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Dallas mit Doncic vor NBA-FinaleDirk Nowitzkis furchtlose Erben verblüffen die USA

28.05.2024, 18:10 Uhr
imageVon David Bedürftig
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Der slowenische Bär Luka Doncic ist derzeit nicht aufzuhalten. (Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Luka Dončić mutiert zum slowenischen Bären und niemand kann ihn aufhalten. Was er zusammen mit Kyrie Irving, dem einst Gescholtenen, in der NBA veranstaltet, ist jetzt schon ikonisch. Doch die Dallas Mavericks sind ein Team, das noch viel mehr will.

Zehn Sekunden sind noch auf der Uhr. Ein Crossover. Eine Körpertäuschung. Ein Verzögerungsdribbling. Ein Step-Back. Bang! Luka Dončić spielt Rudy Gobert, frisch zum Defensivspieler des Jahres gekürt, an der Dreipunktelinie schwindelig und versenkt mit seinem Distanzwurf kurz vor Schluss die Minnesota Timberwolves im zweiten Spiel der Finals der Western Conference in der NBA. Doncic' Dallas Mavericks gewinnen auch die nächste Partie und stehen bei drei Siegen und keiner Pleite kurz vor dem ersten Einzug in die NBA-Finals seit Dirk Nowitzki.

Dem ikonischen Wurf folgt ein ikonischer Urschrei. "You can't fucking guard me", brüllt ein wildgewordener Dončić laut Lippenlesern in Richtung Gobert und schneidet dabei eine grimmige Fratze in der Manier eines angefressenen slowenischen Braunbären. Du kannst mich nicht verteidigen. Die Wölfe aus Minnesota sind seine Beute. Etliche NBA-Stars bejubeln sowohl seinen Wurf als auch seine Reaktion in den Sozialen Medien. Nowitzki kommentiert mit nur einem Wort: "Wow". Der 25-jährige Aufbauspieler zeigt endlich auf der allergrößten Bühne, dass er zu den Allerbesten gehört.

Eine Partie später spielen Dončić und sein kongenialer Partner Kyrie Irving erneut spektakulär auf und stellen auf 3:0 in der Serie. Das Superstar-Duo, aktuell das beste im Basketball, erzielt zusammen 66 Punkte (33 pro Spieler). Besonders stark sind sie - mal wieder - im vierten Viertel, als sie 26 der Mavericks-Punkte auflegen oder assistieren, während die Wolves insgesamt nur auf 20 Zähler kommen.

Dončić und Irving "sind dafür geboren"

"Ich habe das Gefühl, wir sind beide dafür geboren", sagte Irving nach der Partie zur starken Leistung im Abschlussviertel. Es sind diese sogenannten Closer-Qualitäten, das absolut furchtlose und seelenruhige Auftrumpfen in den späten Momenten, in denen ein Spiel gewonnen wird, die Dončić und Irving vom Gegner aus Minnesota unterscheiden. Denn die drei Partien sind allesamt verdammt eng. Zum dritten Mal in Folge in dieser Serie geraten die Mavericks im vierten Viertel in Rückstand, zum dritten Mal in Folge erringen sie aber doch noch den Sieg.

In den finalen Abschnitten dieser Serie erzielen Dončić und Irving gemeinsam durchschnittlich knapp 20 Punkte, legen zwölf Assists auf und treffen ihre Dreier zu unglaublichen 70 Prozent. Dallas' 116:107-Sieg in Spiel 3 am Sonntag endete mit einem 14:3-Lauf der Mavericks, die mit einem Heimsieg am Dienstagabend (2.30 Uhr deutscher Zeit/DAZN) zum ersten Mal seit dem Gewinn der einzigen Meisterschaft vor 13 Jahren in die NBA-Finals einziehen können.

Die Mavs haben nun fünf Playoff-Spiele in Folge gewonnen. Das ist ihre beste Serie in der Postseason seit dem Gewinn von sieben Spielen in Folge beim Titel 2011. Passenderweise jubelt Dirk Nowitzki am Spielfeldrand mit seinen Erben mit und könnte nicht stolzer auf Doncic und Co. sein, wie er in allen Interviews bekräftigt.

Niemand traut den Mavs viel zu

Doch dass es so weit kommen könnte, dass Nowitzkis Erben tatsächlich ins NBA-Finale vorstoßen können, hatte noch vor wenigen Monaten niemand erwartet. In der ersten Hälfte der Saison spielte Dončić zwar wie immer groß auf, aber die Defensive der Mavs war genauso schlecht wie die Jahre zuvor. Ein jahrelanges Manko der Franchise. Dann folgte die Transferperiode im Frühjahr 2024 und Anfang Februar verpflichten die Texaner P.J. Washington und Daniel Gafford.

Mit dem neuen Power Forward und dem Center wird alles anders. Die Abwehr von Dallas entwickelt sich in der zweiten Saisonhälfte zu einer der besten der NBA und auch das Zusammenspiel von Dončić und Irving wird immer besser, weil beide endlich mal verletzungsfrei bleiben. Dennoch: Als zu stark werden die Denver Nuggets, Los Angeles Clippers, Oklahoma City Thunder oder eben die Minnesota Timberwolves eingeschätzt. Niemand in unzähligen Podcasts und TV-Sendungen außer ESPN-Experte Tim Legler traut den Mavericks überhaupt das Western-Conference-Finale zu. Aber auch der ehemalige NBA-Scharfschütze hatte dort die Nuggets um MVP Nikola Jokić und einen erneuten Finaleinzug des Champions von 2023 erwartet.

Doch die hungrigen Mavs verblüffen ein ums andere Mal die Zuschauer und Experten. In der ersten Runde der Playoffs gegen die Clippers glauben zwar einige an ein Weiterkommen, jedoch nur, weil Superstar Kawhi Leonard nicht fit ist. Anschließend gegen die Thunder setzen viele auf das junge Team, das in der regulären Saison den ersten Platz eingenommen hatte, die Wettquote spricht klar gegen Dallas. Gegen die Timberwolves, die gerade den Champion aus Denver eindrucksvoll besiegt hatten, tippen fast alle auf das Team aus Minnesota.

Schließlich sind die Wolves bekannt für ihre grandiose Defensive. Und sie haben neben Abwehr-Gigant Gobert auch Anthony Edwards in ihren Reihen. Der 22-jährige "Ant-Man" wird von den US-Medien zum neuen Gesicht der NBA hochgejazzt. Als junger Michael Jordan gehandelt. Vor dem ersten Spiel gegen Dallas erklärt er öffentlich, er werde Kyrie Irving in die Mangel nehmen - nur um daraufhin vom Altmeister offensiv und defensiv derart ausgespielt zu werden, dass Edwards angeblich während der Spiele zu künstlichem Sauerstoff greifen muss.

Co-Stars brillieren bei Dallas

Bei Dallas dominieren aber nicht nur die Starspieler Irving und Dončić. Es sind ebenfalls die sogenannten Rollenspieler, die Co-Stars, die die Siege garantieren. Da ist Super-Rookie Dereck Lively, der mit 20 Jahren erst im April seine Mutter an den Krebs verlor und nun wie ein Center mit jahrelanger Playoff-Erfahrung aufspielt. Da sind Washington und Derrick Jones Jr. mit ihrer knallharten Defensive und vielen wichtigen Dreipunktewürfen und Gafford mit seinen Dunks und Blocks. Alle drei bringen eine aggressive Attitüde ins Team, die an das 2011er-Team von Dallas mit Center Tyson Chandler erinnert.

Seine Mannschaft hätte eine "Next-Man-Up"-Mentalität", sagt Dončić nach dem Sieg am Sonntag. Denn Lively fällt mit einer Hals-und-Kopfverletzung wohl für Spiel 4 aus. Aber weil Dallas als Team überzeugt, rückt stets jemand nach, der über sich hinauswächst. Das könnte nun der deutsche Nationalspieler Maxi Kleber werden. Er war ein wichtiger Akteur beim Einzug der Mavs ins West-Finale vor zwei Jahren und trug maßgeblich zum Erfolg gegen die Clippers in der diesjährigen ersten Runde bei, als er 10 von 18 Dreipunktversuchen traf und hervorragend verteidigte.

Kleber, der variabel als Power Forward und Center agiert und seit einer Verletzung in der rechten Schulter zum Ende der ersten Runde ausfällt, könnte zum ersten Mal wieder mitmischen. Spätestens zum sehr wahrscheinlichen Finale dürfte er zum "Next-Man-Up" werden. Dass es zur dritten Endspielserie in der Geschichte der Mavs (nach Niederlage 2006 und Triumph 2011 jeweils gegen die Miami Heat) im Juni kommt, ist laut Historie schon sicher. Denn die Geschichte lehrt, dass ein 3:0-Vorsprung in den NBA-Playoffs unüberwindbarer ist. Kein NBA-Team hat jemals einen solchen Rückstand überwunden in insgesamt 155 Versuchen.

Und außerdem wirbeln in Spiel 4 ja erneut Irving und Dončić. Der 32-jährige Irving hat endlich eine neue Heimat gefunden und spielt so gut wie seit den Cavaliers-Zeiten nicht mehr, als er mit LeBron James 2016 den NBA-Titel mit Cleveland gewann. Er überzeugt nicht nur mit seinem Ballhandling, dem wohl besten in der Liga, sondern mit Führungsqualitäten. Er nimmt jüngere Spieler an die Hand und geht als hart arbeitendes Beispiel voran, nachdem er in den vergangenen Jahren vor allem durch Skandale aufgefallen war.

Finale gegen Übermannschaft aus Boston

Hart arbeitet auch Luka Dončić. Sogar in der Defensive. In dem Bereich, den Experten und Fans stets bei ihm kritisiert hatten. Aber sowohl gegen die Thunder als auch die Wolves überzeugt der Slowene in der Abwehr, während er offensiv allen Zweiflern beweist, dass er ein NBA-Team zu einem großen Erfolg führen kann und seine Mitspieler besser macht. Und das, obwohl er seit der ersten Playoff-Runde an einer Knie-Verletzung laboriert. NBA-Experte Nick Wright vom TV-Sender Fox-Sports nennt ihn gar "einen der besten Offensivspieler aller Zeiten".

Manch anderer Experte scheint gar überrascht, dass Dončić nicht aufzuhalten ist, dabei hat der Point-Guard genau das seit seinem NBA-Debüt 2018 immer wieder bewiesen. Selbst von zwei Verteidigern ist der 25-Jährige nicht zu stoppen, weil er mit seiner großen Statur und gleichzeitig einer unfassbar guten Ballbehandlung jeden Pass der Welt spielen kann und stets einen freien Mitspieler findet. Wird er allein verteidigt, setzt er zum patentierten Step-Back-Dreier oder zum Nowitzki-Fadeawaywurf auf einem Bein an. Auch zum Korb zieht Dončić unnachahmlich, seine Trickkiste ist die vielleicht größte der NBA.

Nun steht nach einem weiteren Sieg gegen die Wolves ein episches Finale gegen Boston, das kompletteste und beste Team in dieser Saison, vor der Tür. Die Celtics gewannen mit 4:0 gegen die Indiana Pacers, aber drei der vier Partien waren bis zur letzten Sekunde offen und auch das Team aus Boston bewies, dass es enorme Finisher-Qualitäten besitzt. Außerdem wird mit Hochspannung erwartet, wie Kyrie gegen seine ehemalige Mannschaft, von der er sich nicht im Guten getrennt hat spielt. Auf der Gegenseite tritt Kristaps Porziņģis gegen sein Ex-Team an: Er funktionierte von 2019 bis 2022 nicht bei den Mavs, weil er und Dončić damals noch "zu jung" und mit "zu viel Ego" agierten, wie der Lette einmal erzählte.

Natürlich müssen erstmal die Timberwolves besiegt werden. Aber dafür hat man in Dallas ja das hungrige, brüllende und abgeklärte Superstar-Duo Dončić und Irving, das noch vor einem Jahr arg kritisiert wurde und das nun in Dallas selbst Legende Dirk Nowitzki Konkurrenz macht. "Kein Gegner kann Kyrie und Luka sein Spiel aufzwingen. Es sind immer die beiden, die die Bedingungen diktieren. So gut sind sie", sagt Tim Legler, der als einer der ganz wenigen immer an die Dallas Mavericks geglaubt hat, im Podcast "The Old Man and the Three Things" von Ex-NBA-Star JJ Redick. "Das ist die beste Kombination von Offensivtalenten auf der Guard-Position, die wir je gesehen haben."

Quelle: ntv.de

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