Schwarzer zum guten DHB-Team "Ich traue der Mannschaft alles zu"
24.01.2015, 12:20 Uhr
Das Achtelfinale vorzeitig gebucht, den Gruppensieg vor Augen: Für die deutschen Handballer ist die WM in Katar bislang ein einziger Höhenflug.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die deutschen Handballer überraschen bei der WM alle Experten, auch Christian Schwarzer. "Ich bin total begeistert", schwärmt der Weltmeister von 2007 vor dem Gruppenfinale gegen Saudi-Arabien. Entscheidend für die K.o.-Runde sei jetzt, die richtige Mischung aus Euphorie und Erfahrung zu finden. Als Trumpf sieht Schwarzer, dass Bundestrainer Dagur Sigurdsson "diese Situationen bei einem großen Turnier aus seiner aktiven Zeit als Spieler ganz genau" kenne. "Er weiß, was wann zu tun ist", sagt Schwarzer und hält sogar den Titel für möglich: "Ich traue der Mannschaft alles zu."
n-tv.de: Vier Spiele, drei Siege, Polen und Russland geschlagen, den Mitfavoriten Dänemark geärgert und den Gruppensieg vor Augen: Herr Schwarzer, was ist los im deutschen Handball?
Christian Schwarzer: Ich bin derzeit total begeistert. In allen Mannschaftsteilen erfüllen die Jungs ihre Aufgaben. Die Ansprachen der Trainer, das Zusammenspiel auf und neben dem Platz - alles funktioniert perfekt.
Das klingt nach Begeisterung, nicht aber unbedingt nach Überzeugung?
Christian Schwarzer hat mit der deutschen Nationalmannschaft zwei große Erfolge vorzuweisen: Im Jahr 2004 wurde er Europameister, drei Jahre später Weltmeister bei der Heim-WM in Deutschland. Während seiner aktiven Zeit spielte er unter anderem für den TV Niederwürzbach, den FC Barcelona, den TBV Lemgo und zum Abschluss bei den Rhein-Neckar Löwen. Insgesamt trug der mittlerweile 45-Jährige 318 Mal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft und erzielte dabei 965 Tore. Derzeit arbeitet "Blacky", so sein Spitzname, als Junioren-Bundestrainer.
Ich verfolge viele Spiele bei der WM und kann sagen: Keine Mannschaft spielt absolut überragend. Selbst Favorit Spanien musste in manchen Partien kämpfen. Unsere Jungs mischen derzeit voll mit. Aber noch läuft die Gruppenphase. Da herrscht eine andere Psychologie vor, denn du kannst immer auch mal ein Spiel verlieren. In den K.o.-Spielen werden auf einmal ganz andere Dinge wichtig.
Sie selbst kennen diese Situationen aus ihrer aktiven Zeit. Erzählen Sie uns, was sich in den Köpfen der Spieler verändert.
Du weißt plötzlich genau: Eine Niederlage und das Turnier ist vorbei. Es ist ganz wichtig, die Zügel jetzt nicht schleifen zu lassen. Die Jungs spielen als nächstes gegen Saudi-Arabien und da brauchen sie das gleiche Selbstvertrauen wie in den bisherigen Partien. Denn lässt du in einem Turnier auch nur ein bisschen nach, droht die Gefahr, dass du die Zügel im weiteren Verlauf nicht mehr richtig straffziehen kannst.
Die deutsche Mannschaft ist noch recht jung und unerfahren, spielt aber unbekümmert auf. Was ist in den kommenden Spielen wichtiger, Erfahrung oder Euphorie?
Natürlich ist die Euphorie wichtig, aber die macht die mangelnde Erfahrung nicht wett. Hier gilt es für die Erfahrenen wie Michael Kraus und Carsten Lichtlein anzusetzen. Sie kennen diese Situation und müssen mit ihrer Erfahrung schon im Vorfeld der K.o.-Runden-Duelle auf die jungen Spieler einwirken. Aber die Jungs haben bislang sowohl spielerisch als auch kämpferisch überzeugt. Vor diesen viel beschworenen deutschen Tugenden haben die Gegner Respekt. Das ist eine Qualität, die die junge Mannschaft jetzt schon für sich entwickelt hat.

Bundestrainer Dagur Sigurdsson hat das DHB-Team sportlich wiederbelebt.
(Foto: picture alliance / dpa)
An der Entwicklung hat der neue Bundestrainer Dagur Sigurdsson großen Anteil. Was macht er anders als sein Vorgänger Martin Heuberger?
Das kann ich nur schwer beurteilen. Aber er hat eine andere Philosophie. Er kennt diese Situationen bei einem großen Turnier aus seiner aktiven Zeit als Spieler ganz genau. Er weiß, was wann zu tun ist. Ich denke, das Zusammenspiel zwischen Team und Trainer funktioniert derzeit perfekt.
Freitag, 16. Januar | ||
Russland | - Saudi-Arabien | 27:17 |
Polen | - ![]() | 26:29 |
Dänemark | - Argentinien | 24:24 |
Sonntag, 18. Januar | ||
Argentinien | - Polen | 23:24 |
![]() | - Russland | 27:26 |
Saudi-Arabien | - Dänemark | 18:38 |
Dienstag, 20. Januar | ||
Polen | - Russland | 26:25 |
Argentinien | - Saudi-Arabien | 32:20 |
Dänemark | - ![]() | 30:30 |
Donnerstag, 22. Januar | ||
Polen | - Saudi-Arabien | 32:13 |
![]() | - Argentinien | 28:23 |
Russland | - Dänemark | 27:31 |
Samstag, 24. Januar | ||
Saudi-Arabien | - ![]() | 19:36 |
Russland | - Argentinien | 27:30 |
Dänemark | - Polen | 31:27 |
1. | ![]() | 5 | 150:124 | 9 |
2. | Dänemark* | 5 | 154:127 | 8 |
3. | Polen* | 5 | 135:121 | 6 |
4. | Argentinien* | 5 | 132:123 | 5 |
5. | Russland | 5 | 133:131 | 2 |
6. | Saudi-Arabien | 5 | 87:165 | 0 |
* im WM-Achtelfinale |
Wagen wir mal den Blick nach vorne. Im Achtelfinale drohen mit Tschechien, Island oder Ägypten unbequeme Gegner. Wer würde dem deutschen Team am besten liegen?
Ich würde mir eines der europäischen Teams wünschen. Die Ägypter spielen sehr unangenehm. Das kommt Deutschland nicht so entgegen. Tschechien und Island kennt das Team aus der Vorbereitung. Gegen beide gab es jeweils zwei Testspiele (Anmerk.: Zwei Siege gegen Tschechien, ein Sieg und eine Niederlage gegen Island). In solchen Aufeinandertreffen kommt aber plötzlich auch wieder eine ganz spezielle Psychologie hinzu. In diesen Duellen brauchst du mental starke Spieler, die die richtigen Entscheidungen treffen.
Und hat das deutsche Team diese mental starken Spieler?
Ja, neben den erfahrenen Kraus und Lichtlein haben wir mit Patrick Wienczek, Steffen Weinhold, Stefan Kneer, Patrick Groetzki und Uwe Gensheimer Spieler, die regelmäßig in der Champions League spielen. Sie haben genug Erfahrung und wissen, was in solchen Spielen passiert. Andere Spieler wie Paul Drux müssen weiter so unbekümmert aufspielen wie bisher, sie dürfen auch Fehler machen.
Nochmal zurück zur Perspektive des Teams. Wie weit kann's gehen?
Ich traue der Mannschaft alles zu. Wichtig ist eine erste, positive Erfahrung im Achtelfinale. Bislang sehe ich keine Mannschaft, gegen die Deutschland nicht gewinnen könnte. Wir haben vielleicht im internationalen Vergleich nicht die besten Einzelspieler, aber bislang haben wir das beste Team. Aber eine Sache bereitet mir Sorgen.
Welche Sache ist das?
Normalerweise hat jedes Team bei einer Weltmeisterschaft ein schlechtes Spiel. Bislang hatte Deutschland das nicht und ich hoffe, dass dem Team dieses Schicksal nicht in der K.o.-Runde droht. Wenn es schon ein schlechtes Spiel geben muss, dann am liebsten noch in der Vorrunde.
Gehen wir mal davon aus, Deutschland kommt ins Finale oder wird sogar Weltmeister. Viele Fans werden dieses Ereignis dann wohl nicht erleben …
Ich bin erst einmal froh, dass sich der Pay-TV-Sender Sky die Rechte gesichert hat und es überhaupt möglich ist, hier Handball zu gucken. Der absolute Super-Gau wurde so verhindert. Aber es stimmt natürlich, die sieben bis zehn Millionen Zuschauer, die wir mit den Erfolgen wieder für unsere Sportart begeistern könnten, erreichen wir so nicht. Ich hoffe, dass es im Falle eines Halbfinal- oder Finaleinzugs die Möglichkeit gibt, die Spiele im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu zeigen
Mit Christian Schwarzer sprach Tobias Nordmann
Quelle: ntv.de