Wieder im French-Open-Finale Die "Kramies" haben, was Nadal verloren hat
10.10.2020, 10:04 Uhr
Schwer, in Paris bisher unmöglich zu schlagen: Andreas Mies und Kevin Krawietz.
(Foto: imago images/GEPA pictures)
Rafael Nadal ist der König von Roland Garros, der Spanier dominiert das Grand-Slam-Turnier seit bald zwei Dekaden. Es sind aber zwei Deutsche, die Nadal in Paris etwas voraushaben: Kevin Krawietz und Andreas Mies sind dort unschlagbar.
Rafael Nadal ist wohl der beste Sandplatzspieler aller Zeiten, der Spanier gewann zwölf Mal die French Open, am Sonntag steht er schon wieder im Endspiel des Grand-Slam-Turniers. Auf dem Weg dorthin hat er keinen Satz abgegeben. Nadal ist ein Gigant seines Sports. Und doch: Nadal ist im Sand von Roland Garros besiegbar, auch wenn den Beweis nur Novak Djokovic (2015) und ein gewisser Robin Söderling (2009) angetreten haben. 99 seiner 101 Matches bei den French Open hat Nadal gewonnen, aber er weiß auch, wie sich dort das Verlieren anfühlt. Er könnte es Kevin Krawietz und Andreas Mies erklären. Oder könnte es wenigstens versuchen.
Krawietz und Mies haben nämlich noch nie ein Spiel in Paris verloren. Nach ihrem wundersamen Sieg in der Doppelkonkurrenz im vergangenen Jahr stehen beide auch in diesem Jahr wieder im Endspiel. Am Samstag (ca. 17.00 Uhr) nach dem Damen-Finale dürfen Krawietz und Mies raus auf den Center Court, auf den mittlerweile mit einem Dach und Flutlicht versehenen Court Philippe Chatrier. Um weiter an der wundersamen Erfolgsgeschichte zu schreiben.
"Ein Physio sagte mir bei der Behandlung: 'Ihr habt hier eine bessere Bilanz als Rafa Nadal'", erzählte Mies lachend. "Vielleicht sollten wir zurücktreten, wenn wir das Finale gewinnen." Sollten sie das tun, wären sie auf ewig die unschlagbaren Sandplatz-Könige von Roland Garros, da könnte Nadal noch ewig weiterspielen. Es war natürlich nur ein Scherz, den sich der 30-jährige Mies gönnte. Er und der zwei Jahre jüngere Krawietz werden so oder so weitermachen.
"Sind extrem schwer zu schlagen"
Und zwar so, wie es ihr Fan Boris Becker, selbst eine Tennislegende, auf Sand aber notorisch erfolglos, es ihnen erklärt hatte. "Du hast uns das ja schon mehrmals gesagt, dass wir das zeigen sollen: Brust raus, sich immer wieder groß machen", sagte Mies bei einer Videoschalte von Eurosport, wo Becker inzwischen als Experte tätig ist. "Sie haben erhobenen Hauptes gespielt und ihre Gegner kleiner gemacht", hatte Becker beobachtet. Einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen sei "schwer genug, ihn zu verteidigen eigentlich unmöglich", sagte der sechsmalige Major-Champion. "Alleine die Chance zu haben, den Titel zu verteidigen, ist unglaublich stark."
Die breite Brust, die haben sich die Titelverteidiger im Laufe des Turniers erspielt. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten hat sich das Duo von Match zu Match gesteigert, das Selbstvertrauen ist immens. "Als Gegner würde ich mich schwer tun, bei uns eine Schwäche rauszupicken", sagte Mies: "Wenn wir unsere Stärken auf den Platz bekommen, sind wir sehr schwer zu bespielen und extrem schwer zu schlagen." Elf Mal haben die beiden Deutschen gemeinsam in Paris gespielt, elf Mal haben sie bisher gewonnen.
Im Finale wird die große Serie des deutschen Duos aber gehörig ins Wanken geraten. Mit dem Kroaten Mate Pavic und seinem brasilianischen Partner Bruno Soares wartet "eine sehr, sehr gute Paarung, der alte Fuchs Soares und der junge aggressive Pavic", wie Krawietz die andere Finalpaarung beschreibt, die im Halbfinale die Weltranglisten-Ersten Robert Farah und Juan Sebastian Cabal deutlich besiegt hatte. Pavic/Soares haben zuletzt die US-Open gewonnen. Mies, der extrovertiertere der beiden, fand noch drastischere Worte: Die Gegner seien "das heißeste Doppel auf der Tour. Es gibt momentan kein besseres Team." Außer vielleicht Krawietz/Mies, die Unschlagbaren. Wenigstens in Paris.
"Ich schaue, dass Wurst und Käse aufgefüllt sind"
Weil nur wenige Zuschauer zugelassen sind, sei es diesmal "etwas komplett anderes", meinte Mies. "Letztes Jahr hatten wir im Finale 56 Mann in der Box. Jetzt müssen wir mal gucken, wie viele wir noch für Samstag einfliegen lassen können", meinte der Kölner. "Es fühlt sich trotzdem genauso schön an, wieder im Finale zu sein, und wir werden auch nicht weniger feiern, wenn es klappt."
Vielleicht fällt die Feier auch emotionaler aus, zumindest bei Krawietz. Der Coburger hatte zu Beginn der pandemiebedingten Tennispause im April die Gelegenheit genutzt, sich in einem neuen beruflichen Umfeld zu beweisen. "Ich räume zusammen mit einem Kumpel Regale ein und aus, schaue, dass Wurst und Käse aufgefüllt sind, sortiere leere Kartons aus, wir nennen das abschachteln", berichtete Krawietz in einem Interview mit dem "Spiegel": "Letzte Woche habe ich einmal vor dem Eingang Security gemacht, die Einkaufswagen mit Desinfektionsmittel besprüht."
Der Ausflug in die 450-Euro-Beschäftigung habe ihm "mehr Wertschätzung" für den eigenen Job beigebracht. "Die Kollegen hier stehen teilweise um fünf Uhr auf, sind ab halb sechs im Laden, um die Regale zu befüllen. Ich hingegen hatte in meinem Leben den Luxus, mein Hobby zum Beruf machen zu können." 188.030 Euro hat das Team schon verdient, für die Titelverteidigung dürften sich die "Kramies" über 319.652 Euro freuen. Das Gefühl der Unbesiegbarkeit allerdings dürfte unbezahlbar sein. Kevin Krawietz und Andreas Mies kennen es, Rafael Nadal kann es nicht zurückkaufen. Auch für die 1,6 Millionen Euro nicht, die der Spanier für seinen 13. Titel kassieren würde.
Quelle: ntv.de