Tourismus contra Denkmalschutz Iraks Kulturschätze gefährdet
23.07.2009, 08:03 UhrAjad Tarik sprüht vor Optimismus, wenn er in den staubigen Ruinen der historischen Zitadelle von Kirkuk herumwandert. "Wir bauen dies zu einer Touristenzitadelle aus", sagt Kirkuks Direktor für Altertümer. Wenn es nach Tarik geht, sollen Besucher aus der ganzen Welt so schnell wie möglich die Pracht der 4600 Jahre alten Zitadelle als einer Art Freizeitpark erleben.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
In den vergangenen Jahren war die umkämpfte Stadt im Nordirak von Besuchern und Wissenschaftlern abgeschnitten. Seit sich die Sicherheitslage verbessert, hat der Irak mit übereifrigen Funktionären wie Tarik zu kämpfen, die ohne Rücksicht auf den Denkmalschutz Touristen ins Land holen wollen.
Hügel voll archäologischer Schätze
Die Zitadelle von Kirkuk ruht auf einem Hügel voll archäologischer Schätze. Hier sind die Überreste von Städten und Siedlungen aus mehreren Jahrtausenden begraben, darunter 60 Wachtürme aus der Zeit Alexanders des Großen aus dem vierten Jahrhundert vor Christus.
Einige Baudenkmäler in Kirkuk wurden dem Anschein nach erst kürzlich wiederaufgebaut. Es gibt einen überdachten Markt mit angeblich mittelalterlichen Gewölben, der erst vor zehn Jahren errichtet wurde. Tarik zufolge war die originale Steinkonstruktion aus dem elften Jahrhundert zusammengebrochen und wurde zugeschüttet. "Aber wir haben andere Bauten aus der Seldschuken-Zeit, so dass wir wissen, wie es aussah", sagt er. "Jede Periode hat ihren Stil." Nicht weit entfernt bemalen Bauarbeiter jahrhundertealte Backsteine und bringen Schilder am Grünen Dom an, einem Grabdenkmal für eine wohlhabende Türkin aus dem 14. Jahrhundert.
Schäden durch unfachmännische Arbeit
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Berühmt ist das fast tausend Jahre alte Grab des Propheten Daniel. Die Große Moschee in der Nähe ist siebenhundert Jahre alt. Beide wurden "restauriert" und sehen nun identisch aus mit ihren weißen Wänden und Plastikschildern, die sich von den braunen Ruinen abheben. Welcher Schaden mit solchen unfachmännischen Restaurierungsprojekten angerichtet wird, lässt sich nur schwer abschätzen. Im Vergleich zu den Plünderungen von Altertümern nach der US-geführten Invasion 2003 scheint er fast harmlos. Und an manchen historischen Stätten des Zweistromlandes, das als Wiege der Zivilisation gilt, geht der Kunstraub auch heute noch weiter.
"Zu Saddam Husseins Zeiten hatten wir mit Funktionären zu tun, die nur in die Grundschule gegangen sind. Sie wussten nicht einmal, wer Nebukadnezar oder Hammurabi war", sagt Kais Hussein Raschid, Vorsitzender des Nationalen Rates für Altertümer. "Jetzt haben wir in manchen Provinzen das gleiche Problem." Für Empörung in Bagdad sorgt zum Beispiel die Regierung der Provinz Babil, die die antiken Stätten von Babylon verwaltet. Unter anderem vermietet sie Teile eines angrenzenden Palastes, der einst Saddam Hussein gehörte, an Reiseveranstalter. "Jetzt im neuen Irak hat der Gouverneur von Babil die antike Stadt übernommen", klagt Raschid.
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Donny Jukhanna befürchtet, dass der Tourismus dem Denkmalschutz den Rang abläuft. "Jeder Archäologe, egal wo auf der Welt, hasst den Tourismus", betont der ehemalige Direktor des Nationalmuseums von Bagdad. "Die Gouverneure der Provinzen verteilen oft Geld an Tourismusprojekte, ohne vorher die Archäologen zu fragen. Für sie würde es nur Verzögerungen bringen, wenn alles nach den Regeln laufen müsste."
Quelle: ntv.de, Joseph Krauss, AFP