Berlin & Brandenburg Brandenburg kämpft gegen Massensterben der Kraniche
23.10.2025, 16:44 Uhr
(Foto: Nobert Schneeweiß/Artenkompetenz)
Die Vogelgrippe trifft Brandenburg hart. Kraniche sterben massenhaft und in noch nie dagewesenem Ausmaß. Landwirte müssen den Verlust tausender Tiere verkraften. Warum das erst der Anfang sein könnte.
Potsdam (dpa/bb) - Nach dem massenhaften Sterben von Kranichen an der Vogelgrippe sind Krisenstäbe im Land in Alarmbereitschaft. Freiwillige Helfer und Artenschützer sind in Schutzanzügen im Linumer Teichgebiet im Nordwesten Brandenburgs im Einsatz, um tote Kadaver einzusammeln. Die Ausbreitung der Vogelgrippe unter Kranichen hat nach Einschätzung des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) ein in Deutschland bislang nicht gekanntes Ausmaß angenommen.
In Brandenburg wurde Kritik laut, die betroffene Region mit um die 1.000 toten Kranichen bekomme nicht genügend professionelle Unterstützung. Landesagrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD) sagte, es werde geprüft, ob der Krisenfall ausgerufen wird und möglicherweise das Technische Hilfswerk (THW) zum Einsatz komme. Derweil lief in einem Agrarbetrieb in Kremmen die Tötung von 5.000 Gänsen an. Wichtige Fragen zur Seuchenlage im Überblick:
Wie ist die Seuchenlage und die Gefahr für Wildvögel?
Das Agrarministerium und Artenschützer rechnen damit, dass noch weit mehr tote Wildvögel an der Vogelgrippe sterben, da der Vogelzug gen Süden andauert. "Wir sind erst beim Beginn und das heißt, wenn die Temperaturen runtergehen, dann wird die Seuchenlage sich noch deutlich verschärfen (...)", sagte Ministerin Mittelstädt bei Radio Eins vom RBB.
"Jetzt geht es wirklich um ein Massensterben", meinte der Leiter des Artenschutzzentrums Rhinluch, Norbert Schneeweiß. Innerhalb weniger Tage sind nach Schätzungen bereits mehr als 1.000 Kraniche im Linumer Teichland gestorben. Aber auch innerhalb von Orten werden tote Kraniche gefunden, wie der Fehrbelliner Bürgermeister Mathias Perschall (SPD) sagte.
Zudem herrscht die Sorge, dass sich die Seuche verstärkt auf andere Vogelarten ausweitet. Laut Friedrich-Loeffler-Institut sollen die toten Kraniche schnell eingesammelt und weggebracht werden, um weitere Infektionen vor allem von Aasfressern wie Krähen, Raben und Seeadlern zu vermeiden.
Die Vogelgrippe bedroht inzwischen Wildvögel in ganz Europa. Die Organisation Kranichschutz Deutschland teilte mit: "Die Zahlen der toten Glückvögel gehen bereits jetzt in die tausende." Es sei nur der "Anfang eines Massensterbens".
Wie läuft der Einsatz im Linumer Teichland?
Seit Tagen sind Helfer in Schutzanzügen und mit Mundschutz im Einsatz, waten durchs Wasser, um tote Kraniche einzusammeln. Es handelt sich beim Linumer Teichland, das sich auf mehrere Landkreise erstreckt, um ein bedeutendes Rastgebiet für jährlich zehntausende Zugvögel.
Der Vogelgrippe-Einsatz wird aus Sicht des Artenschützers Schneeweiß inzwischen schwieriger. "Es wird problematischer, weil wir jetzt schwer zugänglichere Gebiete haben." Ein kleines Team von fünf bis zehn Helfern sei im Einsatz und suche nun mehr und tiefere Gewässer ab. Zur Erkundung der Lage sei auch eine Drohne über das Gebiet geflogen. Die Kadaver kommen dann in Container und müssen entsorgt werden.
Wer stellt Hilfe bereit und warum gibt es Kritik?
Bislang wird das Technische Hilfswerk (THW) nicht eingesetzt zur Bewältigung der Vogelgrippe, weil dazu der Krisenfall ausgesprochen werden muss. Das sagte Agrarministerin Mittelstädt Radio Eins. Dies werde aber geprüft und abgestimmt. "Ich denke, wenn wir wirklich flächendeckend, auch deutschlandweit flächendeckend, diese Seuchenlage haben (...), dann werden wir da zugreifen müssen", so Mittelstädt. Im Krisenzentrum werde jederzeit geprüft, wie die aktuelle Lage sei und "wo wir Unterstützung geben können".
Es hatte Kritik gegeben, die Bewältigung der Seuchenlage könne nicht ehrenamtlichen Helfern überlassen werden.Die Zuständigkeit liegt laut Ministerium aber zunächst bei den Landkreisen.
Inzwischen hat der Landkreis Ostprignitz-Ruppin Hilfe beim Land angefordert. "Wir haben zwischen 60 und 100 Kräfte beim Land angemeldet", sagte Landrat Ralf Reinhardt (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Sie sollen beim Einsammeln der Kadaver im Linum Teichland unterstützen. Der Landrat will sich am Freitag auch vor Ort ein Bild der Lage machen.
Wie groß ist die Sorge bei Geflügelhaltern?
Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. (ZDG) warnte, die hochpathogene Aviäre Influenza gefährde die gesamte Geflügelproduktion in Deutschland. Gemeint ist die Geflügelpest, die umgangssprachlich Vogelgrippe genannt wird. Betroffen sind vor allem Freiland-Haltungen und Tiere mit Auslauf.
In Brandenburg sind bislang drei Fälle eines Vogelgrippe-Ausbruchs bei Geflügelbetrieben in den Landkreisen Märkisch-Oderland, Potsdam- Mittelmark und Oberhavel bekannt. Mehr als 14.000 Enten, Puten und Gänse sind betroffen und mussten getötet werden.
Zuletzt war ein Kranich mitten in die Gänseherde des Spargelhofs Kremmen gestürzt - er liegt im Zuggebiet der Wildvögel. 5.000 Gänse müssen gekeult werden. Die Aktion lief am Donnerstagmittag an.
In den betroffenen Gebieten werden Schutz- und Überwachungszonen gezogen. Geflügel soll dann möglichst in Ställen oder unter Schutzvorrichtungen untergebracht sein, damit ein Kontakt mit Wildvögeln vermieden werden kann. Die Landkreise erließen umfangreiche Auflagen zum Schutz vor einer Ausbreitung der Vogelgrippe.
Quelle: dpa