Pressestimmen

Vor der Syrien-Friedenskonferenz "Retten, was zu retten ist"

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Ein Tag vor Beginn der Syrien-Friedenskonferenz tauchen Bilder auf, die den Vorwurf der Kriegsverbrechen gegen das Assad-Regime erhärten. Die Kommentatoren der Zeitungen fragen daher, welche Mittel überhaupt zur Verfügung stehen, den Krieg im Land zu beenden und sind fast einig: keine.

Die Neue Osnabrücker Zeitung schlägt pessimistische Töne an und klagt vor allem die Internationale Gemeinschaft an: "Seht, was in Syrien passiert, während ihr hadert und zaudert. Seht, was passiert, weil ihr globale Machtpolitik höher bewertet als Menschenleben. Das Schicksal der Ermordeten ist nur ein Stein im Schreckensmosaik des syrischen Bürgerkriegs. Rebellen foltern, töten und marodieren ebenso wie Assads Schergen. Angesichts der Brutalität ist jene Planlosigkeit, die der Westen im Vorfeld der Friedenskonferenz an den Tag legt, noch blamabler."

Der Kölner Stadtanzeiger hingegen zeigt Verständnis für die Zurückhaltung und argumentiert: "Die internationale Gemeinschaft stößt in Syrien an ihre Grenzen, so bitter es klingt. Ein militärisches Eingreifen in einem Staat, der über eine moderne, 300.000 Soldaten zählende Armee und eine eigene Luftwaffe verfügt, wäre an sich schon schwierig; im Falle Syriens wäre das Risiko eines Militärschlags unkalkulierbar hoch. Natürlich sind die Friedensgespräche ein diplomatisches Feigenblatt, um die Ratlosigkeit der Weltgemeinschaft zu verdecken. Dennoch gibt es keine Alternative zu den Verhandlungen, wenn man das Töten und Sterben in Syrien beenden will. Tatenlos zugesehen hat die Welt lange genug."

Die in Berlin erscheinende Tageszeitung Die Welt zeigt sich erschüttert über die Fotos gefolterter Häftlinge und erhebt Anstrengungen zur Verbesserung der derzeitigen Situation zum Gebot der Stunde: "Nicht genug, dass die Henker ihrem schauerlichen Handwerk nachgehen. Sie lassen auch noch mit der Kamera das Ergebnis festhalten und machen sie so zu Selfies von Mördern: Zerschundene Körper, zerquälte Gesichter, Qual und Tod, wohin man blickt. Mehr als 55.000 Fotos dokumentieren über 11.000 in der syrischen Schinderhütte Hingerichtete. Aber können die Bilder kriegsrelevant sein so wie damals die Lagerbilder aus Serbien? Am Mittwoch soll am Genfer See die ungewisse Friedenskonferenz stattfinden. Das einzig Hoffnungsvolle an ihr ist der Name: Frieden. Zu groß ist der Hass, um überhaupt miteinander zu reden, zu schauerlich die Grausamkeiten, die am Vorabend der Konferenz, der Außenwelt vorgeführt werden. Umso wichtiger bleibt es, mit und ohne Konferenz, zu retten, was zu retten ist."

Der Münchner Merkur hat keine allzu großen Erwartungen an die Friedenskonferenz und analysiert kühl: "Die Bilder werden die Fronten verhärten und Assad weiter in die Enge treiben. Ins Exil kann er kaum noch (wer sollte ihn aufnehmen?), also wird er kämpfen und dabei unzählige Opfer in Kauf nehmen. So, wie es auch die Oppositionellen tun. Der Krieg in Syrien wird weitergehen; vermutlich noch härter und grausamer als bisher" kommentiert der Münchner Merkur.

Auch die Mittelbayrische Zeitung aus Regensburg findet deutliche Worte und geht davon aus, dass der Bürgerkrieg in Syrien noch lange nicht vorbei ist: "Die Friedensverhandlungen sind zum Scheitern verurteilt. Geschieht kein Wunder, wird die Syrien-Konferenz mit ein paar Absichtserklärungen enden, die nichts daran ändern, dass täglich mehr Menschen ermordet werden oder in eine Zukunft fliehen, in der Kälte, Hunger und Elend in überfüllten Städten und Lagern warten." Syrien sei Beweis für die absolute Machtlosigkeit der internationalen Gemeinschaft.

Der Tagesspiegel aus Berlin geht einen Schritt weiter und wirft der Staatengemeinschaft Unwillen zur Hilfe vor: "Warum? Diese Frage stellen sich nicht nur Opfer und Überlebende des syrischen Horrors, sondern sie bohrt sich als Anklage auch tief ins Gewissen der Zeitzeugen. Wer sie ehrlich beantwortet, flüchtet sich nicht in realpolitische Ausreden: Schutzmacht Russland, Eskalationsgefahr, kein Geld, Rebellen sind Terroristen, Afghanistan und Irak als Mahnung, Assad als Stabilitätsanker. Nein, wer wollen würde, könnte auch. Und wer vor Jahren gewollt hätte, als das Gemetzel begann, hätte mit großer Wahrscheinlichkeit viele Schrecken verhindert. Allein, es fehlt der Wille, die Kraft, der Mut."

Zusammengestellt von Anne Pollmann

Quelle: ntv.de, apo/dpa

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