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Bizarre Auftritte von Pietreczko Deutschlands bester Dartprofi legt sich mit allen an

Ricardo Pietreczko, hier in seinem Viertelfinale bei den Belgian Darts Open gegen Jonny Clayton.

Ricardo Pietreczko, hier in seinem Viertelfinale bei den Belgian Darts Open gegen Jonny Clayton.

(Foto: PDC Europe / Jonas Hunold)

Kein deutscher Dartspieler ist im letzten Jahr so erfolgreich wie Ricardo Pietreczko, keiner sorgt aber gleichzeitig auch für so viele Eklats. "Pikachu" erweist sich viel zu oft als schlechter Verlierer, zuletzt legt er sich auch mit "Wunderkind" Luke Littler an.

Ricardo Pietreczko ist seit gut einem Jahr Deutschlands erfolgreichster Dartspieler. Der 29-jährige Nürnberger gewinnt im September als erst zweiter Deutscher ein großes PDC-Turnier, hat im Dezember den späteren Weltmeister Luke Humphries am Rand einer Niederlage und beweist auch beim ersten European-Tour-Event dieses Jahres seine Qualität: Am Sonntagabend spielt sich "Pikachu" nach einem Sieg über den ehemaligen Premier-League-Sieger Jonny Clayton ins Halbfinale der Belgian Darts Open in Wieze. Es ist das erste von 13 Turnieren im Rahmen der European Tour, nur die großen Major-Events sind noch wichtiger.

In der Vorschlussrunde ist gegen Überflieger Luke Littler mit 3:7 Schluss. Doch gegen den überragenden 17-jährigen WM-Finalisten verliert derzeit fast jeder Spieler. Pietreczko hat sich nach einem guten Auftritt überhaupt nichts vorzuwerfen, sorgt aber für einen kleinen Eklat. Wie von der Tarantel gestochen geht er nach dem verwandelten Matchdart von Littler auf seinen Gegner zu. Schüttelt ihm die Hand und sagt ein paar ernste Worte mit wütender Miene. Kopf an Kopf stehen sich Pietreczko und Littler gegenüber. Als würden sie sich gleich an die Gurgel gehen. Eine absurde Szene, die eher an zwei Boxer erinnert als an zwei Dartprofis.

Weil Littler cool bleibt, nicht auf die Tirade des deutschen Gegners eingeht, dampft "Pikachu" wenige Sekunden später von der Bühne. Littler zeigt sein Unverständnis gegenüber Pietreczko, legt dann aber mit dem Jubeln los. Eine Stunde später gewinnt "The Nuke" ("die Atomwaffe"), wie Littler genannt wird, auch das Endspiel gegen Rob Cross mit 8:7. Das "Wunderkind" hat damit nicht nur beim WM-Debüt das Finale erreicht, sondern jeweils sein erstes World-Series-Event, Players-Championship-Turnier und nun auch sein erstes European-Tour-Event gewonnen. Eine unfassbare Statistik, die aber vom bizarren Pietreczko-Auftritt überlagert wird.

"Ich hoffe, die Arroganz bestraft ihn"

Nur wenige Minuten später folgt das zweite Kapitel des Aufeinandertreffens in den sozialen Medien. "Also ich habe ihn ja sehr geschätzt, dass man in so einem Alter so ein Spiel spielen kann", schrieb Pietreczko nach dem 3:7 bei Instagram, "aber ich hoffe, die Arroganz bestraft ihn".

Littler lächelte den verbalen Angriff seines Gegners einfach weg. "Keine Ahnung, was ich falsch gemacht habe, keine Ahnung, was er gesagt hat, so etwas mit 'dann mach es nicht nochmal'", schrieb Littler bei Facebook.

Dem Deutschen waren Littlers ungewöhnliche Checkout-Wege übel aufgestoßen, Pietreczko nahm diese offenbar als respektlos wahr. Beim Stand von 3:1 für den Vize-Weltmeister versuchte dieser 90 Punkte über einen ungewöhnlichen Weg (Doppel-20, Bullseye) auszulöschen - und scheiterte. Die Reaktion des Deutschen war dennoch verwunderlich, zumal Pietreczko selbst auch für den einen oder anderen unorthodoxen Checkout-Weg bekannt ist.

Nerven und Spiel verloren

Dass das Problem womöglich eher bei Pietreczko als bei Littler liegt, zeigt auch ein Blick auf die Vorfälle der vergangenen Zeit. Schon zum vierten Mal hat Pietreczko nun seinen Unmut auf der großen Darts-Bühne offen gezeigt. Angefangen hat alles bei der Hungarian Darts Trophy in Ungarn, als "Pikachu" gegen einen lokalen Qualifikanten erst die Nerven und dann das Spiel verlor.

Weiter ging es mit dem denkwürdigen Auftritt beim Grand Slam of Darts im November, als Pietreczko in seinem zweiten Gruppenspiel gegen Frauen-Weltmeisterin Beau Greaves vom Publikum nahezu durchgehend ausgepfiffen wurde. Von Minute zu Minute ärgerte sich der Nürnberger mehr darüber, bis es schließlich aus ihm herausbrach. Mit einer Ohren-Geste provozierte er das Publikum, es schadete ihm mehr, als dass es ihm half. Greaves nutzte die mentale Schwäche ihres Gegners, gewann das Spiel deutlich.

Körpersprache des Grauens beim Grand Slam

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Zwei Tage später folgte das bedeutungslose letzte Gruppenspiel gegen Nathan Aspinall. Beim Walk-On klatschte Pietreczko mit keinem Zuschauer ab, würdigte die Fans keines Blicks. In die TV-Kameras schaute "Pikachu" so, als würde er zum neuen Darts-Bösewicht werden wollen. Und er spielte anders als sonst, agierte hektisch, warf seine Pfeile deutlich schneller als üblich und oft fahrig. Während der Partie schüttelte Pietreczko nach schlechten Aufnahmen demonstrativ mit dem Kopf. Eine Körpersprache des Grauens. Absurd: die Partie gewann Pietreczko trotzdem.

Das zeigt, wie hoch das spielerische Grundniveau von Ricardo Pietreczko ist. Zu seinen starken sportlichen Erfolgen - mittlerweile klopft der Deutsche sogar am illustren Kreis der Top 32 an - gesellen sich aber viel zu häufig bizarre Auftritte wie am Sonntag in Belgien. Sollte es "Pikachu" nicht gelingen, sich anders auf der Bühne zu verhalten, wird seine spielerische Qualität auch in Zukunft viel zu häufig von Nebensächlichkeiten überlagert.

Quelle: ntv.de

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