Pressestimmen

Neufestsetzung der Hartz-IV-Sätze "Schwarz-Gelb hat es verbockt"

Wieviel Zigaretten darf ein Arbeitsloser im Monat rauchen? Die Debatte um die Neufestsetzung der Sätze für Hartz-IV-Empfänger ruft in der Presse viele kritische Stimmen auf den Plan. Die Überlegungen der Koalition, die Ausgaben für Genußmittel aus der Berechnung des Grundbedarf herauszunehmen, seien eine Demütigung, das "Auskungeln" der neuen Sätze im Kanzleramt ein "fatales Signal".

Hartz-IV-Empfänger sollen kaum mehr bekommen als bisher.

Hartz-IV-Empfänger sollen kaum mehr bekommen als bisher.

(Foto: dpa)

Die Frankfurter Rundschau hält die Beschränkung des Genussmittelbetrages für im Hartz-Empfänger für herabwürdigend: "Es wird schwer werden, dagegen anzugehen, aber den Versuch ist es wert: Der im bisherigen Regelsatz für Alkohol vorgesehene Betrag (zwischen sieben und acht Euro) reicht aus, um am Ende eines Kindergeburtstags die abholenden Eltern mit ein, zwei Flaschen Sekt zu bewirten. Oder auch für eine Flasche Bier alle zwei bis drei Tage. Muss man das Recht auf diesen begrenzten Genuss und auf drei Päckchen Zigaretten im Monat einem Menschen nehmen, weil er keine Arbeit hat? Ahnen unsere Koalitionäre, welche Demütigung es für einen hier und da noch maßvoll genießenden Hartz-IV-Empfänger bedeutet, ihm diese Möglichkeiten öffentlich abzusprechen? Niemand sollte dieser Propaganda auf den Leim gehen. Was hier fortgesetzt wird, kann jeden treffen."

"Dass mit der Hartz-IV-Reform die Regelsätze für Langzeitarbeitslose nach der vom Verfassungsgericht erzwungenen Neubewertung erkennbar steigen, ist vor dem Spitzentreffen im Kanzleramt mehr als unwahrscheinlich." Die Kieler Nachrichten bleiben in ihrem Kommentar zur Neuberechnung der Regelsätze auf der politischen Ebene: "Allerdings hat Karlsruhe eine deutliche Leistungserhöhung auch nicht vorgeschrieben, sondern Spielraum gelassen. Das muss man fairerweise anmerken. Und zum Kapitel Fairness gehört auch die Tatsache, dass SPD und Grüne Urheber jenes Gesetzes sind, das Schwarz-Gelb jetzt verfassungskonform machen muss."

"Schließlich muss am Ende nicht nur die Koalition zustimmen, sondern auch der Bundesrat, wo SPD und Grüne mitentscheiden", gibt die Badische Zeitung zu bedenken. "Rechnungen, in denen gezeigt wird, was auf Staat und Betroffene zukommt, sind deshalb verfrüht." Das Blatt aus Freiburg geht davon aus, dass ein langwieriger Prozess bevorsteht, an dessen Ende ein politischer Handel steht. "Da den aber die Richter genau nicht wollten, darf man gespannt sein, wie sie das neue Recht letztlich beurteilen werden. Dass sie damit erneut befasst werden, dürfte schon jetzt klar sein."

Die Süddeutsche Zeitung erläutert, warum ihrer Meinung nach Hartz-IV-Empfänger diesmal mehr verdient haben: "Das geltende Hartz-IV-Gesetz war und ist verfassungswidrig von Anfang an - also seit Jahresbeginn 2005. Gleichwohl hat das Verfassungsgericht, im Interesse der Staatsfinanzen, auf eine rückwirkende Neufestsetzung der Beträge verzichtet. Karlsruhe hat dem Staat also auf Kosten der Arbeitslosen Geld geschenkt. Schon deswegen darf man die Arbeitslosen bei der Neufestsetzung der Beträge nicht noch einmal deckeln."

Der Mannheimer Morgen hält weniger die geplante geringfügige Erhöhung als die Art und Weise des Verfahrens für kritikwürdig: "Würde die Koalition die Regelsätze nun analog zu der neuen Verbrauchsstudie geringfügig erhöhen, wäre dagegen wenig zu sagen. Zumal es gute Gründe gibt, in mageren Zeiten keinen üppigen Nachschlag für eine Bevölkerungsgruppe zu beschließen. Doch Schwarz-Gelb hat es verbockt. Statt mit der Studie in der Hand die neuen Sätze zu verlesen, wurden sie im Kanzleramt mit den Unions-Ministerpräsidenten ausgekungelt. Und das von einer Koalition, die bisher schon bedenklich zulasten der sozial Schwachen regierte." Das sei ein fatales Signal, dem Ursula von der Leyen nur mit zusätzlichen Mitteln für Familien entgegenwirken könne. "Sonst droht der Arbeitsministerin auch ein neuer Konflikt mit dem Verfassungsgericht."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig

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