Tenhagens Tipps Macht Telematik Autofahren günstiger?
16.09.2015, 11:24 Uhr
Bislang beeinflussen vor allem statistische Faktoren die Versicherungsprämie. Künftig soll auch das Fahrverhalten einbezogen werden.
(Foto: imago/Westend61)
Ob jemand umsichtig oder draufgängerisch fährt, spielt beim Preis der Kfz-Versicherung bislang keine Rolle. Nach dem Willen der Versicherungsbranche soll sich das ändern. Finanztest-Chefredakteur Tenhagen erklärt, was es mit den neuen Telematik-Tarifen auf sich hat.
n-tv.de: Was genau ist Telematik überhaupt?
Hermann-Josef Tenhagen: Kurz gesagt: Bei Telematik bekommen Sie einen Bordcomputer ins Auto, der misst, wie Sie Auto fahren. Und wenn Sie besonders sicher unterwegs sind, zahlen Sie weniger für Ihre Versicherung.
Welches Verhalten bewertet die Versicherung denn positiv?
Gut ist es zum Beispiel, wenn Sie keine Kavalierstarts hinlegen, nicht scharf bremsen, die Verkehrsregeln und Tempolimits einhalten. Schnelles Beschleunigen wird nicht gern gesehen, Leerlaufzeiten auch nicht. Wenn man zum Beispiel an der Bahnschranke zwei Minuten den Motor laufen lässt, wird das als nachlässig bewertet. Entscheidend ist außerdem, wann und wo Sie fahren. Das Unfallrisiko ist bei Dunkelheit größer als bei Tageslicht und in der Stadt kracht es eben häufiger als auf dem Land.
Und der Bordcomputer kann all das herausfinden?
Sogar noch viel mehr. Es handelt sich ja um so eine Art Blackbox, wie man sie von Flugzeugen kennt. Im Prinzip könnte so ein Kästchen auch feststellen, ob Sie ein Glas Wein getrunken haben. Oder ob Sie sich ständig mit Ihrer Beifahrerin streiten und deswegen nicht konzentriert autofahren. In der Praxis muss das natürlich nicht so sein. Die deutsche Versicherung S-Direkt etwa lässt die Daten von einer anderen Firma analysieren und kommt lediglich an die Auswertung heran, nicht aber an die Daten an sich.
Kommt Telematik schon vor bei deutschen Versicherern?
Im Moment gibt es nur zwei Anbieter am Markt: S-Direkt, das ist die Autoversicherung der Sparkassen, und die Signal-Iduna-Tochter Sijox. Spannend wird es, wenn die großen Versicherer nachziehen. Huk und Allianz, die beiden Branchenriesen, haben das für die nächsten Monate schon angekündigt und auch andere, wie die Axa, VHV und Generali wollen Tarife ins Programm nehmen. Im Ausland sind Telematik-Tarife schon länger üblich. In Großbritannien hat das schon in den 1990er-Jahren begonnen, seitdem wurden die Tarife immer weiterentwickelt und sind jetzt ziemlich verbreitet. In Österreich setzen 50.000 Autofahrer auf Telematik, in den USA ist es jeder zehnte Versicherte. Und in Italien sind Versicherungen sogar dazu verpflichtet, mindestens einen Telematik-Tarif anzubieten.
Und wie sieht es hierzulande aus?
Bisher noch verhalten. Zum einen haben hier wohl doch viele Leute Datenschutzbedenken, zum anderen gibt es bislang eben kaum Angebote. Die S-Direkt verspricht bis zu 20 Prozent Ersparnis, allerdings muss man dafür erst 129 Euro für die Fahrstilanalyse-Box ausgeben, das bindet einen natürlich an die Versicherung. Damit sich die Investition amortisiert, muss man schon 645 Euro für seine jetzige Versicherung zahlen.
Bei Sijoux ist die Teilnahme kostenlos, wenn man sich für Telematik entscheidet, fährt man per se 15 Prozent billiger. Bedingung ist aber, dass man im Auto- und Reiseclub Deutschland Mitglied wird, ansonsten gibt es nur 5 Prozent Nachlass. Für gutes Fahrverhalten bekommt man dann nochmal 25 Prozent Rabatt. Bestenfalls fährt man dann also bis zu 40 Prozent billiger, das ist schon ziemlich viel.
Spannend wird jetzt, mit welchen konkreten Angeboten Huk und Allianz auf den Markt kommen. Für sparwillige Autofahrer wird die Sache erst dann richtig interessant, wenn die ohnehin schon preiswerten Direktversicherer in den Markt drängen. Für Fahranfänger etwa, bei denen die Versicherung ja oft schon teurer ist als das Auto, könnte so ein zusätzlicher Telematik-Rabatt ganz reizvoll sein.
Was raten Sie Autofahrern jetzt?
Ich würde so vorgehen wie immer: Wenn die eigene Versicherung zu teuer wird, macht man einen Vergleich bei einem der einschlägigen Portale. Wie man dabei nicht übers Ohr gehauen wird, liest man bei Finanztip nach. Schon heute bekommt man ja Tarife mit einer riesigen Preisspanne angezeigt. Falls dann tatsächlich einer der günstigeren Anbieter einen Telematiktarif im Programm hat, kann man sich den ruhig einmal näher anschauen. Ansonsten nimmt man eben einen der preiswerteren Tarife ohne Telematik.
Richtig interessant wird die Sache übrigens ab 2018. Dann müssen Neuwagen EU-weit ein sogenanntes eCall-System eingebaut haben, das bei einem Unfall automatisch einen Notruf absetzt. Und dieses Kästchen könnte dann auch die nötigen Daten auslesen. Abgesehen davon sind moderne Autos ja schon jetzt vollgepackt mit Bordelektronik. Die wird bislang aber nur von den Autoherstellern ausgelesen.
Mit Hermann-Josef Tenhagen sprach Isabell Noé
Quelle: ntv.de