Neue Regierung in Athen "Zum Aufatmen zu früh"
20.06.2012, 20:53 Uhr
Alle Hoffnungen liegen nun auf Samaras.
(Foto: AP)
Diesmal sollte es in Athen ganz schnell gehen - nach drei Tagen ist es soweit: Der Konservative Samaras wird neuer Regierungschef einer Koalitionsregierung. Kanzlerin Merkel gratuliert. Doch wie beurteilen die deutschen Tageszeitungen die Entwicklung in Griechenland?
Der Reutlinger General-Anzeiger sieht einen Fortschritt: "Griechenland hat endlich wieder eine handlungsfähige Regierung - das ist zunächst nur ein politisches Signal. Aber ein wichtiges. Die Parteispitzen in Athen haben maximal schnell gehandelt. Damit ist der Dauerabsturz zwar noch nicht abgewendet - aber Samaras & Co. zeigen demonstrativ, dass sie gewillt sind konstruktiv an Lösungen zu arbeiten. Somit setzt Athen auch die Europäer unter Druck. Insbesondere Angela Merkel tritt auf die Bremse, wenn es um ein Entgegenkommen bei den vereinbarten Fristen für die Schuldentilgung geht - die Kanzlerin muss aufpassen, hier wegen ihrer kompromisslosen Haltung nicht am Ende als Krisenverschärferin dazustehen."
Das Handelsblatt meint: "Samaras will den Euro-Partnern weitere Zugeständnisse abringen. Die geforderten Wachstumshilfen für die sieche griechische Wirtschaft dürften dabei das geringste Problem darstellen, denn darüber denkt man in der EU ohnehin nach. Auch der griechische Wunsch nach vorgezogener Auszahlung von EU-Fördergeldern gilt als erfüllbar. Heikel sind andere Forderungen des konservativen Griechen. Etwa sein Plan, die im Rahmen des Sparprogramms gekürzten Renten wieder zu erhöhen, die Unternehmenssteuern zu senken, die Mehrwertsteuererhöhung teilweise zurückzunehmen und das Arbeitslosengeld künftig zwei Jahre statt bisher maximal zwölf Monate zu zahlen. Solange Samaras nicht sagen kann, wie er sein Sozialprogramm gegenfinanzieren will, dürfte er mit diesen Ideen in Brüssel auf wenig Gegenliebe stoßen."

Die Neue Osnabrücker Zeitung ist skeptisch: "Unter dem Damoklesschwert der Staatspleite haben die gemäßigten Parteien Griechenlands zueinandergefunden. Endlich. Das Land bekommt eine Regierung, die auf Sparkurs und in der Euro-Zone bleiben will. Doch zum Aufatmen ist es viel zu früh. Nea Dimokratia und PASOK, die früher gemeinsam bis zu 85 Prozent des Wählerwillens repräsentierten, erhielten bei der Wahl am Sonntag nur 42 Prozent der Stimmen. Radikale Kräfte wie das linke Bündnis Syriza und die Neofaschisten sind erstarkt und machen unmissverständlich klar, dass sie sich keinem Spardiktat und keinem Staatenbündnis der Welt beugen wollen. Die künftige Regierung Griechenlands steht auf tönernen Füßen, und eine Horde politischer Berserker macht gegen sie Front. Die Gefahr ist noch lange nicht gebannt."
Das sieht der Südkurier ähnlich: "Das Land hat zwar eine neue Regierung, doch die Probleme bleiben die alten. Die Kassen sind leer, das Geld reicht nur noch bis Mitte Juli. Spätestens dann kommt aus Athen der Ruf nach neuen Krediten. Die Geldgeber können ihm nur nachgeben, wenn sich der Beinahe-Bankrotteur an der Ägäis an die Konditionen hält und anders wirtschaftet als bisher. Doch nicht alle Bündnispartner des neuen Ministerpräsidenten Antonis Samaras setzen sich mit dieser Absicht an den Kabinettstisch. Seine Koalition ist vom Zerfall bedroht, ehe sie vereidigt ist."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung will Visionen sehen: "Die ersten Töne, die aus Athen kommen, stimmen misstrauisch. Für die Lockerung der Sparauflagen will die neue Regierung unter Führung des Konservativen Samaras vor allem kämpfen. Fast hat man den Eindruck, als sei das der einzige Programmpunkt, den die Koalition sich vorgenommen hat: Zugeständnisse zu erreichen, Erleichterungen auszuhandeln, Bedingungen aufzuweichen. Dabei wäre es mehr als nur wünschenswert, wenn die neue Regierung, der immerhin zwei Parteien angehören, die in der Vergangenheit den Karren in den Dreck gefahren haben, eine Vorstellung davon entwickeln, wohin sie Staat, Wirtschaft und Gesellschaft führen wollen - eine die Bürger möglicherweise sogar begeisternde Idee davon haben, wie Griechenland in fünf oder zehn Jahren aussehen soll."
Quelle: ntv.de