
Wieder Gold, wieder mit herausragender Weite: Malaika Mihambo fliegt der Konkurrenz davon.
(Foto: IMAGO/ZUMA Press)
Doch noch Gold für Deutschland bei den Leichtathletik-Europameisterschaften: Malaika Mihambo dominiert im Weitsprung mit einem herausragenden Satz, den sie selbst als "Wahnsinn" bezeichnet. Für die Olympischen Spiele verspricht das Großes - auch, weil sie die Konkurrenz schon einmal vorwarnt.
Minutenlang muss Malaika Mihambo gespannt warten, die Weite ihres zweiten Sprungs wird einfach nicht angezeigt. Bei der Leichtathletik-Europameisterschaft wird die 30-Jährige auf die Probe gestellt. Erst als auf der Bahn die 4x400-Meter-Staffeln der Männer gestartet sind, kommt die Erlösung. Die sonst so ruhige, abgeklärte Springerin jubelt für ihre Verhältnisse fast schon offensiv. Sie lässt einen Freudenschrei los, ballt die Fäuste, umarmt ihren Trainer Uli Knapp. 7,22 Meter - Weltjahresbestleistung. Früh im Wettkampf steht damit bereits fest: Gold kann ihr keine Konkurrentin nehmen. Silber gewinnt die Italienerin Larissa Iapichino (6,94), Bronze geht an Agate De Sousa (6,91) aus Portugal, die sich weitengleich gegen die zweite Deutsche, Mikaelle Assani, durchsetzt.
"Das ist schon irgendwo auch der Wahnsinn, ich habe mich echt gefreut. Ich habe auch eine kleine Gänsehaut bekommen, weil es der zweitweiteste Sprung in meinem Leben war", sagt Mihambo im ZDF. Es ist eine Riesenleistung, die ihr da im Olympiastadion von Rom gelingt. Eine, die auch den Dreisprung-Europameister Jordan Alejandro Diaz Fortun aus Spanien Respekt abnötigt. Er sitzt im Publikum und reagiert mit Bewunderung und Unglauben auf Mihambos Sprung, fassungslos und elektrisiert zugleich verzieht er das Gesicht zu einem Grinsen, schüttelt die Hände. Und er muss wissen, was weit springen bedeutet, schließlich hatte er sich selbst erst am Dienstag mit 18,18 Meter im Dreisprung auf Platz drei der ewigen Weltbestenliste katapultiert.
Die Olympiasiegerin, zweimalige Weltmeisterin und nun zweimalige Europameisterin selbst ist die Einzige in der Konkurrenz, die schon einmal weiter gesprungen ist als diese 7,22 Meter - wenn auch nur knapp: 7,30 Meter erzielte sie bei ihrem WM-Titel im Jahr 2019 in Doha. "Das gibt mir nochmal einen immensen Motivationsschub. Ich war schon gut drauf. Ich habe es gefühlt. Jetzt weiß ich, dass ich wieder vergleichbar bin mit der Doha-Saison", sagt Mihambo nach dem Wettkampf.
"Annähernd perfekter Sprung"
Am letzten Tag der EM beschert sie dem deutschen Team damit doch noch die erste Goldmedaille. Schon die Qualifikation hatte Deutschlands dreimalige "Sportlerin des Jahres" mit Bravour absolviert. Einmal angelaufen, 7,04 Meter in die Grube gesetzt, lächelnd ihr Zeug wieder eingepackt. 6,70 Meter waren gefordert gewesen, das nennt man souverän. Mit eben jenen 6,70 Meter steigt Mihambo dann im Finale in den Wettkampf ein. Schon der zweite ist dann der Gold-Sprung, auch mit ihrem fünften Versuch auf 7,04 Meter wäre sie die unangefochtene Goldmedaillen-Gewinnerin gewesen.
In einer Disziplin, in der es auf Millimeter im Anlauf und am Brett ankommt, der Sprung richtig gezogen werden muss, der Hintern nicht zu früh bei der Landung in den Sand sinken darf, da ist Perfektion schwer zu erreichen. Dass Knapp von einem "annähernd perfekten Sprung" spricht, ist ein Riesenlob für seine so erfolgreiche Athletin. Sie selbst hat noch etwas zu mäkeln, der Wind sei nicht ganz so gewesen, "wie man sich das erhofft bei so einem Sprung", sagt sie über die 1,4 Meter Gegenwind beim ZDF. Auf die Nachfrage, ob sie sonst nicht übergetreten hätte, kontert sie mit einem Augenzwinkern: "Möglich, aber vielleicht hätte ich es auch einfach gut ausgesteuert."
Mihambo kann die Vorzüge der speziellen Anlage im Stadion voll ausnutzen. Die Sprunggruben sind auf einem drei Meter erhöhten Steg errichtet worden, die Rede ist von einem Art Schwingboden. Wer diesen richtig ausnutzt, kann offenbar etwas weiterfliegen als bei komplett festem Untergrund. Dass der ungewöhnliche Aufbau den Springerinnen und Springern bei dieser EM entgegenkommt, hatte sich bereits bei den Top-Weiten im Dreisprung und auch im Weitsprung der Männer gezeigt.
Noch weitere Sprünge erwartet
Mit ihrem Wahnsinnssatz hat sich Mihambo zur Favoritin für die Olympischen Spiele in Paris gesprungen. Den bisher weitesten Sprung in diesem Jahr hatte die US-Amerikanerin Tara Davis-Woodhall mit 7,18 Meter geschafft. Die Weiten versprechen einen Krimi im Stade de France. Sie freue sich jetzt noch mehr auf den Wettkampf am 8. August, so Mihambo. Die gebürtige Heidelbergerin reist als Titelverteidigerin nach Paris, noch nie konnte eine Weitspringerin zweimal hintereinander Olympia-Gold gewinnen. Überhaupt erst einmal gab es zweimal Gold für dieselbe Springerin: Heike Drechsler war 1992 und 2000 zum Olympiasieg geflogen. Schon 2022 war diese voll des Lobes für ihre Nachfolgerin, bezeichnete Mihambo als "Phänomen".
Im vergangenen Jahr hatte Mihambo wegen einer Verletzung auf die Weltmeisterschaft verzichten müssen. 2022 war sie Weltmeisterin geworden, hatte aber nur zwei Wochen später bei der Heim-EM in München ihren Titel verloren und "nur" Silber gewonnen und später über ihre gesundheitlichen Einschränkungen durch ihre Corona-Infektion gesprochen. Das alles ist ausgestanden, nun ist sie nun wieder topfit. Ihr Verzicht auf den vierten Versuch hat nichts mit einer Einschränkung zu tun. Aus reiner Vorsicht, weil im Wettkampf viele Sprünge in kurzer Zeit zu absolvieren sind, was vor allem für die Beine anstrengend ist, verzichtet sie. Sie ist schlicht nicht in der Not, kann sich die Pause entspannt gönnen. Die Konkurrentinnen beißen sich an ihrer Weite die Zähne aus.
Und die 30-Jährige, die während der Wettkämpfe alles um sich herum ausblenden und meditieren kann, die selbstbewusst, aber zurückhaltend ist, zeigt sich diesmal ungewohnt angriffslustig. Im Training habe sie noch nicht "alle Register gezogen". Bis zu den Olympischen Spielen sind noch acht Wochen Zeit. "Ich bin gespannt, wohin das noch führen kann." Und - das dürften ihre Konkurrentinnen als Warnung deuten: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass es noch einmal weitergehen kann."
Quelle: ntv.de