Von Fagus-Werk bis Pfahlbau Deutschland hofft auf Welterbetitel
19.06.2011, 17:00 UhrEin Welterbe-Titel der Unesco bringt erfahrungsgemäß ein größeres Touristeninteresse. In sieben Bundesländern heißt es daher nun Daumen drücken: Über vier Anträge könnten mehr als 30 Orte in Deutschland von der Unesco zum universellen Erbe der Menschheit erklärt werden. Doch ein Erfolg auf ganzer Linie ist alles andere als sicher.

Das Gebäude des Fagus-Werks in Alfeld. Die von Bauhaus-Gründer Walter Gropius entworfene Schuhleisten-Fabrik gilt in ihrer klaren Architektur als Schlüsselbau der Moderne
(Foto: picture alliance / dpa)
Das UNESCO-Welterbekomitee berät auf seiner am heutigen Sonntag beginnenden Tagung in Paris über die Aufnahme weiterer Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste. Nominiert sind insgesamt 37 Stätten weltweit, Deutschland hat die deutschen Buchenwälder und das Fagus-Werk im niedersächsischen Alfeld vorgeschlagen. Mit Entscheidungen ist ab Mittwoch zu rechnen.
Es wäre eine riesige Ehre, aber auch eine gewaltige Verpflichtung: Mehr als 30 Orte in ganz Deutschland hoffen in diesem Jahr auf Glanz durch einen der begehrten Unesco-Welterbetitel. Neben fünf alten Buchenwäldern und dem Fagus-Werk im niedersächsischen Alfeld stehen 24 Pfahlbauten rund um die Alpen auf der Kandidatenliste, über die in der kommenden Woche in Paris abgestimmt wird. Zudem könnten zwei 1927 entstandene Wohnhäuser der Stuttgarter Weissenhofsiedlung den Titel der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur erhalten. Sie gehören zum architektonischen und städtebaulichen Werk des französischen Architekten Le Corbusier.
Sicher ist gar nichts
Sicher hat die Auszeichnung allerdings keiner der Bewerber - im Gegenteil. Die in vier Anträgen zusammengefassten "Kandidaten" müssen alle auf das Wohlwollen der 21 Unesco-Vertreter hoffen, die am Sonntag zu ihrer elftägigen Jahrestagung (19.-29. Juni) in Paris zusammenkommen. Gutachter haben zum Teil Kritik an den Anträgen geäußert.
"Nichts ist entschieden", betont der Chef des Welterbezentrums, Kishore Rao, und verweist auch auf politische Überlegungen, die leider eine Rolle spielen könnten. Immer wieder hatte es in der Vergangenheit Kritik an der großen Zahl der Anträge aus Europa gegeben. Eigentlich darf ein Staat pro Jahr nur zwei Kandidaten bestimmen - davon ausgenommen sind allerdings länderübergreifende Bewerbungen wie für das Werk von Le Corbusier (1887-1965) und die Pfahlbauten.
Fagus-Werk hat gute Chancen
Wenig Zweifel gibt es in Unesco-Kreisen nur am Erfolg der Fagus-Werk-Kandidatur. Die von dem Architekten Walter Gropius gemeinsam mit Adolf Meyer entworfene Schuhleistenfabrik im südniedersächsischen Alfeld gilt als Schlüsselbau der Moderne. Mit der Konstruktion aus Glas und Stahl verlieh der später weltberühmte Architekt der dreistöckigen Schuhleistenfabrik eine schwerelose Eleganz, die damals für Fabrikbauten außergewöhnlich war. Die unter Denkmalschutz stehende Fabrikanlage, in der heute noch produziert wird, wurde inzwischen aufwendig restauriert. In diesem Jahr feiert das Fagus-Werk sein 100-jähriges Jubiläum.

Baumkronenpfad im Nationalpark "Hainich": Der 7500 Hektar große Nationalpark wurde 1997 gegründet und ist das größte zusammenhängende Laubwaldgebiet in Deutschland. Gemeinsam mit vier weiteren deutschen Buchenwäldern in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen ist das Gebiet in Thüringen zum Unesco-Weltnaturerbe nominiert worden.
(Foto: dpa)
Deutlich schwieriger dürfte es für die anderen drei deutschen Anträge werden. Die fünf als Naturerbe vorgeschlagenen Buchenwälder in Brandenburg, Thüringen, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern sollen nach Empfehlung von Unesco-Experten besser gemeinsam mit ähnlichen Wäldern in Bulgarien und Rumänien eingeschrieben werden - diese Länder haben allerdings noch gar keinen Antrag eingereicht. Auch für das Le-Corbusier-Werk und die Pfahlbauten gibt es keine uneingeschränkte Gutachterempfehlungen. "Für Deutschland wird es sehr schwierig. Nicht ist garantiert, aber nichts ist ausgeschlossen", heißt es aus Unesco-Kreisen.
Besucherinteresse steigt
In den betroffenen Regionen gibt man sich deswegen vorsorglich entspannt. Sollte es nicht klappen mit der Naturerbeliste, wären die ganzen Anstrengungen nicht umsonst gewesen, betont man im Brandenburger Umweltministerium zum Buchenwald Grumsin bei Angermünde. Schon jetzt sei das Interesse bei Besuchern merklich gestiegen. "Wir haben hier eine einmalige Kombination von Gewässern, Wald und Mooren", sagt Tilo Geisel vom Umweltministerium und verweist auf Stammgäste wie Kraniche und Schrei- und Fischadler.

Buchen im Totalreservat des Grumsiner Forstes im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin nahe Angermünde.
(Foto: dpa)
Die Pfahlbauten in der Alpenregion wären aus Sicht des baden-württembergischen Landesamts für Denkmalpflege das erste archäologische Unterwasser-Denkmal auf der Unesco-Liste. Auch in Stuttgart hat man allerdings Erfahrungen damit, dass die Unesco-Entscheidungen lange auf sich wartenlassen können. Über die Le-Corbusier-Bewerbung beriet das Welterbekomitee bereits auf seiner Sitzung 2009 und wies sie zur Überarbeitung zurück. Ein ähnliches Schicksal könnte auch die Bewerbung mit den Fundstätten mit Siedlungsspuren aus der Stein- und Bronzezeit ereilen.
Welterbetitel macht Arbeit
Wenn es klappt mit den Welterbe-Titeln, wartet überall viel Arbeit - für Generationen. "Die größte Herausforderung ist es, den Wert der Welterbestätten für alle Zeit zu erhalten", sagt die deutsche Welterbeexpertin und Unesco-Mitarbeiterin Mechtild Rössler. Egal in welchem Land.
Vietnam hofft auf eine Aufnahme einer Zitadelle aus der Zeit der Hô-Dynastie im 14. Jahrhundert, Kolumbien auf die Aufnahme seiner traditionellen Kaffee-Anbaugebiete, Kenia wiederum hält seine Seen im Rift Valley für besonders schützenswert. Sechs Bewerber - Barbados, Kongo, Vereinigte Arabische Emirate, Jamaika, Mikronesien und Palau - sind bislang noch nicht auf der Liste präsent.
Japan erhofft sich deutlichen Tourismus-Zuwachs
Nach der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe im Nordwesten Japans steht auch eine historische Stätte in der Region auf der Liste: Die buddhistischen Gebäude, Gärten und archäologischen Stätten in der Gegend von Hiraizumi. Die Region Tohoku verspricht sich von der Aufnahme von Hiraizumi auf die UNESCO-Liste einen deutlichen Zuwachs des Tourismus - nach den Zerstörungen durch das Erdbeben der Stärke 9,0 und den anschließenden Tsunami am 11. März kann das Gebiet Wachstumsimpulse gut gebrauchen.
Das UNESCO-Welterbekomitee, dem Experten aus 21 Ländern angehören, prüft auf seiner jährlichen Tagung, welche von den Mitgliedstaaten vorgeschlagenen Stätten neu in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt aufgenommen werden. Die Stätten müssen dafür verschiedene Kriterien erfüllen. Dazu zählen der "außergewöhnliche universelle Wert", die "Authentizität" eines Kulturdenkmals und die "Integrität" einer Naturerbestätte. Deutschland ist mit bisher 33 Stätten auf der Welterbeliste vertreten. Insgesamt verzeichnet die Liste weltweit über 900 Natur- und Kulturstätten.
"Liste des gefährdeten Welterbes"
Neben den Anträgen auf Neuaufnahme werden die Experten auch den Zustand zahlreicher bestehender Welterbestätten erörtern. Auf der "Liste des gefährdeten Welterbes" stehen derzeit 34 Welterbestätten. Darunter sind das Bamiyan-Tal in Afghanistan, das Barrier-Riff in Belize, die Altstadt und Stadtmauern von Jerusalem und der Nationalpark Everglades, wie die deutsche Unesco-Kommission mitteilte.
Quelle: ntv.de, abe/AFP/dpa