Dopingopfer Trömer zur neuen Nada-Kampagne "Die Athleten haben es noch nicht begriffen"
29.01.2014, 16:44 Uhr
Wladimir Klitschko ist einer der Botschafter der neuen Nada-Kampagne "Für saubere Leistung".
Schwarz oder weiß, saubere Leistung ja oder nein - mit einem neuen Look und einer Athleten-Kampagne will die Nationale Anti-Doping-Agentur Nada ihr Image aufbessern und neue Sponsoren für ihre Arbeit gewinnen. Für den früheren Erfurter Radsportler Uwe Trömer ist das ein netter Ansatz mit sympathischen Sportlern, aber: "Weiter bringt uns das nicht." Der 51-Jährige war Mitglied der DDR-Nationalmannschaft, wurde als Aktiver selbst gedopt - und leidet noch heute an den Folgen. Er findet: "Nur mit so einer Schwarzweiß-Geschichte für saubere Leistung übernimmt man keine Spitzenposition im weltweiten Anti-Doping-Kampf." Das anerkannte DDR-Dopingopfer fordert konkrete Schritte wie die Löschung von Doping-Weltrekorden und die Entlassung belasteter Trainer und Mediziner. Und er fragt: "Warum haben wir immer noch kein Anti-Doping-Gesetz, und zwar ein hartes?"
Die Nationale Anti-Doping-Agentur hat eine neue Image-Kampagne vorgestellt: Sympathische Gesichter für saubere Leistung. Ist es das, was der Dopingkampf in Deutschland braucht?
Uwe Trömer: Ich fürchte nicht. Ein neues Design hilft nicht über das eigentliche Problem hinweg: Dass das Thema eben doch sehr grau ist. Wir haben hier nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit, kriminelle Strukturen in diesen Bereichen. Da muss man auch von den Athleten erwarten, nicht nur nett zu sein nach dem Motto: Keep Smiling. Es geht darum, dass die Athleten selbst Forderungen stellen sollten an die Funktionäre, unbedingt. Aber das haben sie noch nicht begriffen. Die wahren Probleme werden nach wie vor nicht angesprochen, und das ist schade.

Uwe Trömer wurde als Bahnradsportler in der DDR gedopt. Er ist ein anerkanntes DDR-Dopingopfer und war zwischenzeitlich Vorstandsmitglied im Verein Doping-Opfer-Hilfe.
Wo liegen die tatsächlichen Probleme?
Ich betreibe dieses Anti-Doping-Spiel seit Anfang der 1990er Jahre, und allzuviel hat sich nicht bewegt. Wir drehen uns halt immer im Kreis, weil wir nicht damit beginnen, Ursprünge zu ändern, Historisches auseinanderzunehmen, aufzuarbeiten. Der Sport schleppt Altlasten in Form von Medaillen, Doping-Weltrekorden, Trainern, Sportmedizinern mit sich rum und die lernen dann wieder neue Sportmediziner und Trainer an. Der Kreislauf wird einfach nicht durchbrochen, und den durchbricht man auch nicht mit einer schwarz-weißen Kampagne "Für saubere Leistung". Das ist nett, gar keine Frage, und die Sportler machen das auch sehr sympathisch. Aber weiter bringt uns das nicht.
Was hätte die Nada denn stattdessen mit dem Geld für die Kampagne anfangen sollen?
Zum einen ist das Thema Prävention sehr wichtig. Zum anderen denke ich, sie sollten das Geld nehmen und einfach den Wissenschaftlern in die Hand drücken. Die brauchen eine Menge Geld, um die Kontrollen auf den aktuellen Stand zu bringen. Wir reden hier über neue Substanzen, Gendoping. Das muss doch vordergründige Aufgabe der Nada sein, sich darum zu kümmern.
Laut Nada-Chefin Andrea Gotzmann ist die Anti-Dopingforschung gut aufgestellt. Sie läuft nicht nur hinterher wie beim Hase-Igel-Spiel, sondern auch manchmal vorne weg.
Dann redet sie außerhalb der Forschung. Da muss man sich nur mit Professor Werner Franke unterhalten oder Perikles Simon und die sagen: Das Hase-Igel-Spiel läuft, das ist ein Wettrüsten schlechthin. Natürlich sind die extrem weit in der Forschung und manchmal laufen sie auch vorne weg.
Was hilft denn wirklich im Kampf gegen Doping?
Nummer eins ist: Sofortige Entlassung von allen dopingbelasteten Trainern. Zweitens: die Trennung von Sportmedizinern, die sich in irgendwelcher Form auch immer mit Doping beschäftigt haben, oder in Verbindung gebracht wurden oder vorbestraft sind. Und drittens: natürlich ein sehr strenges Anti-Doping-Gesetz ähnlich wie in den USA, wo Dopingvergehen auch mal mit Haftstrafen geahndet werden und den Sportlern auch wirklich klar gemacht wird: Du dopst nicht nur, sondern du begehst Sportbetrug, Wirtschaftsbetrug und letztendlich Betrug an den Zuschauern. Das muss einfach Sportlern in der Birne klar sein, dass sie als Doper nichts weiter sind als kleine kriminelle Betrüger. Viertens: Streichung aller Dopingrekorde und aller unter Doping gewonnenen Medaillen.
Müsste die Nada sich da klar positionieren und ein Anti-Doping-Gesetz fordern?
Der gesamte Sport müsste eigentlich im eigenen Interesse ein richtiges Anti-Doping-Gesetz fordern. Wir haben in Deutschland natürlich das Arzneimittelgesetz und es gibt auch die ersten Bewegungen zu einer Ausweitung. Aber wie viele Jahre soll das denn noch dauern? Selbst Italien hat ein Anti-Doping-Gesetz, die Franzosen haben eins, und in Spanien wurde auf Grundlage dessen Eufemiano Fuentes festgenagelt, in den USA Lance Armstrong. Andere Sportler sind sogar ins Gefängnis gegangen wegen Meineides. Warum geht das hier in Deutschland nicht? Nur mit so einer Schwarzweiß-Geschichte für saubere Leistung übernimmt man keine Spitzenposition im weltweiten Anti-Doping-Kampf. Es wird immer wieder gesagt, Deutschland soll führend sein. Da frage ich mich nur seit fast 20 Jahren: Warum haben wir immer noch kein Anti-Doping-Gesetz, und zwar ein hartes?
Frau Gotzmann vermittelt in Interviews ein anderes Bild. Sie betont: Es ist nicht alles schlecht. Bis auf die wacklige Finanzierung ist eigentlich sogar alles gut. Es soll jetzt nur noch etwas besser werden.
Es wird eben nicht alles besser. Wir brauchen hier keine Lippenbekenntnisse, die haben wir seit 20 Jahren. Das machen die Politiker schon ewig, Sportler machen es immer wieder und beteuern: Ich habe nicht gedopt. Und dann knallt es doch. Lance Armstrong, bestes Beispiel, Jan Ullrich, und wie sie alle heißen. Es ist doch so: Es läuft immer das Misstrauen mit, und da sind die Sportler selber dran schuld, weil sie einfach die Leute, die sie nach außen vertreten, nicht für ihre Interessen beanspruchen.
Hat sie die Auswahl der Athleten und Sportarten überrascht, die für die Kampagne stehen?
Es gibt bestimmt auch im Fechten Manipulationsmöglichkeiten, auch im Beachvolleyball. Aber das sind doch alles mehr oder weniger Randsportarten. Richtig wäre gewesen, auch Radrennfahrer dabei zu haben. Die, wo man einfach weiß, dass dort sehr wohl manipuliert wird.
In Berlin war der Tenor unter den Athleten: Ich bin bei der Kampagne dabei, weil Doping für mich ohnehin kein Thema ist. Ist Doping kein Thema?
Wir sind eben nett zueinander. Dem Sport fehlt eine Selbstreinigung beim Thema Doping. Was gab es im Radsport nicht alles: Streiks, Etappen wurden abgebrochen, die haben sich auf die Straße gesetzt und gesagt: Wir sind keine Betrüger und weiß der Kuckuck nicht alles. Und dann ist einer nach dem anderen umgefallen, einer nach dem anderen wurde rausgefischt, weil sie eben doch gedopt haben. Wir haben das doch alles schon durch. Welche Katastrophen müssen eigentlich noch kommen? Wir reden doch schon von Toten, auch in Deutschland. Leichtathleten, die auf der Tartanbahn beim Training plötzlich umgefallen sind.
Stichwort plötzlicher Herztod.
Ja, bei der Obduktion kommen dann plötzlich Sachen wie: Oh, der hat ja einen Herzfehler gehabt. Schwachsinn! Sportler sind die Leute, die hier in Deutschland die beste medizinische Versorgung bekommen. Die werden permanent untersucht. Da kann kein Sportler mit einem Herzfehler durchrutschen. Das kann vielleicht einmal passieren, aber nicht zwei-, drei-, viermal. Da müssen wir doch den Sachen einfach mal klar ins Gesicht schauen. Ich bin selbst Betroffener, ich mache selbst Prävention. Es geht nicht darum, zu moralisieren. Es geht darum, den Menschen einfach klar zu machen, dass Doping die Gesundheit beeinträchtigt und schwere körperliche Schäden verursachen kann. Und dass es eben einfach wirklich Betrug ist. Ich möchte den Leuten nahebringen, dass wir ohne Doping tatsächlich auch Sport machen können.
Das wäre aber kein Leistungssport mehr.
Ich weiß, ich rede von einer Utopie. Die Realität wird aber irgendwann sein, dass wir 800 Meter anaboles Laufen veranstalten - mit irgendwelchen degenerierten, getunten "Sportlern".
Mit Uwe Trömer sprach Christoph Wolf
Quelle: ntv.de