Sport

Schröders bitterer Absturz Deutschlands WM-Held ist im falschen Team gefangen

Dennis Schröder kann den Warriors mit seinem Basketball nicht helfen.

Dennis Schröder kann den Warriors mit seinem Basketball nicht helfen.

(Foto: dpa)

Der deutsche Nationalmannschaftskapitän soll Stephen Curry zur fünften Meisterschaft verhelfen. Stattdessen bleibt Dennis Schröder weiterhin blass bei seinem neuen Team, das in einer beispiellosen Abwärtsspirale gefangen scheint. Kann ein weiterer Trade den Irrkurs korrigieren?

Dennis Schröder und die Golden State Warriors kommen einfach nicht in die Gänge. Einen Monat ist der Trade des deutschen Nationalmannschaftskapitäns zum erfolgreichsten NBA-Klub der vergangenen Dekade nun her. Schröder kam von den Brooklyn Nets, um an der Seite von Megastar Stephen Curry einen weiteren Titel in die Bay Area zu bringen. Was für die Champions von 2015, 2017, 2018 und 2022 zum Befreiungsschlag, und für Schröder eine Rückkehr zu "Winning Basketball" bei einem Meisterschaftsanwärter werden sollte, ist bisher komplett verpufft.

Zum einen, weil der Braunschweiger in San Francisco noch überhaupt nicht angekommen ist. Sein Spiel als Mitglied der Warriors wirkt über weite Strecken matt, zaghaft, ineffektiv. Zum anderen aber auch, weil dieses Team in so gut wie allen Bereichen weit unter seinen Möglichkeiten agiert - und in einer historischen Krise gefangen scheint. Seit gut zwei Monaten stecken die Dubs im Formtief. Einem sensationellen 12:3-Start in die Saison folgten 19 Niederlagen aus den vergangenen 28 Partien - elf davon in den bisher 18 Einsätzen Schröders. Nur vier Teams agieren seit Ende November zahnloser, nur zwei treffen schwächer aus dem Feld.

Noch nie in der fast 80-jährigen Geschichte der Liga rutschte ein Klub nach einem 12:3-Auftakt später in der Saison noch unter 50-Prozent-Erfolgsquote. Die Niederlagen kommen seit Wochen und sie kommen oft deftig. 51-Punkte Klatsche in Memphis, Back-to-back-Pleiten zuhause gegen Sacramento und ein zahnloses Miami; Crunchtime-Peinlichkeit beim Kellerkind aus Toronto. Am Montag der vorläufige Tiefpunkt, die höchste Heim-Niederlage in der Curry-Ära: eine 40-Punkte-Ohrfeige vom amtierenden Champion Boston Celtics. Spätestens hier wurde offensichtlich, wie weit Schröder und die "Dubs" vom ersehnten Contender-Status entfernt sind.

"From Braunschweig, Germany, to the Bay"

In seiner 12. NBA-Saison kam Schröder fulminant aus den Startlöchern, legte für die Brooklyn Nets 18,4 Punkte und 6,6 Assists im Schnitt auf und hielt das Team aus dem Big Apple damit überraschend auf Playoff-Kurs. Es war die statistisch beste Etappe seiner NBA-Karriere, direkt nach einem weiteren grandiosen Sommer mit der deutschen Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen in Paris. Nets-Coach Jordi Fernandez legte den Ball häufig in die Hände des DBB-Kapitäns, der aggressiv und effizient performte.

Seit dem Wechsel in den Westen hat sich das Blatt komplett gewendet. In den bisher 18 Partien für die Dubs kommt der Braunschweiger auf nur 10,4 Punkte und 4,3 Assists pro Einsatz, bei eklatanten Trefferquoten (36 Prozent aus dem Feld, 28 Prozent Dreier). Es ist seine schwächste Zwischenphase seit seiner Rookie-Saison in Atlanta vor zwölf Jahren.

Trotz seines Katastrophenstarts in Golden State vertraut Coach Steve Kerr auf die Qualitäten seines deutschen Guards und nimmt ihn in Schutz. "Du vertraust einfach dem Spieler, der er seit zehn oder zwölf Jahren ist. Du vertraust, dass er sich bald akklimatisiert und wohlfühlt. Der Stichprobenumfang ist klein, und er kam zu uns in einer Zeit, in der das gesamte Team eiskalt ist. Er ist ein Pick-and-Roll Spieler, braucht Shooter neben sich. Wir treffen zurzeit gar nichts."

Unterschiedliche Spielphilosophien

Tatsächlich passen Schröder und die Warriors - zumindest auf dem Papier - kaum zusammen. Der Deutsche ist ein Dynamo mit dem Spielgerät in der Hand. Er liebt es, aus dem Blocken-und-Abrollen zu kreieren, zeichnete sich wie in der Nationalmannschaft zuletzt auch in Brooklyn für knapp ein Drittel der Abschlüsse seiner Teamkollegen verantwortlich. Eigentlich sollte Schröders Mischung aus Playmaking und Ballsicherheit ein neues Element in Golden States Angriff bringen. Kerr schwärmte bei der Verpflichtung vom Veteranen: "Er ist ein Wettkämpfer, ein Zocker, großartig im Pick-and-Roll und an beiden Enden. Eine Transaktion, die perfekt passt für uns."

Bei den Warriors lässt Kerr jedoch ein egalitäres, freifließendes System laufen, bei dem sich Ball und Spieler endlos hin- und herbewegen, um Currys Anziehungskraft zu maximieren. Split-Actions, wenige Dribblings und die wenigsten Pick-and-Rolls weit und breit stehen Schröders Stärken diametral gegenüber. Dabei bräuchten sie eigentlich genauso einen wie ihn: antrittsschnell, ballsicher, als Scorer genauso aggressiv wie als Verteidiger und Vorbereiter. Curry ist mittlerweile sowohl als Punktesammler als auch Spielmacher alleine auf weiter Flur. Genau in diese Lücke könnte Schröder stoßen - wenn er nicht so zögerlich wäre.

"Wenn man mit zwei Hall of Famern spielt, will man ihnen nichts wegnehmen", sagte Schröder über seine Rolle neben Curry und Draymond Green. "Man muss sich einfügen, aber ich muss auch meinen Stil spielen. Um das zu kombinieren, müssen wir weiter daran arbeiten. Aber wir müssen trotzdem gewinnen." Nicht zuletzt Curry, der den Trade für Schröder persönlich absegnete, will, dass der Braunschweiger "bei uns so aggressiv spielt wie in Brooklyn. Dann wird er uns noch viel mehr helfen." Bisher ist davon nicht viel zu sehen, das Starter-Duo Curry-Schröder kommt auf ein negatives Net-Rating von -9,4 Punkten pro 100 Ballbesitze. Bei der 117:123 Niederlage vergangene Nacht in Sacramento probierte Kerr den Deutschen zum ersten Mal von der Bank (7 Punkte, 5 Assists). Golden States Angriff mit Schröder ist der statistisch schwächste ligaweit.

Nicht mehr als Mittelklasse, trotz Curry

Dafür allerdings nur Schröder verantwortlich zu machen, würde an der Sache vorbeigehen. Dieses Team ist in der aktuellen Form meilenweit vom Status eines Titelanwärters entfernt. Unzählige Verletzungen der wichtigsten Leistungsträger haben Kerr zu allabendlichen Anpassungen gezwungen. 25 verschiedene Startformationen musste der Cheftrainer bereits einsetzen, die zweitmeisten ligaweit. 21 Siege bei 22 Niederlagen, Mittelklasse in Angriff und Verteidigung, dazu Net-Rating und Punktedifferenz nahe null. "Wir sind einfach nur durchschnittlich", bilanzierte Curry zuletzt. Tatsächlich würden seine im Westen an Nummer elf platzierten Warriors, Stand heute, selbst das Play-In-Turnier verpassen.

Die Protagonisten vergangener Heldenjahre sind gealtert, gewechselt oder längst im Ruhestand, die Youngster im Kader einfach nicht gut genug. Fakt ist, dass die Warriors schon länger zwischen zwei Zeitachsen gefangen sind: Einerseits wollen sie Currys Blütejahre ausnutzen, ohne einen der besten Basketballer aller Zeiten zu verheizen. Andererseits wollen sie die Zukunft ihrer Franchise nicht komplett aufs Spiel setzen. Das heißt zum einen Limitationen bei Currys Einsatzzeit, zum anderen in Sachen Trades. Seit dem letzten Titel vor drei Jahren ließ General Manager Mike Dunleavy ließ multiple Chancen auf personelle Upgrades auf dem Tisch liegen.

"Wer denkt, ich sei mit Mittelmaß einverstanden, ist wahnsinnig", antwortete Curry vor wenigen Tagen auf die Frage, ob das Team weitere aggressive Personalmanöver bräuchte. Und Coach Kerr betonte, dass sie "längst nicht aufgegeben" hätten, sondern weiterkämpfen. Zwar glauben sie in der "Bay Area" irgendwie immer daran, eine Chance zu haben, solange sie Curry gesund in die Postseason gehievt bekommen - so wie zuletzt vor drei Jahren, als plötzlich alles klickte. Und es ist nicht vollends auszuschließen, dass auch diese Warriors, inklusive Schröder, in der zweiten Saisonhälfte, bei einem der leichtesten Restspielpläne weit und breit, ihre Form finden und die Tabelle hinaufklettern. Alleine, dieses Unterfangen scheint von Tag zu Tag unwahrscheinlicher - erst recht, wenn kein weiterer Star den Weg nach Nordkalifornien findet.

Trade als Rettung - Schröder wieder weg?

Sowohl Curry als auch Kerr und Green - die drei Institutionen dieser Franchise - mahnen im Gleichschritt zur Vernunft. Das Letzte, was die Warriors tun sollten, sei in Panik zu geraten und die Zukunft zu verpfänden. Nach Upgrades suchen, klar. Aktivismus ohne echte Aussicht auf Besserung sei hingegen kontraproduktiv, findet nicht nur der Megastar mit der Nummer 30: "Du willst natürlich proaktiv bleiben und dich immer verbessern, wenn es geht. Egal ob es ein Trade ist, der Sinn macht, oder die Free Agency im Sommer. Aber in Verzweiflung mit Pokerchips um sich zu schmeißen, nur um irgendetwas zu tun, wäre vermessen."

Die Trading Deadline ist weniger als drei Wochen entfernt, am 6. Februar schließt die Transferperiode der aktuellen Saison. Danach können nur noch Free Agents nachverpflichtet werden, vertragsfreie Spieler also oder solche, die aus ihren aktuellen Deals herausgekauft wurden. Selten bis nie macht diese Sorte Profi im Saisonendspurt und in den Playoffs noch einen echten Unterschied. Golden States Trade-Optionen beinhalten unter anderem Andrew Wiggins hohen Vertrag, Veteran Kyle Anderson, die auslaufenden Deals von Schröder, Gary Payton II und Kevon Looney, junge Talente wie Jonathan Kuminga (22 Jahre), Moses Moody (22) und Brandin Podziemski (21), sowie mehrere Erst- und Zweitrundenpicks.

Bereits im Sommer buhlten die Warriors um Stars wie Paul George, Lauri Markkanen und Brandon Ingram. Derzeit kursiert allen voran der Name Jimmy Butler. Der Superstar, der in Miami in Ungnade gefallen ist und unbedingt wegwill, könnte an der Seite von Curry für einen echten Schub sorgen und die Meisterschaftshoffnungen wiederbeleben. Gut möglich ist aber auch, dass Schröder in einem solchen Deal nach nur wenigen Monaten gleich wieder veräußert würde. Es wäre bereits sein neunter Teamwechsel. "Ich bin jetzt zwölf Jahre hier. Ich weiß, wie das Business läuft", hatte der 31-Jährige noch im Herbst betont. "Man weiß, dass man immer auch für alle anderen spielt."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen