
Kimi Räikkönen kann sich über den zweiten Platz in Monaco nicht wirklich freuen.
(Foto: picture alliance / Claude Paris/)
Auf dem Podest stehen ein erstarrter Räikkönen, ein sich für seine Verhältnisse verhalten freuender Vettel und der fast immer lächelnde Ricciardo. Dafür kommt kein Silberpfeil-Pilot auf das Treppchen und Alonso wird richtig abgewatscht.
Sie haben am Sonntag den Sommer genossen, statt sich vor den Fernseher zu hocken und Formel 1 zu gucken? Oh, das könnte ein Fehler gewesen sein, denn das Rennen in Monaco hatte es in sich. Das wurde eigentlich schon mit der Startaufstellung klar: Kimi Räikkönen auf der Pole, dahinter Sebastian Vettel und Valteri Bottas. Im Anschluss Hochkaräter wie Daniel Ricciardo und Max Verstappen. Und Lewis Hamilton? Der Titelaspirant hatte es im Qualifying nicht mal in die letzte Runde, also in Q3 geschafft. Er musste von Platz 13 starten und lamentierte bereits vor dem Rennen: "Ich bin froh, wenn das heute vorbei ist."
Iceman wieder ohne Sieg

Für Sebastian Vettel ist der Sieg in Monaco nicht der, den er sich als Rennfahrer wünscht.
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Das kann nicht die Einstellung eines Weltmeisters sein. Aber gut, die Chancen, auf dem Stadtkurs von Monaco zu überholen, sind eher limitiert und insofern erfolgen Positionswechsel in Monte Carlo eigentlich immer durch Ausfälle oder geschickte Strategiespiele. Und ein solches hat den Iceman allem Anschein nach auch den ersten Sieg nach vier langen Jahren gekostet. Während er nämlich seinen Kumpel und Stallkollegen Sebastian Vettel bereits mit einem passablen Abstand hinter sich gelassen hat, wird er zum Reifenwechsel an die Box gerufen.
Plötzlich dreht Vettel auf und schießt an dem Finnen vorbei, bevor der die Boxengasse verlassen kann. Als er endlich wieder auf der Strecke ist, hat er auch noch die sich bis zum Exzess kabbelnden Pascal Wehrlein und Jenson Button vor der Nase. Die beharken sich im Laufe des Rennens übrigens so sehr, dass Wehrlein über das Hinterrad von Button fährt, ausgehoben wird und seitlich in die Leitplanke rutscht. Für den Deutschen mehr als eine Katastrophe, denn sein ohnehin angeknackster Nacken wird erneut in Mitleidenschaft gezogen. "Ja, ich spüre was. Mal sehen. Ich bin wieder mit dem Kopf aufgekommen. Ich werde nächste Woche einen Scan machen müssen", sagte Wehrlein nach dem Schock. Ob er das nächste Rennen fährt, steht also in den Sternen.
Verzockt oder verordnet?

Während Räikkönen in der Box ist, fährt Vettel Bestzeiten auf dem Stadtkurs.
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Aber nicht nur das Team von Räikkönen (und davon gehen wir im Moment aus) hat sich verzockt. Die Strategiefehler bei Mercedes kosten auch den aussichtsreich gestarteten Bottas einen Podestplatz. Den darf Riccardo besteigen, weil er - mit derselben Taktik wie Vettel - Teamkollegen Max Verstappen aus dem Feld räumt. Insofern ist Monaco für die Zuschauer ein durchaus spannendes Rennen gewesen, für die Fahrer das Tal der Vergrätzten. Aber kommen wir nochmal auf das Siegerduo Vettel - Räikkönen zurück.
Vor 14 Tagen wurde an gleicher Stelle die Fairness und ehrliche Freude von Sebastian Vettel gelobt. Natürlich freute sich der Ferrari-Pilot auch diesmal über seinen Sieg, aber lange nicht so euphorisch wie über die Platzierung in Barcelona. Vettel ist Sportsmann genug, um einen verordneten von einem erfahrenen Sieg zu unterscheiden. Und hier sieht es so aus, als haben die Verantwortlichen kräftig am Glücksrad gedreht, um den Vorsprung ihres teuersten Fahrers auf Verfolger Hamilton auf satte 25 Zähler auszubauen.
"Es gab keine Stallorder"
Die zu Eis erstarrte Miene Räikkönens bei der Siegerehrung bewog Vettel, mehrfach zu beteuern, dass es sich bei seinem Sieg nicht um eine "Stallorder" gehandelt habe: "Es gab keine Teamorder. Der Plan war, dass er vor mir reinkommen würde. Andersherum wäre es genauso gewesen", erläutert Vettel die Taktik. Wäre er an der Spitze gewesen, hätte er zuerst an die Box gemusst. "Normalerweise ist das auch die bessere Strategie - nicht aber heute", so Vettel. Ferrari dürfte der Gemütszustand seines zweiten Mannes am Ende des Tages auch ziemlich schnuppe sein. Vettel hat den Vorsprung auf den größten Rivalen Hamilton ausgebaut und das Team hat Mercedes in der Konstrukteurswertung überholt.
Das Opfer bleibt Räikkönen. Insofern klingt der Finne unterdessen auch ziemlich resigniert: "Wir werden darüber sprechen, aber ich schätze, dass es wie für alles im Leben auch hierfür eine Begründung gibt." Natürlich macht der ehemalige Formel-1-Weltmeister auch Planspiele auf: "Als Fahrer bekommt man die Nachricht und fährt rein. Du machst den Boxenstopp und gibst dann Gas. Es ist natürlich immer eine böse Überraschung, wenn jemand vor dir herauskommt." Und Räikkönen führt weiter aus: "Als Pilot kann ich natürlich tun, was ich möchte, schließlich fahre ich das Auto, aber so funktionieren wir als Team nicht. So einfach ist das."
Lewis weiß Bescheid

Auch beim Indy 500 muss Alonso seinen Boliden wegen Motorschaden abstellen.
(Foto: USA Today Sports)
Und damit das Team-Bild rund wird, bringt Vettel noch diesen: Das Team hat diese Entscheidung heute getroffen. Man könne ihm aber keine Schuld daran geben, das Kimi nicht gewonnen habe. Schließlich hat Red Bull mit Daniel Ricciardo genau das Gleiche gemacht. Der Australier blieb wie Vettel noch draußen, während Verstappen den Undercut versuchte. Aber wie schon erwähnt scheiterte das Unterfangen. "Ich weiß nicht, ob Max so glücklich ist. Das ist eine Kopie", sagt Vettel.
Einer, der natürlich ganz klar eine Stallorder bei Ferrari sieht, ist Lewis Hamilton. "Es ist für mich klar, dass Ferrari seinen Nummer-1-Fahrer gewählt hat", sagt der dreimalige Weltmeister nach dem Rennen. "Sie tun alles dafür, um sicherzustellen, dass Sebastian das Beste aus allen Wochenenden bekommt." Ein Umstand, der dem Briten nicht unbekannt sein dürfte. Letztlich ist es aber auch egal, ob es Kalkül oder Zufall war. Es gab selten nach einem Formel-1-Rennen so viele verärgerte Fahrer.
Der wahre Verlierer heißt Alonso
Doch blicken wir kurz nach vorne. Für das nächste Rennen in Montreal verspricht die Konstellation erneut Spannung: Verstappen, Raikkönen und Hamilton werden mit echter Wut im Bauch fahren. Vettel, Bottas und Ricciardo dürfen sich also warm anziehen. Und vielleicht ist ja auch Fernando Alonso wieder etwas motivierter. Der Spanier hatte sich ja eine Auszeit von der Königsklasse genommen, um am Wochenende die Indy 500 zu fahren. Und der ehemalige Formel-1-Weltmeister war bestens unterwegs. Erst in der 180. von 200 Runden gab sein Honda-Motor den Geist auf. Das ist Ironie des Schicksals!
Das der Spanier, von 300.000 Zuschauern am "Brickyard" wie ein Superstar gefeiert wurde, als er seinen defekten Boliden verließ, dürfte nur ein kleiner Trost für die erneute Schmach gewesen sein, die ihm sein japanischer Arbeitgeber beschert hat. Insofern ist der eigentliche Verlierer dieses Wochenendes nicht Kimi Räikkönen, sondern Fernando Alonso. Herzliches Beileid.
Quelle: ntv.de