Schwarzwälder Naturkosmetik Börlind-Chefin Alicia Lindner: Wie "Made in Germany" uns erfolgreich macht
25.04.2025, 09:33 Uhr
Alicia Lindner führt das Naturkosmetik-Unternehmen Annemarie Börlind in dritter Generation.
Gründerin Annemarie Lindner wurde als Kräuterhexe belächelt. Heute zählt das Unternehmen Börlind zu den erfolgreichsten Naturkosmetikmarken. Lindners Enkelin und heutige Firmenchefin Alicia Lindner erklärt im ntv.de-Interview, warum das Unternehmen fest im Schwarzwald verankert ist.
"Made in Germany" gilt weltweit als Qualitätsgarantie. Mittlerweile produzieren die meisten deutschen Firmen aber im Ausland. Die Gründe: Günstigere Arbeitskräfte und Produktionskosten sowie weniger Bürokratie. Selbst Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit wert legen, tun das meist im – teilweise weit entfernten – Ausland. Aber es gibt einige Firmen, die nicht davon abrücken: Sie produzieren in Deutschland. Wir stellen hier in einer Serie einige davon vor. Was bewegt die Firmenlenker und womit kämpfen sie?
Ob die selbst angebaute Schwarzwald-Rose oder Rosenkirschöl aus Nepal: Mit Wirkstoffen natürlichen Ursprungs gehört die Naturkosmetikmarke Annemarie Börlind zu den erfolgreichsten Kosmetikmarken Deutschlands. Der Erfolg liegt laut Chefin Alicia Lindner aber nicht nur in den wissenschaftlich erforschten Rohstoffen aus der Natur, sondern auch an dem besonderen Standort im Nordschwarzwald.
Das Unternehmen Annemarie Börlind wurde 1959 im baden-württembergischen Calw gegründet. Der Name setzt sich aus den Namen der Gründer zusammen: Annemarie Lindner und Hermann Börner, der ein befreundeter Unternehmer war. Enkelin Alicia Lindner führt das Naturkosmetik-Unternehmen in dritter Generation gemeinsam mit ihrem Bruder Nicolas als geschäftsführende Gesellschafter. Die Mitinhaber- und Gründerfamilie Börner ist 2010 ausgestiegen, weil sie nicht mehr an Naturkosmetik geglaubt hat. Dann kam allerdings der große Erfolg.
Gründerin Annemarie Lindner kuriert sich selbst
Mit schlechter Haut fing es an und zwar der von Gründerin Annemarie Lindner. Von dem, was die Ärzte ihr dafür verschreiben, fällt ihrer Großmutter die Haut "in schwarzen Streifen vom Gesicht", so Alicia Lindner. Annemarie forscht nach, ob es da nicht etwas Natürlicheres gibt. Und wird fündig . Mithilfe eines Kräuterbuchs fängt sie an zu experimentieren. Und freut sich über ihre immer besser werdende Haut. Anfangs rührt sie ihre Cremes und Tinkturen noch selber an, bis sie und ihr Mann den Unternehmer Börner kennenlernen. Der möchte in Naturkosmetik investieren und schon bald hat die Firma 12 Mitarbeiter.
Natürliche Inhaltsstoffe mit Anti-Aging-Effekt
Das leicht verstaubte Image von Naturkosmetik ist längst überholt. Ebenso die Zeiten, in denen ihre Großmutter Annemarie als "Kräuterhexe" belächelt wurde, wie Alicia Lindner schildert. Aber wie wirkt die Kosmetik aus natürlichen Inhaltsstoffen und kann sie mit der aus konventionellen Tiegeln mithalten? Laut Alicia Lindner gibt es wirksame Kosmetikbestandteile wie Retinol und Kollagen auch natürlich Ursprungs. Konventionelle Kosmetik würde ihre Bestandteile oft aus der Petrochemie gewinnen, also aus Erdöl. Oder im Fall von Kollagen aus Schlachtabfällen. Veganes Kollagen aus Soja, Weizen oder Mais könne sogar 100 Prozent mehr Feuchtigkeit in der Haut speichern, so Lindner.
"Darum bleiben wir hier"
"Made in the Black Forrest" steht auf den Produkten von Börlind. Die enge Bindung zum Ort und zu den Mitarbeitern sind Firmenchefin Lindner wichtig. Und in dem Fall ist das der Heimatort, wo die Großmutter einst als Flüchtling aus der ehemaligen DDR ankam. Von den 266 Mitarbeitenden kennt sie viele aus der Schule, aus dem Chor oder vom Bäcker. Es macht einen Unterschied für sie, dass die Produkte hier mit Verbundenheit und Bezug hergestellt werden und nicht anonym in irgendeiner Fabrik. Daher werde auch nichts ausgelagert - ob Forschung und Entwicklung oder Produktion.
Eigenes Quellwasser aus dem Ort
Dass in Calw die Produktion noch an exakt dem selben Standort wie früher geschieht, hat auch noch einen weiteren Grund: Das eigene Quellwasser, das ein wichtiger Bestandteil vieler Börlind-Kosmetikprodukte ist. Frei von Medikamentenrückständen sei das besonders gut für die Haut, so Lindner. Zusammen mit Wirkstoffen wie Stammzellen aus der selbst angebauten Schwarzwaldrose gehört das zum Erfolgsrezept.
Wirkstoffscouts entdecken weltweit laufend Inhaltsstoffe wie das Rosenkirschöl, das ihre Mutter in Nepal kennengelernt hat. Die Produktion für die für Börlind benötigten Mengen des Rohstoffs wird in so einem Fall dann mit einem sozialen Projekt vor Ort begleitet.
Probleme "Made in Germany"
Neben allen guten Gründen für den Produktionsstandort Deutschland: Gibt es auch Probleme? Die Sorgenkinder Fachkräftemangel und Energiekosten hat man bei Börlind "ganz gut im Griff", so Lindner. Das Lieferkettentransparenzgesetz hingegen sei ein "absoluter Albtraum" für die Mittelstands-Firma. Entsprechende Anforderungen würden von großen Konzernen an sie durchgereicht. Richtig sauer wird Lindner aber erst, wenn es um das Thema Frauen und Gleichberechtigung geht. Denn bei ihr auf dem Land schließen die Kitas um 13.30 Uhr.
70 Prozent Frauenanteil und keine ausreichende Kinderbetreuung
Eine eigene Betriebskita zu gründen - aufgrund der vielen Auflagen für ein Mittelstandsunternehmen so gut wie unmöglich, so Lindner. Bei einem Frauenanteil von 70 Prozent ist das Thema arbeitende Mütter und fehlende Kinderbetreuung allerdings ein ganz zentrales. Bei dem auch angereiste Politikerinnen nur ratlos die Schultern zucken, wie Lindner erzählt. Es brauche eine Lösung "und zwar pronto".
Annemarie Lindner wurde als "Flintenweib" bezeichnet
Bei Lindner in ihrem heutigen Börlind-Universum sind Frauen paritätisch auf allen Führungsebenen vertreten. Ihre Großmutter habe sich dagegen zeitlebens Vorwürfe anhören müssen, weil sie als Mutter eines Sohnes gearbeitet habe. "Sie wurde als Flintenweib betitelt", so Lindner. Für Alicia Linder ist die Großmutter bis heute ein Vorbild für gelebte Emanzipation. Und offensichtlich Inspiration für ihr Schwarzwälder Unternehmen.
Quelle: ntv.de