Pressestimmen

Steuersenkungspläne der Koalition "... und ab in die Gießkanne"

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Kanzlerin Merkel vollzieht nach zwei Jahren Streit eine Kehrtwende und gibt den Forderungen der FDP nach Steuersenkungen nach: Die schwarz-gelbe Bundesregierung will noch vor der Sommerpause Entlastungen von bis zu zehn Milliarden Euro beschließen. Oder ist es nur ein "Rettungsschirm, unter den die Liberalen schlüpfen können"? Die deutsche Presse jedenfalls spricht von einem Geschenk an die FDP und der Verbesserung der Wiederwahlchancen der Koalition. Dabei ist doch noch gar nicht Weihnachten.

Merkel gibt Rösler Rückendeckung.

Merkel gibt Rösler Rückendeckung.

(Foto: picture alliance / dpa)

"Wieder so eine Zahl: zehn Milliarden! Diesmal nicht als Rettungspaket, sondern als Steuergeschenk an die Bürger", schreibt die Emder Zeitung. Und die Wähler sollten "in ihrer Eigenschaft als Wähler" würdigen, wem sie das zu verdanken haben: "nämlich der FDP". Die habe sich nämlich endlich durchgesetzt, wenn auch noch nicht ganz. "Doch die Festigkeit des Felsens ist trügerisch: Widerstand regt sich schon." Da sei von der Schuldenbremse die Rede, die einzuhalten sei. Und im Grunde wisse auch jeder, dass Steuergeschenke dieser Art die Schuldenlast künftiger Generationen nur vergrößern, erklärt die Zeitung weiter - und findet auch die Ursache dafür: "Die Regierung meint halt, dass es momentan wichtiger sei, für bessere Stimmung zu sorgen. Also her mit den Milliarden und ab in die Gießkanne! So geht Tagespolitik. Und was morgen ist, sehen wir dann ...".

Die Leipziger Volkszeitung zeigt sich ähnlich süffisant, wenn sie fragt: "Ja, ist denn schon Weihnachten?" Der ewig blutende Steuerzahler solle nun doch noch ein Brosamen des Konjunkturaufschwungs abbekommen, stellt der Kommentator fest. "Fast glaubt man, in Berlin habe die Einsicht gesiegt, sich aus schwerer Erklärungsnot befreien zu müssen. Weil ein Ja zur milliardenteuren Griechenland-Hilfe schlecht zu verkaufen ist, wenn zugleich die steuerzahlenden Hilfsgeber immer nur ein Nein zu jeder Entlastung hören." Doch auch hier wird der Koalitionspartner als eigentliche Ursache der Entscheidung gesehen: "Merkels und Schäubles plötzlich entdeckte Spendierlaune entpuppt sich schnell als Wiederbelebungsversuch für die FDP." Das Blatt warnt: "Auch diesmal liegt das Scheitern nahe. Die SPD gibt den Spielverderber und selbst CDU-Länderfürsten wollen Merkels neuestem Schwenk nicht folgen. Wer da als braver Steuerzahler noch an den Weihnachtsmann glaubt, ist selber schuld".

Auch der in Hamm herausgegebene Westfälische Anzeiger sieht in den geplanten Steuererleichterungen ein Geschenk an die FDP: "Das ganze Steuergeschwätz dient wohl eher dem Austarieren der Machtbalance innerhalb der schwarz-gelben Koalition." Das Ganze sei vor allem ein Schulterklopfen von der Chefin für den gebeutelten neuen FDP-Vorsitzenden und Vizekanzler Philipp Rösler, meint die Tageszeitung: "Ein bisschen dürft ihr euch wieder als Steuerentlastungspartei präsentieren".

Das Obermaintagblatt aus Lichtenfels hat noch einen weiteren Zusammenhang entdeckt: "So ein Zufall aber auch: Just im Jahr der Bundestagswahl 2013 soll die Steuersenkung wirksam werden, die die Koalition überraschend aus dem Hut zaubert." Union und FDP gedenken, so die Tageszeitung, auf Kosten höherer Staatsschulden ihre schlechten Wiederwahlchancen zu verbessern. Und selbst wenn die Opposition im Bundesrat das Wahlgeschenk stoppen sollte, wäre so die alte Schlachtordnung wiederhergestellt: "Hier Union und FDP als Steuersenkerparteien, dort die böse Opposition als Spielverderber. Irgendwie alles schon mal dagewesen".

Der Kölner Stadt-Anzeiger teilt vor allem den Optimismus der Regierung nicht: "Griechenlandkrise, Bundeswehrreform, gute Konjunktur - wohin man auch schaut: Kein Grund, von der strikten Sparpolitik abzulassen." Weiter heißt es: "Was wäre schlimm daran, wenn auf diese Weise das Zeitalter der ausgeglichenen Haushalte früher ausbräche als geplant? Nichts!" Das sehen, schreibt der Kommentator, nicht nur SPD und Grüne so, sondern auch christdemokratische Ministerpräsidenten. Denn den Ländern, von den Kommunen zu schweigen, gehe es nicht besser als dem Bund. "Damit sich das ändert", fordert die Zeitung, "sollte man bei einer Politik bleiben, die im Alltag den Feiertagsbegriff der Nachhaltigkeit verdient."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke

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