Hessen Bildungsminister weiter gegen Reform der Bundesjugendspiele
09.09.2025, 16:59 Uhr
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Teamgeist statt Leistungsdenken - die Ergebnisse der Bundesjugendspiele sollen nicht mehr exakt mit dem Maßband oder der Stoppuhr erfasst werden. Hessen wählt jedoch einen Sonderweg. Wie sieht er aus?
Wiesbaden (dpa/lhe) - Schon seit Jahren tobt in Deutschland eine Reformdebatte über die Bundesjugendspiele - Hessen hält dabei an der Betonung des traditionellen Leistungsgedankens fest. CDU-Bildungsminister Armin Schwarz sagte in einer Regierungserklärung im Wiesbadener Landtag, Hessen werde anders als andere Länder in den Schulen von der dritten Klasse an weiterhin Wettkämpfe mit klaren Platzierungen ermöglichen.
"Sport steht für Fairness, Teamgeist und den Mut, sich anzustrengen – Werte, die unsere Gesellschaft so dringend braucht. Gerade beim Sport lernen junge Menschen, sich über Siege zu freuen, Niederlagen auch zu verkraften - auch das gehört zum Leben dazu -, Respekt zu zeigen und sich immer neue Ziele zu setzen", sagte der Bildungsminister, der selbst einst Lehrer gewesen war.
Minister: Vorerst gibt es hessische Landesjugendspiele
"Durch Wettkampf und Platzierungen setzen wir uns deutlich von anderen Ländern ab. Solange es hier keine vernünftige Einigung auf Bundesebene gibt, machen wir hessische Landesjugendspiele", betonte Schwarz. Hier zähle jede Sekunde und jeder Zentimeter. "Hessen zeigt, wie man es besser macht. Leistung muss und darf sich nämlich lohnen", sagte der Minister.
Die Spiele werden jährlich an Schulen vor allem in der Sportart Leichtathletik ausgerichtet. Schon im Juni 2024 hatte Minister Schwarz darauf gepocht, die umstrittene deutschlandweite Reform der Bundesjugendspiele rund ein Jahr zuvor wieder rückgängig zu machen. Ein Teil der Schulen in Hessen hat die Neuausrichtung laut dem Wiesbadener Bildungsministerium inzwischen allerdings umgesetzt - mit weniger Leistungsdenken und weniger starren Bewertungen.
Auch Friedrich Merz will nicht nur Teilnehmerurkunden
Im Januar 2025 sprach sich auch der heutige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) - damals noch als Unionskanzlerkandidat - dafür aus, Bundesjugendspiele nicht nur noch mit Teilnehmerurkunden und ohne Siegerurkunden zu veranstalten. Dabei bezog sich Merz auf die Ergebnisse bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris: Am Ende stand Deutschland lediglich auf Rang zehn im Medaillenspiegel.
Gemäß der Reform der Bundesjugendspiele werden diese auch in den dritten und vierten Klassen der Grundschulen als Wettbewerb und nicht mehr als Wettkampf organisiert. Damit werden die Leistungen der Jungen und Mädchen weniger starr bewertet. Mit dieser Neuerung sollen die Spiele kindgemäßer werden, wie der Ausschuss für die Bundesjugendspiele und die Kommission Sport der Kultusministerkonferenz (KMK) bereits 2021 beschlossen hatten.
Festgelegte Punktetabelle
Wer zu den Besten gehört, orientiert sich nicht mehr an einer festgelegten Punktetabelle in Deutschland, sondern an den Leistungen der Kinder einer Schule innerhalb ihres Jahrgangs. Auch können Schulen beim Wettbewerb ohne die festgelegten Punktetabellen neben klassischen Disziplinen wie 50-Meter-Sprint oder Weitsprung noch andere Sportaufgaben anbieten - etwa Hürdensprint, Stoßen oder Drehwürfe.
Zudem sollen die Leistungen der Schüler nicht mehr zentimetergenau mit dem Maßband oder der Stoppuhr erfasst werden. Stattdessen gibt es etwa beim Weitsprung oder Werfen bestimmte Zonen, in denen bestimmte Punkte vergeben werden. Es soll besonders um Freude an der Bewegung, Fairness, Respekt, Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen gehen. Die Vergabe von Ehren-, Sieger- und Teilnehmerurkunden hingegen gibt es der Reform zufolge weiterhin, jedoch nach einem festen Zahlenschlüssel in Gruppen verteilt und nicht mehr nach reinen Sportergebnissen.
Kritik von der Opposition an Regierungserklärung
Vertreter der Opposition im hessischen Landtag kritisierten die Regierungserklärung von Schwarz. Der Bildungsexperte der Grünen-Fraktion, Daniel May, warf dem Minister "Scheindebatten und Verschleierungsversuche" vor. "Was seiner Meinung nach für Zehnjährige beim Weitsprung zählen soll, muss vielmehr für die Arbeit der Landesregierung selbst gelten: Dabei sein ist nicht alles. Wir wollen endlich Ergebnisse sehen", sagte May.
"Der Kultusminister hat die drängenden Probleme wie Unterrichtsausfall, Lehrkräftemangel und bröckelnde Schulen kaum thematisiert", monierte der FDP-Abgeordnete Moritz Promny. Die Schulen bräuchten "Autonomie für die besten Lösungen vor Ort sowie Vertrauen in die Schulleitungen und Lehrkräfte". Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Heiko Scholz, erklärte: "Anstatt die Probleme der hessischen Schullandschaft klar zu benennen, flüchtet sich Staatsminister Schwarz in die bekannten Ausflüchte."
Quelle: dpa