Pressestimmen

Benzin-Polizei "Schlicht ein Witz"

Die Preisgestaltung der Mineralölkonzerne soll nach dem Willen von Bundeswirtschaftsminister Rösler nicht länger undurchsichtig bleiben. Er will dem Kartellamt ermöglichen, künftig kontrollieren zu können, wie die Preise an den Zapfsäulen zustande gekommen sind. Die Tageszeitungen sind mehrheitlich extrem skeptisch.

Die Badischen Neuesten Nachrichten meinen: "Ohne ein gewisses Maß an Regulierung allerdings wird sich an den Tankstellen nichts ändern. Selbst wenn die Preispolitik der Mineralölkonzerne nun, wie von Philipp Rösler gewünscht, etwas transparenter wird, heißt das ja noch lange nicht, dass sie ihre Preise am Ende tatsächlich senken. Mag sein, dass die geplanten Meldepflichten die eine oder andere Übertreibung verhindern, tendenziell jedoch wird Benzin angesichts der schwindenden Erdölvorräte eher noch teurer werden."

(Foto: dpa)

Die Rhein-Neckar-Zeitung schreibt: "Dabei ist die Idee gar nicht so schlecht: Die 'Benzinpreis-Polizei' soll nämlich lediglich verhindern, dass die Ölmultis so mir-nichts-dir-nichts die Preise erhöhen - statt aus marktrelevanten Gründen. Denn davon - von den wirklichen Gründen - gibt es immer noch genug. Benzin und Diesel werden ganz sicher nicht mehr billiger, weil die Förderung teurer wird, weil Krisen das Angebot verknappen, weil die Autos weniger Sprit benötigen. Daran kann auch die neue Behörde nichts ändern. Doch die Preissprünge werden sich künftig vermutlich weniger nach den Ferienzeiten richten, als nach eben nach reellen Gründen. Wenn die Markttransparernzstelle (so heißt die Behörde wirklich!) genau das erreichen würde, wäre sie ihre Einrichtung wert.

Die Südwest-Presse scheint dagegen regelrecht erbost: "Irgendwer sollte Philipp Rösler mal eine kleine Einführung in die Marktwirtschaft schenken. Dem gelernten Arzt könnte jenes das Basiswissen bringen, das ihm offenbar fehlt. Ausgerechnet ein liberaler Wirtschaftsminister meint, mit einem Großangriff an Bürokratie die Benzinpreise in den Griff bekommen zu können. Als Brotpreise von heute sind sie zweifellos ein Aufregerthema. Doch die 'Markttransparenzstelle' ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Beamte - und schlicht ein Witz. Gegen steigende Benzinpreise helfen keine populistischen Aktionen, sondern insbesondere weniger Spritverbrauch. Das ist zwar mühsamer und langwieriger. Aber es wirkt."

Die Nürnberger Nachrichten sind ebenfalls streng: "Es fällt schwer, keine Satire über diese neueste schwarz-gelbe Großtat zu schreiben. Dass ausgerechnet ein liberaler Ressortchef, der doch sonst stets das Hohelied auf die freien Märkte singt, genau diese Märkte nun durch eine fast schon sozialistisch wirkende Kontrollbürokratie an die Kandare legen will - darauf muss man erst mal kommen. Rösler tut also nur so, als ob er was tut. Er reitet auf der 'Benzin-Wut' der Deutschen und hofft auf Stimmen von Pendlern, die aufs Auto angewiesen sind. Seine Kontrollaktion aber ist dermaßen leicht durchschaubar, dass die Liberalen zumindest mit einer solch dilettantischen Luftnummer kaum zu retten sein dürften."

Die Leipziger Volkszeitung wirkt resigniert: "Entscheidend ist, welche Erkenntnisse die Datenflut bringt. Bisher konnten den Ölmultis keine illegalen Absprachen nachgewiesen werden - weil das Abstimmen auch ohne Absprachen bestens funktioniert. Man kennt sich, man orientiert sich aneinander. Fördert auch die neue Datensammelstelle keine verwertbaren Hinweise darauf zutage, dass die Ölkonzerne den freien Tankstellen Kraftstoffe teurer verkaufen als den eigenen, sollte man ihr den Hahn wieder abdrehen. Aber einen Praxistest ist sie wert. Nur weil der ansonsten glücklose Rösler der Erfinder ist, muss sie noch kein Flop sein. Wunder sollten Autofahrer aber ebenfalls nicht erwarten. Der nächste Preis-Rekord kommt bestimmt."

Für völlig nutzlos hält die Nürnberger Zeitung das Unterfangen: "Der Benzinpreis ist seit Monaten auf Rekordniveau. Das sieht jeder, der auch nur an einer Tankstelle vorbeifährt. Dazu braucht niemand eine Markttransparenzstelle, wie sie Schwarz-Gelb nun auch für den Mineralölmarkt einrichten will. Vor allem aber macht eine nachträgliche Meldepflicht für Preise nicht einen einzigen Liter auch nur einen Cent billiger."

Die Neue Westfälische erkennt lediglich den Wahlkampf: "FDP-Mann Philipp Rösler hat es einmal mehr in die Schlagzeilen geschafft. Und das war schließlich der Sinn der Aktion, so wenige Tage vor den Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW. Denn irgendwas muss man doch tun. Als FDP-Minister. Und als Verbraucher? Wenn wir nun aufhören, auf die Politik zu schielen, und stattdessen selbst aktiv werden? Wie wäre es, das Auto einfach mal stehen zu lassen? Solange es immer noch Menschen gibt, die die 300 Meter zum Brötchenholen mit dem Auto zurücklegen, sind die Spritpreise wohl noch nicht hoch genug. Dies anzumerken findet die Politik aber wohl zu unpopulär."

Die "Bild"-Zeitung schreibt: "Die Regierung will die Öl-Multis unter strengere Aufsicht stellen. Klingt gut! Wenn dadurch tatsächlich die Marktmacht der Kraftstoff-Konzerne aufgebrochen und die Spritabzocke gestoppt wird. Und wenn damit nicht nur kurzfristiges Wahlkampfgetöse verbunden ist! Die Politik muss zeigen, dass sie es ernst meint mit der Preiskontrolle - auch wenn die Wahlen vorbei sind! Denn wahr ist auch: An jedem Cent mehr für den Liter Benzin verdient der Staat kräftig mit. Diese handfesten Interessen dürfen in Zukunft keine Rolle mehr spielen. Das Bundeskartellamt muss mit seinen neuen Möglichkeiten gegen Marktmissbrauch knallhart vorgehen. Sonst endet die gestrige Kabinettsentscheidung als bürokratischer Rohrkrepierer. Und die Politiker sind dann wieder nur zahnlose Tiger im Tank."

Klassiker bemüht der Kommentator der Wetzlarer Neuen Zeitung: "Es gibt Liebespaare, deren Ende absehbar ist. Unschlagbarer Klassiker solcher Tragödien ist die Geschichte von Romeo und Julia. Deren verbotene Zuneigung gipfelt schließlich im Tod beider. Ein solch tragisches Ende scheint auch der Liebesbeziehung der Deutschen zum Auto bestimmt. Dieses Volk hat Benzin im Blut. Doch der Preis für diese Liebe steigt stetig. Je höher die Spritkosten an den Zapfsäulen klettern, desto mehr entlädt sich die Wut der Deutschen. Die Liebe zum Auto hat viele blind gemacht für die dunklen Seiten dieser Beziehung. Über hohe Benzinpreise schimpfen viele, doch auf die Bremse treten, um zu sparen, wollen wenige."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Thomas E. Schmitt

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen