Reise

Engelberg in der Schweiz Hier ist der Winter noch nicht vorbei

Engelberg ist ein echtes Ski-Paradies.

Engelberg ist ein echtes Ski-Paradies.

(Foto: Malte van Oven)

Wenn der Frühling in Österreich oft das Ende der Skisaison einläutet, läuft in der Zentralschweiz der Skibetrieb noch auf Hochtouren. Das kleine Dörfchen Engelberg hat sich als erste Anlaufstation für Könner und Anfänger gemausert - auch durch schwedische Hilfe.

Johan Jonsson ist professioneller Freerider. Der 36-Jährige ist einer von vielen Schweden, die fast ihren kompletten Winter im kleinen traditionellen Klosterdorf Engelberg verbringen. Wie viele seiner Landsleute ist auch er immer auf der Suche nach Powder- und Pulverschnee. Und den findet er reichlich im Engelberger Tal. Am liebsten abseits der ausgewiesenen Pisten.

Die Topografie des dortigen Gletschers Titlis mit dem rund 80 Streckenkilometer fassenden Skigebiet reizt Skifahrer von fern und nah. Während asiatische Touristen den Gletscher mehr als Zwischenstopp ihrer Europareise sehen, zieht es Nord-und Mitteleuropäer in Engelberg auf und abseits der Pisten.

Titlis Gletscher - ein Paradies für Freerider

Selbst im Frühling gibt es noch Ski-Spaß satt.

Selbst im Frühling gibt es noch Ski-Spaß satt.

(Foto: Malte van Oven)

Die Südflanke des auf 3020 Meter residierenden Titlis besteht zwar fast ausschließlich aus steil abfallenden, unbefahrbaren Felswänden. Dafür finden sich auf der Nordflanke gleich mehrere Hänge, wie Laub oder Galtiberg, die es problemlos mit alpinen Klassikern aus Verbier oder Chamonix aufnehmen können. Jonsson empfiehlt Könnern die Sulz-Abfahrt: "Ein weites Terrain mit vielen kleinen Klippen zum Springen. Das ist eine meiner Lieblingsrouten."

Schwedische Skifahrer lieben dieses Variantenskifahren abseits der Piste - das sogenannte Freeriding. Viele von ihnen reisen sogar nur für einen Wochenendausflug in die Schweizer Berge. "Schwedische Medien haben in den vergangenen Jahren sehr stark über Engelberg berichtet, das zieht aber nicht nur die Freerider an. Mittlerweile kommen auch viele Familien nach Engelberg", weiß Jonsson, der das Treiben in den Engelberger Bergen täglich beobachtet. Im Rekordjahr 2015 verzeichnete das Klosterdorf gar 11.000 Übernachtungen von schwedischen Gästen.

Nur 600 Kilometer von Köln entfernt

Bis in die späten 1990er-Jahre war Engelberg vor allem als traditioneller ruhiger Familienort bekannt, mit altehrwürdigen Kurhotels, einer Skisprungschanze und einem 800 Jahre alten Benediktinerkloster. Die Möglichkeiten des alpinen Skigebiets waren bis dato nur absoluten Kennern und Einheimischen bewusst. Für deutsche Urlauber ist das Skigebiet seit jeher durch seine gute Erreichbarkeit attraktiv. Nur anderthalb Stunden von Basel aus oder anders gesagt; nur 600 Kilometer entfernt von Köln, ist Engelberg eines der am besten erreichbaren Skigebiete Mitteleuropas.

Schwedische Filmer und Fotografen aus der Freeride-Szene waren in den 1990er-Jahren diejenigen, die mit spektakulären Bildern das Klosterdorf in Skandinavien bekannt machten. Als Aushängeschild der Freundschaft zwischen Schweden und Engelberg galt die schwedische Profi-Freeriderin Matilda Rapaport. Sie lebte lange mit ihrem Ehemann, dem schwedischen Ski-Rennläufer Mattias Hargin, im Ort. Ihre Freeride-Videos, protegiert von einem bekannten österreichischen Getränkekonzern, lockten einige ihre Landsleute an. Tragischerweise kam Rapaport erst 30-jährig im April 2016 in den chilenischen Anden ums Leben - ausgerechnet bei einem Videodreh geriet sie in eine Lawine.

"Nur dein Kopf zählt in den Bergen, nicht deine Beine"

Das Thema Sicherheit treibt auch Johan Jonsson permanent um. In Zeiten von Actionkameras und der daraus resultierenden Selbstdarstellung steigt auch das Sicherheitsrisiko. In Engelberg ist die Bergwacht hochsensibilisiert. "Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass in Engelberg abseits der Pisten die meisten Leute das richtige Equipment tragen und mit genügend Lawinenkenntnis ausgestattet sind. Das habe ich in anderen Skigebieten in den Alpen schon deutlich schlechter gesehen." Einen Unterschied zwischen professionellen Freeridern und Hobbyskifahrern will Jonsson trotzdem nicht ziehen: "Dein Können auf Skiern hat nichts mit weisen Entscheidungen in den Bergen zu tun. Ich habe schon viele mittelmäßige Skifahrer mit intelligenten Entscheidungen gesehen und andersherum. Nur dein Kopf zählt in den Bergen, nicht deine Beine."

Jetzt im Frühling, wenn die Schneebretter antauen, wird diese Gefahr natürlich nicht geringer werden, dennoch zeigt sich Engelberg über Ostern meist von seiner schönsten Seite. Die Freerider weichen dann den Genießern, den Schwungästheten, den Sonnenanbetern. Dank seiner exponierten Lage ist der Skifahrbetrieb oben auf dem Titlis ohne Probleme bis Ende Mai möglich. Obwohl im Engelberger Tal bei sommerlichen Temperaturen dann die Vögel zwitschern und oft schon der örtliche Golfplatz seine Pforten öffnet, ist hoch oben auf dem Berg einiges los. Skifahrer kommen noch immer in den Genuss von Pulverschnee. In den Berghäusern auf Jochpass und Stand legen bei strahlendem Sonnenschein DJs auf und fetzige Waterslidecontests bereiten die Engelberger auf die nahende Frühlingssaison vor.

Nur Johan Jonsson und seine Kumpels sind dann schon längst wieder im hohen Norden. Mountainbiken und Fliegenfischen stehen den Sommer über auf dem Programm. Aber es wird wieder geträumt. Träume über Freiheit. Träume von Powder. Und der Traum von der nächsten perfekten Spur. Wahrscheinlich dann wieder in Engelberg.

Quelle: ntv.de

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