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Die weibliche Anmut schwindet Als der DFB den Damen-Fußball "liquidierte"

Weil die weibliche Anmut schwindet, wurde der Damen-Fußball 1955 verboten.

Weil die weibliche Anmut schwindet, wurde der Damen-Fußball 1955 verboten.

(Foto: imago sportfotodienst)

Am 30. Juli 1955 beschließt der DFB, den Frauenfußball "aus ästhetischen Gründen und grundsätzlichen Erwägungen" zu verbieten. Herrscht 60 Jahre nach dem Verbot und zwei WM-Titel später tatsächlich Gleichberechtigung auf dem Rasen?

Es ist schon ein starkes Stück Fußballgeschichte, das sich heute zum 60. Mal jährt. Fußballspielende Frauen, so befinden die DFB-Bosse 1955, soll es nicht mehr geben. Der Oberhausener "General-Anzeiger" kommentiert seinerzeit: "Eine Dauereinrichtung wird es nicht werden, denn Männer können blaue Flecken an den Beinen vertragen, Frauen aber sicher nicht. Es mindert die Anziehungskraft der Beine und damit wird sich keine Frau ständig abfinden. (…) Der Sportdreß steht ihnen durchaus nicht übel. Und das wird wohl das Wichtigste sein." Damit dürfte er so manchem altväterlichem Fußballpuristen aus dem Herzen gesprochen haben. Junge Damen in kurzen Trikotagen, die sich gänzlich unweiblich um den Ball kloppen – das stößt im Nachkriegsdeutschland bei vielen Männern auf wenig Gegenliebe.

"Das Wunder von Bern" hatte im Vorjahr des Verbots einen, heute würde man sagen: Fußballhype ausgelöst. Viele junge Mädchen und Frauen beginnen 1954/55 zu kicken. Nordrhein-Westfalen wird zur Hochburg der Fußballdamen. Als Ende Juli 1955 der DFC Duisburg-Hamborn und Gruga Essen gegeneinander antreten wollen, wird den 22 Frauen ein Platzverbot erteilt. Der Versuch, auf einen anderen Platz auszuweichen, wird nach kurzer Spielzeit von offizieller Seite vereitelt – sogar ein "Schutzmann" ist für den Ernstfall anwesend. Die "WAZ" schreibt dazu am Folgetag: "Sie kickten nur 20 Minuten (…) dann wurde der Damen-Fußball liquidiert." Am 30. Juni 1955 fällt von offizieller Seite der Hammer.

Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden

Hinter der Entscheidung des DFB steckt neben sittlichen Überlegungen die Sorge um das weibliche Wohl – muss ja auch, denn seit 1949 ist die Gleichberechtigung grundgesetzlich verankert. Das Argument geht so: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden." Aus vermeintlicher Fürsorge für das zarte Geschlecht verbietet der DFB seinen Vereinen, Damenfußballabteilungen zu unterhalten und Fußballplätze für Damenspiele bereitzustellen. Den Unparteiischen wird untersagt, weibliche Spiele zu pfeifen.

Es ist als Paradebeispiel ungetrübten Sportsgeistes zu betrachten, dass diese Verbote den Fußballdamen nichts anhaben können. Im Gegenteil: Es wird unverdrossen weitergekickt. Sogar eine erste Frauenfußball-EM findet im November 1957 in Berlin statt. Am Ende aber wird es ganze 15 Jahre dauern, bis der DFB im März 1970 sein Verbot aufhebt. Überlegungen zur Gleichberechtigung auf dem Rasen mögen dabei nachrangig gewesen sein. Vielmehr lenken die Fußballbosse ein, weil die Kickerinnen kurz davor sind, ihren eigenen Verband zu gründen. Und ihre Rehabilitierung fürwahr mutet halbherzig an. Die Frauen dürfen nämlich keine Stollenschuhe tragen, müssen mit dem Jugendball spielen, und ihre Spielzeit wird auf 2 x 30 Minuten verkürzt. Immerhin: Die Diskussion um einen als "Brustpanzer" bezeichneten Sport-BH löst sich in Wohlgefallen auf, gekickt wird ohne. Kurioser geht es kaum.

Trostpreise als Siegerprämien

Herrscht nun eitel Sonnenschein draußen vor dem Tor? Die erste Deutsche Frauenfußball-Mannschaft wird 1974 aufgestellt. Als die Deutsche Frauenelf im Jahr 1989 die EM im ausverkauften Osnabrücker Stadion 4:1 gegen Norwegen gewinnt, erhalten alle Spielerinnen ein Kaffeeservice als Siegerprämie. 2003 holen die Damen zum ersten Mal den WM-Titel in den USA und werden Mannschaft des Jahres. Vier Jahre später gelingt ihnen die Titelverteidigung in China. Und diesmal gibt es auf dem Treppchen 50.000 Euro Siegerprämie pro Spielerin. Ein ordentliches Sümmchen für neues Kaffeeporzellan, das verglichen mit den Prämien für die männlichen Kollegen immer noch nach Petit Fours anmutet. 60 Jahre nach dem DFB-Verbot ein hübscher Anlass, darüber einmal gründlich nachzudenken, oder?

Quelle: ntv.de

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