Wandern im Unesco-Welterbe Kolumbiens Kaffeezone ist abenteuerlich
09.06.2017, 11:10 Uhr
Kochbananenstauden und Kaffeesträucher sieht man häufig als Mischkultur.
(Foto: Viktor Coco)
Auf einer Kaffee-Finca entspannen, Bauerndörfer besuchen, im Hochland wandern und die höchsten Wachspalmen der Welt bewundern - Kolumbiens Kaffeezone ist Weltkulturerbe und bietet Touristen einzigartige Einblicke.
Grün. Beeindruckend grün, das ist der erste Eindruck von Kolumbiens Kaffeeregion. Smaragdgrün glänzen Zitrus- und Guavenplantagen, wenn am Vormittag weiße Wölkchen durch die tiefen Täler der West- und Zentralkordillere der Anden ziehen. Dunkelgrüne Blätter der Bananenstauden spenden in der Mittagssonne Schatten für die moosgrün schimmernden Kaffeesträucher. Türkisgrün liegen die Ananasfelder unter dem regelmäßigen Regenschauer am Nachmittag.
Es sind die kleinbäuerlichen Strukturen, die diese Region im Herzen Kolumbiens produktiv, grün und freundlich machen. Der Kaffeeanbau ist dabei namensgebend und kulturell so prägend, dass die Unesco an die Region "aufgrund der außergewöhnlichen Anpassung des Menschen an dieses beschwerliche Bergland" gar den Titel des Weltkulturerbes verliehen hat. Bereits vor 4000 Jahren wurden hier erste Anfänge der Landwirtschaft betrieben, heute gibt es 24.000 Kleinbetriebe allein im Kaffeeanbau.
Wichtigstes urbanes Zentrum ist die katholisch geprägte Universitätsstadt Manizales. Auf 2200 Metern über dem Meeresspiegel thront die selbsternannte "Welthauptstadt des Kaffees" und führt dabei ein zickiges Verhältnis zur regionalen Konkurrenz Pereira weiter unten in Richtung des Cauca-Tals. Dort, entlang der Zuckerrohrplantagen, ist es wärmer und folglich sind die Röcke kürzer und die Feste lauter, sagen die Einheimischen augenzwinkernd.
Unterwegs mit den "Ziegen"-Bussen
Still wird es im Umland von Pereira. Kurvige Landstraßen schmiegen sich die Berghänge hinauf. Auf einem schmalen, ungepflasterten Feldweg ruckelt ein buntbemalter Bus vorbei. "Chiva" ("Ziege") heißen diese an den Seiten offenen Nahverkehrsbusse, die mittlerweile auch in den Städten mit Partytouren verkehren. Überholt wird die "Chiva" von einem ähnlich verspielt dekorierten "Yipao": Irgendwann einmal gab es in den USA eine Überproduktion allradbetriebener Willys-Jeeps, von denen viele in Kolumbiens Kaffeezone landeten. Hier wurden sie aufgrund der schwierigen Topographie zum idealen Transporter für Erntesäcke und der beladene "Yipao" (etwa "großer Jeep") entwickelte sich sogar kurzzeitig zur Maßeinheit auf Großmärkten.
Heute verkehren die kultigen "Yipaos" zwischen den Weilern als vollbepackte Sammeltaxis. In den sanften Hügeln ist ihr Knattern die einzige Ruhestörung für die Touristen, die sich hier in den vielen Fincas erholen. Von einfachen Bauernhäusern bis hin zu erlesenen Unterkünften mit Wellness-Bereich ist in der Kaffeeachse, wie die Region in Kolumbien genannt wird, alles zu finden. Überall wird gutbürgerliche Küche mit lokalen Zutaten serviert, zum Beispiel Schweinebraten in Physalissoße an Bohnen, Kochbanane und Avocado, dazu ein Saft aus Baumtomaten. Und danach natürlich Kaffee.
Kaffee vom Strauch bis in die Tasse
Anstatt den Rohstoff Kaffeebohne unveredelt und damit sehr billig zu exportieren, versuchen immer mehr Betriebe, Teile ihrer Ernte vor Ort zu rösten. Diese Ernte wird hier und auch in allen anderen Kaffeeanbaugebieten Kolumbiens anders als zum Beispiel in Brasilien vollständig handgepflückt. Dadurch landen nur die wirklich reifen Früchte im Erntesack und der edle Tropfen wird viel milder.
Die nächste Tasse "tinto" (was hier einfach schwarzen Kaffee bezeichnet und nicht wie sonst meist im spanischen Sprachraum "Rotwein") trinkt man dann aber in einem der pittoresken Dörfer. Verstreut wie bunte Murmeln liegen sie in den grünen Bergen und konzentrieren dabei ihr soziales Leben auf eine Handvoll Cafés und Kneipen am Hauptplatz. Die traditionell gekleideten Bauern mit Panama-Hut, Poncho über der Schulter, Ledertasche und Machete am Gürtel gehören zum Motiv der Postkartenidylle. Santuario oder Marsella auf der Westkordillere, Alcalá oder Filandia im Zentrum oder Salento am Anstieg zur Zentralkordillere - manche dieser Ortskerne sind gar durch den Status des Unesco-Weltkulturerbes geschützt und gefallen durch die typische Architektur mit Holzbalkonen und bunten Fenster- und Türrahmen.
Von der Bauernatmosphäre in die Wildnis
Dabei hat es bisher lediglich Salento auf die Hauptroute des internationalen Tourismus' geschafft. Wer genug hat von idyllischer Bauernatmosphäre und wieder in die Wildnis möchte, startet von hier in das Cocora-Tal, berühmt für seine schlanken Wachspalmen, die bis zu 60 Meter hoch werden. Sie sind Nationalbaum Kolumbiens und wachsen nur auf 2000 bis 3000 Metern Höhe über dem Meer. Alexander von Humboldt war auf seiner Amerikareise 1801 erstmals auf sie aufmerksam geworden und heute stehen sie als Wächter am Fuße des immerfeuchten Nebelwaldes.
Und dieser hat es in sich: Üppig und dicht wie man sich einen Regenwald vorstellt, ist es in dieser Höhenlage nicht mehr so heiß wie auf Meereshöhe. Von hier starten mehrtägige Wanderrouten in den Nationalpark der ewig schneebedeckten Gipfel, "Los Nevados", wo drei aktive Vulkane auf 5000 Metern rumoren. Bis dahin ist es ein langer Aufstieg, bei dem man sich von den Flügelschlägen eines Kolibris faszinieren lässt oder unter quadratmetergroßen Blättern vor dem nächsten Regenschauer schützt. Mit viel Glück erspäht man auch einen der letzten Andentapire, wie er schwerfällig über eine Lichtung tapst.
Für Europäer nahezu unglaublich: Die Baumgrenze liegt hier, ein paar Hundert Kilometer vom Äquator entfernt, erst etwa bei 3800 Metern über dem Meeresspiegel. Darüber beginnt die Magie oder biologisch ausgedrückt: die Vegetation eines Páramos. Ein besonderes Hochland-Ökosystem, dessen gespenstische Schopfrosetten und harten, blassen Gräser vom Nebel in der Regenzeit nahezu erdrückt werden. Páramo-Landschaften speichern riesige Mengen Wasser, was wiederum die Landwirtschaft der Region speist. Das saftige Grün der Kaffeeachse hat hier über den Wolken seinen Ursprung.
Quelle: ntv.de