Recht verständlich Wenn der Chef mit Rauswurf droht
22.05.2017, 12:43 Uhr
Drohungen sind selten eine gute Form des Miteinanders.
(Foto: imago/Ikon Images)
Ein Arbeitgeber droht mit fristlosem Rauswurf, der Mitarbeiter unterschreibt daraufhin einen Aufhebungsvertrag. Ist der wegen rechtswidriger Drohung anfechtbar?
Ein Arbeitgeber darf nicht mit einer fristlosen Kündigung drohen, wenn offensichtlich keine Kündigungsgründe gegeben sind. Tut er dies dennoch, kann der betroffene Mitarbeiter innerhalb eines Jahres den Aufhebungsvertrag anfechten, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln, 11 Sa 114/16 entschieden hat.
Demnach kommt es darauf an, ob ein "verständiger" Arbeitgeber bei einem bestimmten Sachverhalt eine fristlose Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Das Gericht entschied in dem zugrunde liegenden Fall, dass dem Arbeitnehmer keine so gewichtigen Verfehlungen nachgewiesen werden konnten, dass der Arbeitgeber an eine fristlose Kündigung hätte denken dürfen. Er durfte also auch nicht mit einer Kündigung drohen. Der Arbeitnehmer konnte den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung des Arbeitgebers wirksam anfechten.
In dem Fall hatte der in einem Warenhaus beschäftigte Arbeitnehmer gemeinsam mit einem bei einer Fremdfirma Beschäftigten den Schließdienst nach dem Vier-Augen-Prinzip durchgeführt. Der Lebensmittelbereich wurde durch Kameras überwacht, die von einem Kameraraum aus gesteuert wurden. Der Fremdfirmenmitarbeiter wurde bei einer Leibesvisitation des versuchten Diebstahls von einem Paket Sülze aus dem Warenbestand überführt. Er gestand außerdem weitere Diebstähle in den drei vorangegangenen Wochen.
Es stand fest, dass der Arbeitnehmer des Warenhauses noch einmal im Kameraraum war, so dass für den Arbeitgeber der Verdacht nahelag, dass er diese Taten gedeckt und gegebenenfalls die Kameras manipuliert hat. In einer Anhörung bestritt der Mitarbeiter zunächst das Betreten des Kameraraumes und gab dann aber an, er habe nur nachschauen wollen, ob die Monitore noch eingeschaltet seien, was den Arbeitgeber nicht überzeugte. Nach Androhung einer fristlosen Kündigung unterzeichnete der Mitarbeiter dann einen Aufhebungsvertrag, den er später unter Verweis auf eine rechtswidrige Arbeitgeberdrohung durch seinen Anwalt anfechten ließ. Vor Gericht machte er schließlich den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend.
Das LAG Köln entschied zugunsten des Mitarbeiters. Zwar ist im Arbeitsrecht grundsätzlich auch eine Kündigung ohne lückenlosen Beweis möglich, wenn ein dringender Tatverdacht eines Mitarbeiters vorliegt, alle zumutbaren Aufklärungsmöglichkeiten erschöpft sind und der Mitarbeiter angehört wurde. Hier fehle es aber an einem dringenden Verdacht. Bloße auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus. Hier habe der Arbeitgeber nicht ausreichende Tatsachen ermittelt.
Allein die Tatsache, dass der Mitarbeiter zunächst das Betreten des Kameraraums geleugnet und dann zugegeben habe, reiche nicht aus. Der Arbeitgeber habe hier noch nicht einmal dargelegt, welche konkreten Kameramanipulationen der Mitarbeiter denn vorgenommen haben soll, so dass ein Bezug zwischen der angeblichen Manipulation in Anwesenheit des Mitarbeiters und der Entwendung der Sülze nicht hinreichend erkennbar sei, befand das Gericht.
Der Arbeitgeber habe es außerdem versäumt, den Fremdfirmenmitarbeiter zu einer möglichen Mittäterschaft oder Mitwisserschaft zu befragen. Auch die zeitliche Abfolge spreche hier gegen den dringenden Verdacht.
Ein verständiger Arbeitgeber hätte deshalb nicht mit einer fristlosen Kündigung drohen dürfen, um so den Mitarbeiter zur Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages zu bewegen. Eine Anfechtung wegen widerrechtliche Drohung des Arbeitgebers nach Paragraf 123 Absatz 1 BGB ist damit wirksam, der Aufhebungsvertrag dadurch von Anfang an nichtig, gemäß Paragraf 142 Abssatz 1 BGB.
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel MM ist Partnerin der Kanzlei FPS.
Quelle: ntv.de