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Team-Check: Deutschland vs. Katar Schwarzer: "Wir sind überall gefährlich"

Dagur Sigurdsson und seine Jungs wollen auch gegen Katar jubeln und das deutsche Handball-Märchen fortschreiben.

Dagur Sigurdsson und seine Jungs wollen auch gegen Katar jubeln und das deutsche Handball-Märchen fortschreiben.

(Foto: REUTERS)

Viertelfinale bei der Handball-WM, Deutschland gegen Katar. Jung und euphorisch, trifft auf eingekauft und routiniert. Für n-tv.de hat Christian Schwarzer beide Teams analysiert. Nur auf zwei Positionen sieht er die Mannschaften auf Augenhöhe.

Bei ihren bisherigen WM-Teilnahmen haben die Handballer aus Katar keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das sollte sich nun, beim Heim-Turnier 2015, ändern. Mit Erfolg. Erstmals in der Geschichte steht das Team aus dem Wüstenstaat im Viertelfinale. Zu verdanken ist dieser Erfolg zum einem dem Geld der Scheichs und zum anderen der Lust europäischer und nordafrikanischer Profis, sich für das Emirat auf internationalem Parkett zu beweisen und dafür gut bezahlen zu lassen. Nur vier Spieler aus dem Aufgebot kommen aus Katar, der Rest ist eingekauft. Gegen dieses Ensemble kämpft das Team aus Deutschland nun an diesem Mittwoch (ab 16.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) um den Einzug ins Halbfinale. Wir haben beide Mannschaften gemeinsam mit dem ehemaligen Nationalspieler und Weltmeister von 2007, Christian Schwarzer,  analysiert. Wo liegen die Stärken? Wo die Schwächen? Was könnte den Ausschlag über Sieg und Niederlage geben? Der Teamcheck:

Goran Stojanovic ist der große Rückhalt Katars.

Goran Stojanovic ist der große Rückhalt Katars.

(Foto: picture alliance / dpa)

TORHÜTER: Carsten Lichtlein gegen Goran Stojanovic, so lautet das wohl spannendste Duell im Vergleich Deutschland und Katar. Lichtlein hat bereits in der Vorrunde überzeugende Leistungen angeboten, sich aber im Achtelfinale gegen Ägypten selbst die Krone aufgesetzt. "Was er in dem Spiel gezeigt hat, war sensationell", lobt Schwarzer. "Normalerweise sind Quoten von bis 30 bis 40 Prozent schon stark, aber Lütti hat gegen Ägypten über 50 Prozent aller Bälle gehalten. Das ist überragend." Trotzdem sieht der Weltmeister von 2007 auf der Position zwischen den Pfosten keinen klaren Vorteil für Deutschland. "Stojanovic und auch Saric können uns schon Probleme bereiten." Die beiden eingebürgerten Serben haben die sogenannte "jugoslawische Schule" genossen. Was das bedeutet, erklärt Schwarzer: "Sie bleiben beide sehr groß und nehmen dem Schützen somit Fläche vom Tor weg. Sie machen das eigentlich genauso wie Carsten auch." Große Schwächen haben die katarischen Keeper nicht. "Sie sind sowohl bei freien Bällen stark, als auch bei Würfen aus dem Rückraum." Um in diesem Duell bestehen zu können, nimmt Schwarzer mit Silvio Heinevetter auch den zweiten deutschen Torwart in die Pflicht. "Wir haben zwei gleichwertige Torhüter, Silvio muss weiter fleißig bleiben und die Konzentration hochhalten, denn er kann jederzeit eingewechselt werden." SCHWARZER MEINT: Ausgeglichenes Duell.

Mit Hendrik Pekeler (r.) ist die deutsche Deckung sehr variabel.

Mit Hendrik Pekeler (r.) ist die deutsche Deckung sehr variabel.

(Foto: picture alliance / dpa)

ABWEHR: Die deutsche Abwehr spielt sehr variabel, mal in der offensiven 5-1-Deckung, mal in der sehr kompakten 6-0-Deckung. "Da haben wir mit Hendrik Pekeler eine sehr gute Option schnell umzuschalten", erklärt der 44-Jährige. In Kombination mit den sehr flinken Spielern in der Deckung, werden auch die Torhüter entlastet. "Die Jungs nehmen Carsten und Silvio viele Bälle weg, die sie nicht mögen." Was die Stärke der Deutschen ist, ist gleichzeitig die Schwäche der Gastgeber. "Die haben zwar ein paar stabile Kerle in ihrer 6-0-Deckung, doch die sind nicht besonders schnell. Wenn es unseren Jungs gelingt, den Mittelblock um  Roiné und Capote zu bewegen, haben wir gute Chancen." Was die Deutschen dagegen aus Schwarzers Sicht besser nicht machen sollten, ist den Mittelblock zentral anlaufen. "Da haben sie mit ihrer Masse einiges entgegenzusetzen."  SCHWARZER MEINT: Vorteil Deutschland!

Steffen Weinhold ist eine der größten Waffen im deutschen Angriffsspiel.

Steffen Weinhold ist eine der größten Waffen im deutschen Angriffsspiel.

(Foto: picture alliance / dpa)

ANGRIFF: Das Team von Dagur Sigurdsson hat nach Einschätzung des ehemaligen Handball-Nationalspielers ein riesiges Plus: "Wir sind von allen Positionen aus gefährlich. Du kannst als Gegner nicht sagen, ach wir nehmen mal den Weinhold oder den Gensheimer aus dem Spiel, du musst alle im Blick haben." Diese Flexibilität ist die größte Waffe der Deutschen und gleichzeitig auch der große Unterschied zu Katar. "Sie haben mit Markovic und Capote zwei sehr starke Schützen von den Halbpositionen, wenn wir die kontrollieren können, ist viel gewonnen", so Schwarzer. Deutlicher weniger Gefahr sieht er dagegen auf den Außenpositionen und am Kreis. "Sie haben zwar mit Vidal Fernandez einen richtigen Stabilen am Kreis, aber er ist sehr unbeweglich, das müssen wir im Verbund gut verteidigen." SCHWARZER MEINT: Vorteil Deutschland.

Das ist Christian Schwarzer

Christian Schwarzer hat mit der deutschen Nationalmannschaft zwei große Erfolge vorzuweisen: Im Jahr 2004 wurde er Europameister, drei Jahre später Weltmeister bei der Heim-WM in Deutschland. Während seiner aktiven Zeit spielte er unter anderem für den TV Niederwürzbach, den FC Barcelona, den TBV Lemgo und zum Abschluss bei den Rhein-Neckar Löwen. Insgesamt trug der mittlerweile 45-Jährige 318 Mal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft und erzielte dabei 965 Tore. Derzeit arbeitet "Blacky", so sein Spitzname, als Junioren-Bundestrainer.

TRAINER: Katar hat sich mit Valero Rivera López einen echten Trainerfuchs geangelt. Die Liste seiner Erfolge ist lang. Vor zwei Jahren wurde er mit Spanien Weltmeister. Sechs Titel konnte er in der Champions-League abgreifen, außerdem gewann er fünfmal den Europapokal der Pokalsieger und wurde zwölfmal spanischer Meister. Der Trophäenschrank des deutschen Trainers Sigurdsson ist dagegen weniger üppig gefüllt: Vier Meisterschaften und drei Pokalsiege in Österreich und Deutschland stehen dort zur Ansicht. Kein Problem, findet Schwarzer, der Rivera López noch aus seiner aktiven Zeit kennt: "Valero hat sein Team schon lange zusammen. Aber das hat es auch gebraucht. Denn aus den vielen verschiedenen Nationalitäten mit den verschiedenen Systemen musst du erst einmal eine Mannschaft formen." Das ist ihm gelungen. Doch gibt es nach wie vor Probleme. "In den Auszeiten wirkt es auf mich so, als gebe es immer noch Schwierigkeiten bei der Verständigung. Das ist für eine Mannschaft gefährlich, wenn sie die Anweisungen des Trainers nicht richtig versteht." Dieses Problem gibt es bei den Deutschen nicht. "Ich bin begeistert von der Art, wie Dagur das macht. Er gibt klare Ansagen und konzentriert sich aufs Wesentliche". Außerdem, so erklärte Schwarzer im Interview mit n-tv.de, kenne Sigurdsson die Situationen in einem Turnier noch aus seiner Zeit als Spieler. "Er weiß genau, was wann zu tun ist." SCHWARZER MEINT: Punkte für beide Teams.

TEAMGEIST: Der Teamgeist ist die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Abschneiden, meint Christian Schwarzer. "Unsere Jungs leben die viel beschworenen deutschen Tugenden perfekt vor, davor haben die Gegner großen Respekt." Und mit jedem weiteren Sieg werden die Euphorie und das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und das Team größer. Doch auch bei den Gastgebern hat sich ein sichtbarer Teamgeist ausgebildet. "Da wird schon auch gejubelt, wenn Stojanovic mal einen Ball hält. Und nach Siegen liegen sich die Spieler in den Armen", so der ehemalige Kreisläufer. Doch so ganz traut er der optisch vermittelten Einigkeit nicht. "Ich bin mir nicht sicher, ob das echter Teamgeist ist oder ob die gute Bezahlung da vielleicht zusätzliche Motivation gibt." SCHWARZER MEINT: Leichtes Plus für Deutschland.

UND SONST? Gegen Deutschland wird die Lusail Multipurpose Hall mit ziemlicher Sicherheit ausverkauft sein, 15.000 Zuschauer werden das Duell dann in der Halle verfolgen. Und 90 Prozent der Besucher werden den Gastgebern die Daumen drücken - ob des lieben Geldes Willen oder aus Überzeugung. "Die Stimmung wird sicher intensiv sein. Doch sie ist nicht aggressiv, anders, als in manchen Hallen in Europa. Ich denke eher, dass unsere Jungs diese tolle Stimmung beflügeln und zu einer weiteren Top-Leistung antreiben wird", sagt Schwarzer.

Er setzt darauf, dass sich auch die Schiedsrichter nicht von der Atmosphäre beeinflussen lassen. Um mögliche, strittige, spielentscheidende Pfiffe in der Schlussphase auszuschließen, setzt der Weltmeister von 2007 auf klare Verhältnisse möglichst zehn Minuten vor der Sirene. "So werden mögliche Fehlentscheidungen kein Faktor." SCHWARZER MEINT: Alles bleibt fair und die Stimmung beflügelt beide Teams, Remis.

ERGEBNIS des Team-Checks: 4,5:1,5 - Klare Sache also, Deutschland zieht ins Halbfinale ein. Aber wie so oft gilt: "Wichtig is' aufm Platz und Schluss is', wenn der Schiri pfeit - oder in diesem Fall die Sirene heult."

Zur heftigen Kritik vieler aktiver und ehemaliger Handballer an der zusammengekauften Mannschaft Katars will Schwarzer sich nicht groß äußern. Zumal auch Deutschland in der Vergangenheit mit Oleg Velyky (Ukraine) und Andrej Klimovets (Weißrussland) zwei Spieler für die Nationalmannschaft eingebürgert hatte. "Jede Nation muss das für sich ausmachen. Ich hätte als Spieler ein Problem damit gehabt, für ein anderes Land als Deutschland aufzulaufen. Egal, wie viel Geld mir geboten worden wäre." Zumal: Deutschland ist ja auch nur mit einer Wild-Card bei dieser WM.

Quelle: ntv.de

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