Pressestimmen

Pannenserie bei der Bahn Zugfahrt in der Bratröhre

Die Bahn bekommt ihr Hitze-Problem nicht in den Griff. In fast 50 Fällen gab es bisher stärkere Probleme mit den Klimaanlagen. Die Reisenden sind sauer - und das Unternehmen scheint mal wieder überfordert.

Die Hannoversche Allgemeine Zeitung schreibt: "Früher einmal galt bei der Bahn der Grundsatz, man wolle Reisende sicher, schnell und günstig ans Ziel bringen. Später dann, nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, wollte man vor allem schnell an die Börse. Jetzt wird es Zeit für eine Rückbesinnung auf das Wesentliche. Pünktliche und komfortable Züge, die störungsfrei fahren, müssen zum Markenzeichen der Bahn werden. Wenn der Konzern sein Kerngeschäft nicht beherrscht, wird er dauerhaft keinen Erfolg haben erst recht nicht an der Börse."

(Foto: dpa)

Die Landeszeitung aus Lüneburg wagt einen ironischen Blick in die Zukunft, wenn sie schreibt: "Die Bahn kommt - lautete einst ein Werbeslogan.'Noch immer nicht gut an' muss heute ergänzt werden. Irgendein Bahn-Manager muss im gut gekühlten Büro den Klimawandel verschlafen haben. Sonst ließe sich nicht erklären, warum das Gros der Klimaanlagen in den ICE-Zügen nur bis 32 Grad Außentemperatur ausgelegt ist. Aber Abhilfe ist in Sicht. 2011 rollen neue ICE3-Züge heran, deren Klimaanlagen sagenhaften 40 Grad Paroli bieten können. Und 2015 kommt der ganz heiße Zug mit dem Codenamen ICx, Leistung: bis 45 Grad. Mit ganz viel Glück könnte dann auch der vom SPD-Politiker Pronold geforderte parlamentarische Untersuchungsausschuss erste Ergebnisse vorlegen."

Der Südkurier aus Konstanz geht mit dem neuen Bahnchef ins Gericht: "Der smarte frühere Daimler-Manager Grube ist mit seiner Charme-Offensive gescheitert. Das monatelange Chaos bei der S-Bahn in Berlin konnte noch Mehdorn angelastet werden. Dass sich in diesem Sommer ICE-Züge zu Bratröhren wandeln, dass ICE-Fahren zu einem unkalkulierbaren Gesundheitsrisiko geworden ist, dafür hat Grube geradezustehen. Er wird durchgreifen müssen ­ akut mit einem besseren Krisenmanagement, strategisch mit einem neuen Konzept -, wenn er das Image von der Pannen-Bahn überwinden will und nicht ein zweiter Mehdorn werden möchte."

Für das Obermain-Tagblatt sind die Probleme den Börsenplänen geschuldet: "Es gab Zeiten, in denen die Bahn werbewirksam das Wetter ignorieren konnte. Ob Winter, ob Sommer ­ die Züge waren pünktlich wie die Eisenbahn. Und sie hatten Fenster, die man noch öffnen konnte. Vorbei. Völlig überraschend ist es Sommer, und dass diese Jahreszeit auch mal mit Temperaturen von über 32 Grad aufwarten kann, Tendenz in Zukunft eher steigend ­ damit konnte bei der Bestellung der ICEs offenbar keiner rechnen. Die Ausrüstung mit der Spar- Klimaanlage kommt die Bahn nun im Nachhinein teuer zu stehen. Man bekommt, wofür man bezahlt ­ und das durfte nicht zu viel sein, schließlich musste sich die Bahn börsenfein machen. Was die jetzt fleißig geifernden Politiker offenbar vergessen haben."

Ähnlich sieht das der Mannheimer Morgen: " Wird die Technik der Züge mit Blick auf die Bilanz und einen möglichen Börsengang nicht auf Sicherheit, sondern auf Kostenminimierung getrimmt? Für manchen Politiker, der in diesen Tagen populistisch auf die Bahn schimpft, scheint das schon festzustehen. Doch wehe, die Zahlen stimmen am Ende nicht! Vergessen wir nicht: Der klamme Bund als Eigentümer hat die Bahn erst kürzlich verpflichtet, jedes Jahr eine Dividende von 500 Millionen Euro an ihn abzuführen."

Eine Art Systemwechsel fordert die Frankfurter Rundschau: " Die negativen Schlagzeilen, die den ICE seit seiner Geburt begleiten, reißen nicht ab. Der einstige Hoffnungsträger ICE droht zum Imagekiller der Bahn zu werden. Ausbaden müssen es die Reisenden ­ und das oft mies bezahlte Personal, das die Anschnauzer der Passagiere einstecken muss, obwohl die Schuldigen oben sitzen. Die Kunden aber sind dem System Bahn ausgeliefert. Denn es gibt keine vernünftige Alternative zu diesem Transportmittel. Das muss der Bund als Eigentümer endlich erkennen. Er muss der Bahn nicht nur schärfer auf die Finger schauen und zur Not hauen, er muss das System Bahn viel mehr als bisher fördern ­ statt die Straße zu präferieren."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Jochen Müter

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