe der Daten für die Zukunft umfassend zu." Die Zeitung aus München hält das für einen Fehler: "Auf der Basis der im Urteil geschilderten Gefahren hätte die Speicherung aber generell verboten werden müssen. Das haben sich die Richter jedoch nicht getraut, weil es sonst einen Rechtskrieg mit der Europäischen Union gegeben hätte. Den versucht Karlsruhe zu vermeiden."

Die Märkische Allgemeine gibt zu bedenken, dass auch Sicherheit ein Bürgerrecht sei und steht der Datenspeicherung weit weniger ablehnend gegenüber: "Das Bundesverfassungsgericht hat eine Reihe von Auflagen gemacht, die dazu dienen sollen, Missbrauch und Willkür beim Umgang mit Daten auszuschließen. Man machte es sich aber zu einfach, wenn man den Richterspruch einfach als Sieg der Bürgerrechte gegenüber einem überwachungswütigen Staat sähe. Auch Sicherheit ist ein Bürgerrecht. Es kann durchaus sinnvoll sein, kurzfristig festzustellen, mit welchen möglichen Komplizen ein Terrorverdächtiger in Kontakt stand." Vor allem, dass es "viel strengere Regeln für die Datensammlungen des Staates" gebe "als für den Umgang kommerzieller Unternehmen mit den ausführlichen Profilen, die viele Bürger freiwillig von sich ins Netz stellen", stößt der Zeitung aus Potsdam sauer auf.

"Der Jubel quer durch die politische Landschaft über das Urteil gegen die Vorratsdatenspeicherung ist verfrüht", kommentiert die Rhein-Neckar-Zeitung aus Heidelberg. "Denn die Richter haben das Projekt nicht endgültig beerdigt, wie es sich viele der Kläger eigentlich erhofft hatten. Darüber kann auch die floskelartige Häme über die schallende Ohrfeige aus Karlsruhe nicht hinwegtäuschen: Die Datenspeicherung wird sehr wahrscheinlich wiederkommen, transparenter, mit deutlicher begrenztem Zugriff für die Behörden. Ob das am diffusen Überwachungsgefühl der Bürger viel ändern wird?"

Das sieht auch Spiegel Online so: "Das Verfassungsgerichtsurteil gegen die Vorratsdatenspeicherung ist nicht der große Befreiungsschlag, den sich viele erhofft hatten. Zwar setzt es der totalen digitalen Überwachung Grenzen - doch die derzeitige Speicherpraxis könnte im Grundsatz weiter betrieben werden. (...) Dieses neue Gesetz wird vermutlich kommen - und es wird im Kern ähnlich schockierend sein wie das alte (...). Auch nach dem Urteil darf der Staat also mehr, als er sich früher getraut hätte. Telefonverbindungen zu speichern, weil man sich später mal dafür interessieren könnte - auf diese Idee ist nicht einmal die Regierung Helmut Kohls gekommen, als der Kalte Krieg noch in vollem Gange war. Die Speicherung dieser Daten ohne Anlass, unter welchen Auflagen auch immer, bleibt ein Dammbruch."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig

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