Stresstests für deutsche Atommeiler "Warum erst jetzt?"
31.03.2011, 20:32 UhrEben waren sie noch die sichersten Atomkraftwerke der Welt, nun müssen sich die deutschen Meiler dem härtesten Stresstest der Welt unterziehen. Komisch, meint die Presse. Aber unabdingbar.

Sind sie sicher oder sind sie es nicht?
(Foto: dpa)
Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung halten einen Stresstest "unter den neuen, deutlich verschärften Sicherheitskriterien" für "unabdingbar, um die Schadenersatzansprüche der Betreiber abwehren und die Abschaltung hieb- und stichfest begründen zu können". Die Zeitungen sehen nach der Abschaltung eine bedeutsame politische Konsequenz: "Und damit ist, ganz nebenbei, von Angela Merkel eben noch als 'Hirngespinste' abgetan, politisch der Weg für Schwarz-Grün frei. Denn der gößte inhaltliche Stolperstein ist aus dem Weg. Auf einen Salto rückwärts mehr oder weniger kommt es dann auch nicht mehr an."
"Mit viel Tamtam stellte Röttgen (...) die Kriterien vor, anhand derer die Sicherheit der deutschen Rest-Reaktoren geprüft wird. Folgt man ihm, droht den eben noch sichersten Kraftwerken der Welt nun der härteste Stresstest der Welt", kommentiert die Frankfurter Rundschau. "Dabei weiß Röttgen am besten, dass das nicht erst durch Fukushima nötig gewesen wäre, ehe man auch dem ältesten Meiler acht Jahre Zusatz-Laufzeit schenkt. Der Umweltminister selbst forderte vor Merkels Herbst der falschen Entscheidungen, die Altmeiler gegen Flugzeuge und Terror zu sichern, setzte sich aber gegen den schwarz-gelben Wirtschaftsflügel nicht durch."
Für die Neue Osnabrücker Zeitung ist es "kaum zu glauben, aber wahr: Jahrzehntelang galten die deutschen Kernkraftwerke als sicher. Nun ist angeblich alles anders, beginnen aufwendige Stresstests." Das Blatt ist verwundert: "Das kann nicht schaden. Nur fragt man sich: Warum erst jetzt? Weshalb nicht bereits vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren? Das riskante Spiel muss ein Ende haben. Und das heißt: Die nur mit dünnen Betonhüllen versehenen alten AKW müssen sofort stillgelegt werden, die übrigen so bald wie möglich folgen. Nicht vergessen werden sollte zudem, dass es noch immer kein Endlager für hoch radioaktiven Atommüll gibt. Das bedeutet, selbst nach einem Atomausstieg, Risiken ohne Ende."
"Japan hat gezeigt: Das einzige, was absolut unwahrscheinlich ist, ist, dass das Unwahrscheinliche niemals eintritt. Alle 25 Jahre müsse es, haben Experten errechnet, bei der derzeitigen Zahl der Atomkraftwerke auf der Welt irgendwo einen Supergau geben. 1986 Tschernobyl, 2011 Fukushima - die Prognose ist erschreckend genau", schreibt der Trierische Volksfreund. "Erdbeben plus Tsunami plus Ausfall der Notstromaggregate plus Wasserstoffexplosion, so geschah es in Japan. Auch hierzulande sind viele Kombinationen für einen Gau denkbar. Nun müssen sie gedacht werden. Wie viel ist uns - und auch den Energiekonzernen - die notwendige Nachrüstung wert? Wie viel Restrisiko sind wir bereit wie lange zu tragen? Wo ist der Grenznutzen der Atomkraft für unsere Gesellschaft? Es sind die alten Fragen, die nach Fukushima nun neu beantwortet werden müssen - und das nicht nur von Technikern."
"Mit Ruckzuck-Ausstieg und Energiewende tut sich die Union schwer. Und das Tohuwabohu in der FDP lässt sich nur als ernster Störfall begreifen. Entsprechend verständlich ist das Misstrauen in der Opposition - wenngleich sie dies auch genüsslich zu zelebrieren weiß." Die Westfälischen Nachrichten betrachten die politische Komponente der Ausstiegsdebatte: "Wahrscheinlich bleibt der sicherheitstechnische Erkenntnisgewinn nach dem Moratorium gering. Doch die politischen Signale werden immer klarer, dass auch Schwarz-Gelb das Atomgespenst rasch verbannen will. Röttgen muss Glaubwürdigkeit für die Union zurückgewinnen und soll den Karren wieder flott machen, den die Kanzlerin mit der Laufzeitverlängerung in den Sand gesetzt hat."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig