WM-Medaillen mit Beigeschmack Erfolge für eigensinnige Eisschnellläufer
13.02.2017, 18:06 Uhr
WM-Silber mit fast 45: Claudia Pechstein hat nach schweren Jahren wieder gut Lachen.
(Foto: AP)
Drei Medaillen bei der WM sind eine prächtige Bilanz für die deutschen Eisschnellläufer nach all den medaillenlosen Jahren. Doch die Freude des Verbands dürfte getrübt sein, schließlich gehen die Medaillengewinner allesamt eigene Wege.
Eigentlich könnte Jan van Veen strahlen. Doch die WM-Erfolge der deutschen Eisschnellläufer ein Jahr vor Olympia heftet sich der Niederländer aus gutem Grund nicht ans eigene Revers. Schließlich trainieren ausgerechnet die drei Medaillengewinner, die in Gangneung für das beste deutsche WM-Ergebnis seit fünf Jahren gesorgt haben, nicht nach seinen methodischen Konzepten. Claudia Pechstein, Nico Ihle und Patrick Beckert gehen im Training andere Wege, sind jedoch an den Olympiastützpunkten jederzeit Nutznießer der Möglichkeiten des Verbandes. Und sie vergessen nicht zu betonen, dass sie gerade im Kampf gegen anfängliche Widerstände aus dem Verband ihren Kurs Richtung Erfolg eingeschlagen haben.
Beim Rest des Teams sah es auf der Olympia-Bahn recht durchwachsen aus. "Wir waren mit dem Kern der Trainingsgruppe bis zum vierten Weltcup im Dezember auf einem guten Weg, doch dann kam der Bruch. Die Leistungen wurden nicht weiterentwickelt", kritisiert Robert Bartko, der Sportdirektor der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Über die Gründe solle man van Veen befragen. Doch auch der findet noch keine Antwort, warum die von seinen Schützlingen geforderte Topleistung zum Saison-Höhepunkt in der Mehrzahl nicht erbracht wurde. "Am Ende der Saison war bei Roxanne Dufter die Luft raus", konstatierte er. "Das müssen wir analysieren."
Ausnehmen von seiner eigenen Kritik möchte van Veen Roxannes Bruder Joel Dufter. "Der hat über 1000 Meter einen großen Fehler auf der Wechselgeraden gemacht. Auch ohne diesen wäre er nicht ganz vorn gelandet, aber etwas mehr als Rang 17 wäre schon rausgesprungen", meinte der Niederländer. Und die Leistungen von Moritz Geisreiter oder Gabi Hirschbichler sahen eher nicht nach "Aufbruch zu neuen Ufern" aus.
Leistungs-Aufbau wird noch dauern
Eine Stärke des Verbandes sieht Bartko darin, den Topleuten genau jenen individuellen Raum zu geben, den sie für die Leistungsentwicklung brauchen. Dass die Silbermedaille eine Glanzleistung der Altmeisterin Claudia Pechstein war, ist unbestritten. Dass aber die Jugend in vergangenen Jahren - nicht nur in Deutschland - stagnierte, steht ebenso außer Frage. Nicht umsonst hat die Tschechin Martina Sablikova mit fast 30 Jahren ihren nun 17. WM-Titel erkämpft.
Auch ohne präzise Analyse verspricht van Veen die Schwachstelle Team-Training mit Blick auf Olympia auszumerzen. "Aber dann mit aller Konsequenz, nicht nur mit ein bisschen Hinterherlaufen", kündigte er neue Strategien an. "Da können sich die Sportler 100 Prozent darauf verlassen. Ich hatte bisher kein Konzept dafür", räumte er ein. Im ersten Jahr seiner Amtszeit habe er zunächst Wert auf die individuelle Leistungsausprägung legen müssen.
Von Claudia Pechstein war kritisch angemerkt worden, dass zu wenig gemeinsam trainiert wurde und das viertplatzierte Trio dadurch um seine Chance kam. "Wir fangen im Eisschnelllauf ganz unten an. Und unsere Konzepte sollen vor allem dazu dienen, den Nachwuchs schneller nach vorn zu bringen. Es geht nur um Qualität, nicht um Quantität", unterstrich Bartko. Mit Blick auf 2026 oder 2030 sollen starke Leute im U23-Bereich aufgebaut werden. "Wir haben keine Illusionen, das wird noch dauern", sagte Bartko, der 2018 mit einem Olympia-Team von maximal 10 bis 14 Läufern rechnet.
Quelle: ntv.de, Frank Thomas, dpa