Mitten im Wahlkampf "Und immer vorne mit dabei"
11.08.2009, 20:29 UhrEs ist Wahlkampfzeit und Kanzlerin Merkel und ihr Herausforderer Steinmeier präsentieren sich und ihre Ideen. Überzeugt haben sie bislang beide nicht und die Zeitungen sind sich nicht sicher, was das kleinere Übel ist: Nostalgie-Zug oder Schlafwagen.
Der Münchner Merkur beleuchtet die Rolle der Kanzlerin: "Die Episode ist irgendwie symptomatisch für diesen verrückten Wahlkampf: SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier präsentiert der Bundespressekonferenz seinen Deutschlandplan - aber die öffentliche Aufmerksamkeit erringt Amtsinhaberin Merkel. Nicht mit einem gewagten politischen Vorstoß. Sondern mit einem gewagten Dekolleté, das eher mütterlich als sexy wirkt. Nackte Haut hilft zwar nicht aus der Krise. Aber es reicht, dem Herausforderer - mal wieder - die Schau zu stehlen. Nach einem quälenden Jahr Dauerschwarzmalerei haben die Deutschen einfach keine Lust mehr auf Krise. Angela Merkel hat das Kunststück geschafft, sich im Amt zu häuten: Aus der brutalstmöglichen Reformerin von Leipzig ist die Mutter Beimer der Nation geworden. Stets besorgt, stets verständnisvoll. Und immer vorne mit dabei."
"Verständlich" ist es daher für den Reutlinger General-Anzeiger, dass Steinmeier seiner Konkurrentin einen "Einlull-Wahlkampf" vorwirft. Bei ihm aber offenbare die "aggressive Geste … wieder einmal ein übereifriges und darum vergebliches Bemühen, es dem großen Mentor Gerhard Schröder gleichtun zu wollen. Im Kontrast hierzu hat sich Merkel von Kohl erst distanziert, bevor sie eine Aussitz-Kanzlerschaft begann, die der seinen verdächtig ähnelt. Es ist also nicht nur Erfolg und Misserfolg, Macht und Ohnmacht, die Kanzlerin und Kandidat unterscheidet."
"Der Kandidat steckt in der Falle. Vormittags Regierung, abends auf den Marktplätzen und in den Fernsehstudios Opposition - das wirkt nicht besonders glaubwürdig. Noch dazu wirkt Frank-Walter Steinmeier selbst zu wenig angriffslustig." Allerdings bezweifelt die Recklinghäuser Zeitung auch, dass Merkels Strategie ausgehen wird. Vielmehr könnten "am Ende eines bisher weitgehend inhaltsleeren Wahlkampfes … beide Volksparteien und womöglich die gesamte politische Klasse als Verlierer dastehen."
Nur eine "Wechselstimmung" könne Steinmeier und der SPD noch helfen, meint der Mannheimer Morgen. Und zwar eine, "die man mit den Händen greifen könnte wie nach 16 Jahren Helmut Kohl. Doch warum, fragt sich der Wähler, soll er Steinmeier gegen Merkel eintauschen? Was würde besser, was anders? Dass er vier Millionen neue Arbeitsplätze schaffen würde, glaubt ihm ohnehin keiner. Nein, Steinmeier fehlt das Charisma des Siegertypen. Zwar löst auch Angela Merkel keine Begeisterungsstürme aus, doch bei ihr zählt die alte Persil-Werbung: Da weiß man, was man hat. Die Kanzlerin kann es sich leisten, Wahlkampf in einem Nostalgie-Zug zu machen. Steinmeier dagegen sollte wissen, dass er nicht im Schlafwagen an die Macht kommt."
Zusammengestellt von Katja Sembritzki
Quelle: ntv.de