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Hessen Studierende ohne Abitur bringen frischen Wind an Unis

(Foto: Niklas Graeber/dpa)

Zum Studieren braucht man ein Abitur? Nein. Es gibt auch andere Wege zur Hochschule. Was die Universitäten an den Quereinsteigern schätzen.

Wiesbaden (dpa/lhe) - Mit dem Start des neuen Wintersemesters an Hessens Hochschulen nehmen auch wieder Menschen ein Studium auf, die kein klassisches Abitur haben. Die Universitäten im Land begrüßen unisono diese Möglichkeiten etwa für beruflich Qualifizierte, wie eine dpa-Umfrage ergab. "Durch das Studium ohne Abitur werden einem breiteren Personenkreis den Zugang zu akademischer Bildung ermöglicht und gleichzeitig neue Perspektiven in den akademischen Diskurs gebracht", erklärt ein Sprecher der Frankfurter Goethe-Universität. 

Das Wintersemester geht formal am 1. Oktober los, die Vorlesungszeit startet Mitte kommenden Monat. Um einen Studienwunsch in die Tat umzusetzen, muss man in Hessen nicht unbedingt ein Abitur haben. Auch ein Meisterbrief zählt zu den Qualifikationen. Seit 2016 besteht die Möglichkeit zur Aufnahme eines Studiums mit mittlerem Schulabschluss und einer mindestens dreijährigen Berufsausbildung mit Gesamtnote 2,5 oder besser. Damit wurden nach Angaben des Wissenschaftsministeriums die Zugangsmöglichkeiten für Studierwillige ohne Abitur erheblich erweitert. 

Derzeit seien Studierende in vielen verschiedenen Arten der Hochschulzugangsberechtigung immatrikuliert, erläutert der Sprecher der Goethe-Universität. Die "Allgemeine Hochschulreife an Gymnasien" sei nur eine davon. In den vergangenen fünf Jahren hätten sich durchschnittlich 100 Erstsemester ohne Abitur eingeschrieben. "Nicht jeder hat die Möglichkeit, das Abitur als ersten Bildungsabschluss zu machen, sei es aus finanziellen, familiären oder sozialen Gründen oder auch durch sehr unterschiedlich verlaufende persönliche Entwicklungen", gibt der Sprecher zu Bedenken. 

Flexibles Teilzeitstudium könnte Menschen unterstützen

Beruflich Qualifizierte brächten praktische Erfahrungen und Kenntnisse mit, die die Hochschulbildung bereichern könnten. "Die niedrigen Zahlen lassen sich als Hinweis deuten, dass die Öffnung der Hochschulen alleine nicht ausreicht, um dieser Gruppe mit dem Studium ein attraktives Angebot zu machen", ergänzt er. Helfen könnten neue staatliche Förderkonzepte wie etwa ein flexibleres Teilzeitstudium.

"Es liegt nahe, dass beruflich Qualifizierte häufig schon im Leben angekommen sind, eine Wohnung finanzieren müssen, gegebenenfalls schon eine Familie und einen gewissen Lebensstandard haben", erläutert der Hochschulsprecher. Daher sei das größte Problem für diese Gruppe die Finanzierung. Häufig werde das über eine deutliche zeitliche Streckung des Studiums und paralleles Arbeiten erreicht, finanzielle Fördermöglichkeiten gebe es so gut wie gar nicht.

Studis ohne Abi sind auch in Kassel in der absoluten Minderheit   

"Die Universität Kassel ist ihrem Selbstverständnis nach erklärtermaßen für alle Studieninteressierten offen, egal welchen schulischen oder beruflichen Bildungsweg sie mitbringen", teilt eine Sprecherin mit. Man freue sich darüber, wenn Bewerber und Bewerberinnen ohne klassisches Abitur und mit beruflicher Qualifikation die Universität als Ort für ihren Bildungsaufstieg wählten. Allerdings sei ihr Anteil an der gesamten Studierendenschaft mit rund 1,8 Prozent relativ gering.

Kommilitonen profitieren vom Erfahrungsschatz

"Bildungsbiographien können durch die vielfältigen Wege des Hochschulzugangs flexibler gestaltet werden", ergänzt eine Sprecherin der Justus-Liebig-Universität Gießen. Viele Studierende ohne allgemeine Hochschulreife kämen mit beruflichen und praktischen Erfahrungen an die Universität. Davon könnten sie selbst, aber auch ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen gleichermaßen profitieren.

Eine Sprecherin der Technischen Universität Darmstadt erklärt, es gebe beim Studienerfolg keinen statistischen Unterschied zwischen den Gruppen mit und ohne Abitur. Jeder erfolgreiche Abschluss unterstreiche den guten Ansatz, Studienbewerber und -bewerberinnen mit diversen Lebensläufen und ohne Abitur über alternative Zugangsvoraussetzungen zuzulassen, bekräftigt sie. 

Die Universität Marburg biete ein vielfältiges Studium für alle Menschen, die sich mit den Werten der Universität identifizieren, heißt es von der Hochschule in Mittelhessen. "Der Wandel gehört zur Universität – seit fast 500 Jahren." Die Zugangsberechtigung zum Studium mit Fachhochschulreife oder beruflicher Qualifikation gehöre zu diesem Wandel dazu und werde begrüßt, teilt eine Sprecherin der Philipps-Universität mit.

Quelle: dpa

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