Reise

Farbenfrohe Hafenstadt Valparaíso hat Chiles bunteste Wände

In Valparaíso findet man verschiedene Techniken und Stile der Streetart.

In Valparaíso findet man verschiedene Techniken und Stile der Streetart.

Treppenstufen werden zu Klaviertasten und Fenster zu Augen von riesigen Gesichtern. Die historische Hafenstadt Valparaíso hat viele Attraktionen, um Gäste aus aller Welt zu begeistern. Die vielseitige Urban Art ist eine von ihnen.

"Graffiti is not a crime" (Graffiti ist kein Verbrechen) - ein Slogan, der sich auch an den Wänden von Valparaíso wiederfindet. Hundertfach, in sauberen, kantigen Buchstaben ist er durch eine Schablone an die Wände der chilenischen Hafenstadt gesprüht. In welcher Form Graffiti wahrhaftig als Verbrechen und in welcher anderen es als Kunst begriffen wird, darüber kann man diskutieren. In Valparaíso sind Graffiti vor allem ein Tourismusmagnet.

Musik und Kunst spielen in "Valpo", wie die Stadt hier oft genannt wird, eine große Rolle.

Musik und Kunst spielen in "Valpo", wie die Stadt hier oft genannt wird, eine große Rolle.

(Foto: Viktor Coco)

Zugegeben: Die steilen Hänge in der Bucht mit Blick auf den Pazifischen Ozean waren schon bunt, bevor die Aerosoldose erfunden wurde. Viele der teils einfachen Holz- und Blechhütten haben blaue, gelbe, rote oder grüne Außenwände oder Fensterrahmen. Die Stadtführer erzählen gern, dass früher die Fischer ihre Häuser anpinselten, um sie bei der Arbeit vom Wasser aus identifizieren zu können. Wahrscheinlich waren es die Hafenarbeiter, die - wie auch anderorts in Hafenvierteln üblich - hier und da Reste vom Schiffslack der Reedereien mit nach Hause nehmen durften.

Politisches Graffiti und verspielte Karikaturen

Der Hafen hat die Stadt mit heute über 300.000 Einwohnern seit jeher geprägt und durch Händler und Einwanderer zu einem weltoffenen Ort im sonst in mancher Hinsicht eher verschlossenen Chile gemacht. "Valpo" - das ist heute auch die Heimat der Bohème, der coolen Bars und kreativen Köpfe. Und selbst wenn die Hauptstadt des Landes, Santiago, in den letzten Jahren an kultureller Attraktivität stark gewonnen hat, ist sie gegenüber Valparaíso nur der graue große Bruder. 

Graffiti is not a crime .

Graffiti is not a crime .

(Foto: Viktor Coco)

Hotels und Geschäftshäuser auf den bei Touristen beliebten Hügeln Cerro Concepción oder Cerro Alegre werden heute bewusst mit bunten Fassaden ausgestattet. Sie setzen die bunte Tradition fort und bilden den Rahmen für die äußerst facettenreichen Wandmalereien. So haben zum Beispiel politische Graffiti in der Universitätsstadt eine lange Tradition. War es früher Wahlwerbung für die Sozialisten oder danach eine Protestform gegen die Militärdiktatur, so sieht man heute in Valparaíso bunte Sprüche und Bilder, die Umweltverschmutzung, ungerechte Wohlstandsverteilung oder eingeschränkte Frauenrechte in Chile kritisieren. Dazu kommen die typisch lateinamerikanischen "Murales", die häufig in warmen Farben folkloristische Motive darstellen und meist mit Pinseln und Farbrollen ausgearbeitet sind.

Innovative Mischtechniken

Auch das Freilichtmuseum ("El Museo a Cielo Abierto") am Bellavista-Hang, das Anfang der 90er- Jahre mit 20 Wandgemälden von einigen der wichtigsten chilenischen Maler des 20. Jahrhunderts entstanden ist, war damals äußerst innovativ. Und auch wenn heute einige Werke  etwas verblasst sind, war das kostenlose Museum eine Initialzündung für viele andere nationale und internationale Künstler, in Valparaíso ebenfalls bunte Spuren zu hinterlassen. Denn seitdem ist bemerkenswert viel Streetart dazugekommen. Es wird gesprüht, geklebt, gepinselt - "Valpo" begeistert nicht nur durch die stilistische, sondern auch durch technische Vielfalt der Künstler.

So haben sich schon früh die chilenischen "Writer", also jene Vertreter des Graffiti als Disziplin der Hiphop-Kultur, einen Ruf erarbeitet. Trotz Mangels an qualitativ hochwertigen Dosen und Sprühaufsätzen konnten sie durch eigenes Bearbeiten ihrer Materialien zu äußerst innovativen Ergebnissen an den Wänden kommen, wie man sie an der steilen Cumming-Straße oder am ehemaligen Gefängnis auf dem gleichnamigen Hügel ("Cerro Cárcel") betrachten kann. Natürlich stammen aus ihren Dosen auch die simplen, oft verachteten und vermeintlich unästhetischen Buchstabenfolgen, die Tags. Aber bei aller Kritik muss man ihnen nachsehen, dass sie die treibende Kraft der sich ständig erneuernden Galerien in den Gassen, Treppen und Straßen des "Mini-Berlin am Meer" ("The Guardian") sind.

Aus ihnen hervorgegangen sind Künstler wie Charquipunk, INTI oder Dasic, die heute als Urban Artists weltweit bekannt sind. Ihre übergroßen Werke auf Dächern oder riesigen Hauswänden sind die Highlights von Valparaísos Straßenkunst. In meist farbenfrohen, abstrakten Motiven spielen Chiles Ureinwohner der Mapuche und Diaguitas oder anderen Ethnien Lateinamerikas häufig eine Rolle. Oder sie kritisieren die industriellen Fangflotten im Pazifischen Ozean und ungerechte Verteilung von Fischereirechten in ihrer Heimat Chile. Ein Gruß und Gedanke an die Fischer von Valparaíso, die das Glück haben, dieses bunte Mosaik vom Wasser aus zu bestaunen.

Quelle: ntv.de

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