World Cup in Frankfurt startet Kann Deutschland wirklich Darts-Weltmeister werden?
15.06.2023, 16:14 Uhr
Gabriel Clemens und Martin Schindler wollen bei der Team-WM im Darts hoch hinaus.
(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)
Ein U21-Nationalfußballer, ein Motorsport-Helm-Designer, außerdem ein Globetrotter im Rentenalter. Und Deutschland hofft auf einen historischen Titelgewinn. Das sind die Zutaten für die Team-Weltmeisterschaft im Darts. Die startet heute in Frankfurt.
Einmal im Jahr müssen sich die Dartprofis in ihren Abläufen und Gewohnheiten komplett umstellen. Dieses eine Mal im Jahr ist jetzt. Bei der Team-Weltmeisterschaft in der Eissporthalle in Frankfurt am Main wird nicht der beste Einzelspieler, sondern das beste Duo gesucht. Heute Abend geht's los, unter anderem mit dem ersten Auftritt von Deutschland.
Wie läuft das Turnier ab?
Der World Cup of Darts, das ist der offizielle Name des Turniers, ist die einzige Veranstaltung der Profidartorganisation PDC, bei der die Spieler im Doppel gegeneinander antreten. Insgesamt 40 Länder nehmen mit ihren jeweils zwei besten Akteuren an der Team-WM teil. Die vier stärksten Darts-Nationen - England, Wales, Niederlande, Schottland - sind für das Achtelfinale am Samstag gesetzt. Um die 12 offenen Plätze in der K.-o.-Runde streiten sich die übrigen 36 Teams in einer Gruppenphase, die heute und morgen ausgetragen wird.
Die deutschen Teilnehmer, WM-Halbfinalist Gabriel Clemens und Martin Schindler, sind an Position sechs gesetzt und in eine Gruppe mit Hongkong und Japan gelost worden. Im ersten Gruppenspiel trifft Deutschland am Abend (ca. 22 Uhr/live bei DAZN) auf Hongkong. Gewinnen Clemens und Schindler die Partie, geht es am Freitagabend gegen Japan weiter. Bei einer Niederlage gegen Hongkong würde Japan bereits am Nachmittag warten. Nur die Gruppensieger ziehen ins Achtelfinale ein, das nach Ende der Vorrunde am späten Freitagabend ausgelost wird.
Wie stehen die Chancen des deutschen Teams?
Gabriel Clemens ist die Nummer 20 der Darts-Weltrangliste, Martin Schindler rangiert auf Position 25. Damit ist Deutschland nominell das sechststärkste der 40 Teams, was in etwa auch der tatsächlichen Leistungsfähigkeit entspricht. Die Gruppenphase ist zwar nicht ganz ohne, weil Hongkong und Japan durchaus für eine Überraschung gut sind, dennoch wäre alles andere als der Gruppensieg eine große Enttäuschung. Wie im Falle des Weiterkommens die weiteren Aussichten sind, hängt auch von der Auslosung des Achtelfinals ab.
Dank der besonderen Dynamik des Turniers kann Deutschland sich sogar leise Titel-Hoffnungen machen. Für das Duo Clemens/Schindler spricht, dass sie bestens harmonieren und sich ihre jeweilige Spielgeschwindigkeit ähnelt. "Es ist super, wenn man mit dem eigenen Teampartner befreundet ist. Vielleicht gewinnen wir unseren ersten Titel zusammen", so Clemens im Vorfeld. Außerdem glaubt der 39-Jährige an einen kleinen Vorteil. "Vor Jahren haben wir in unserer Liga in Deutschland bereits Doppel gespielt. Ich denke, die anderen Länder sind es nicht so gewohnt, Doppel zu spielen."
Wer sind die Favoriten?
An Position eins ist Darts-Mutterland England gesetzt. Der Weltranglisten-Erste und amtierende Weltmeister Michael Smith führt das Team an. An seiner Seite spielt Rob Cross. Anders als die beiden Deutschen haben Smith und Cross allerdings kein gutes Verhältnis. Smith gab unlängst in einem Interview eines US-amerikanischen Youtubers sogar zu, dass er den Weltmeister von 2018 nicht mag.
Derlei atmosphärische Probleme gibt es beim Team-Champion von 2020 nicht. Wales geht mit Gerwyn Price und Jonny Clayton ins Rennen. Beide verstehen sich bestens und sind – das ist natürlich der viel wichtigere Aspekt – exzellente Spieler. Das macht Wales zum Topfavoriten bei der diesjährigen Team-WM.
Naturgemäß können sich aber auch die Niederlande Chancen auf den Turniersieg ausrechnen. Allerdings muss die nach Großbritannien zweitstärkste Darts-Nation der Welt auf den dreifachen Weltmeister und siebenfachen Premier-League-Sieger Michael van Gerwen verzichten. Der 34-Jährige sagte kurzfristig ab, weil er sich von einer geplanten Zahn-OP am Montag noch nicht erholt habe, teilte die PDC mit. Deshalb rückt der exzentrische Dirk van Duijvenbode an die Seite des eher introvertierten Danny Noppert. Es ist das zweite Mal nacheinander, dass ausgerechnet Superstar van Gerwen die Team-WM absagt.
Die große Unbekannte unter den Topnationen ist Schottland. Zwar können Peter Wright und Gary Anderson mit einem gefüllten Trophäenschrank (je zwei Weltmeister-Titel) aufwarten, doch insbesondere das Niveau von Wright war in den vergangenen Monaten oft bemerkenswert niedrig. Es ist also möglich, dass der Weltranglisten-22. (Anderson) und nicht der Weltranglisten-2. (Wright) die heimliche Nummer eins im Team Schottland ist.
Bessere Chancen auf ein Spitzen-Ergebnis hat dagegen Australien. Damon Heta und Simon Whitlock sind zwar nur an Position sieben gesetzt und müssen genau wie Deutschland bereits in der Vorrunde starten, das Duo hat den World Cup aber im vergangenen Jahr überraschend gewonnen. In der Vorrunde sollten Guyana und Gibraltar auch keine nennenswerte Hürde darstellen.
Auf wen sollte man noch achten?
Die Team-WM ist auch deshalb besonders, weil mehr Amateurspieler als Profis dabei sind. Das liegt daran, dass die Darts-Welt noch immer stark von einzelnen wenigen Ländern geprägt wird. Gerade mal 19 Nationen haben überhaupt zwei Spieler auf der Profitour, 7 Teams können nur auf einen Profi bauen, die anderen 14 Teilnehmer-Länder bestehen rein aus ambitionierten Hobbyspielern.
Diese Akteure machen den besonderen Reiz des World Cups aus. Zum Beispiel der Italiener mit dem wohlklingenden Namen Massimo Dante. Die Spezialität des Künstlers ist es, Helme für Motorsportler zu designen. Dante hat unter anderem den Helm von Formel-1-Pilot Alex Albon gestaltet. Und auch sportlich ist der Italiener vielseitig talentiert. Als Kartfahrer und Poolbillardspieler hat Dante bereits die italienischen Farben vertreten, mit der Team-WM im Darts macht er nun sein ganz persönliches Triple perfekt.
Sportliche Qualitäten über Darts hinaus besitzt auch Craig Galliano. Der 21-Jährige tritt zusammen mit seinem gleichaltrigen Doppelpartner Justin Hewitt für Gibraltar an. In seiner Heimat ist Galliano als Fußballer aktiv und wurde sogar bereits für die U21-Auswahl von Gibraltar nominiert.
Legende Lim und Guyana auch dabei
Zum ersten Mal überhaupt nimmt Guyana an der Team-Weltmeisterschaft teil. Das kleine Land konnte sich im Lateinamerika-Qualifikationsturnier durchsetzen und wird am Main durch die beiden ehemaligen WM-Teilnehmer Norman Madhoo und Sudesh Fitzgerald vertreten. Dass Fitzgerald 14 Jahre nach seiner WM-Teilnahme in Frankfurt aufschlägt, grenzt an ein Wunder. Der 36-Jährige lag Ende vorigen Jahres noch im Koma, nachdem er sich bei einem Autounfall Fuß, Hüfte und Kiefer gebrochen und einen Teil seiner Leber verloren hatte.
Das kleine Land aus dem Norden Südamerikas ist eines von insgesamt vier Debütanten beim World Cup in diesem Jahr. Von der Erweiterung auf 40 Teams haben auch Bahrain, Island und die Ukraine profitiert. Alles andere als ein Ausschneiden nach den beiden Vorrundenspielen wäre für die WM-Neulinge allerdings eine Sensation.
Etwas mehr rechnet sich dagegen ein ganz alter Bekannter aus. Paul Lim tritt zusammen mit Harith Lim wie jedes Jahr für Singapur an. Lim ist eine der größten Legenden des Dartsports und mit 69 Jahren der mit Abstand älteste Teilnehmer. Lims Leben bietet aber noch viel mehr Stoff für Geschichten. Mit 20 verließ er Singapur und zog durch die Welt. Zunächst nach London, wo er Koch wurde. In der Freizeit stand Lim am Dartboard und wurde immer besser. Im E-Dart, dem Spiel an der elektronischen Dartscheibe, ist Paul Lim der bekannteste Spieler überhaupt. Aber auch beim Steeldart hat Lim beachtliche Erfolge erzielt. 2017 warf er zusammen mit dem nicht verwandten Harith Lim in der ersten Runde des World Cups die damals topgesetzten Schotten mit Peter Wright und Gary Anderson aus dem Turnier.
Sensationen wie diese erhoffen sich die Fans in Frankfurt von dem besonderen Charakter der Team-Weltmeisterschaft auch in diesem Jahr. Und vielleicht wird das alles ja sogar noch mit dem Titelgewinn des Gastgeber-Teams getoppt. Schon der Finaleinzug wäre historisch: Noch nie gab es ein großes Finale mit deutscher Beteiligung auf dem PDC-Circuit.
Quelle: ntv.de