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Schlimme DHB-Pleiten gegen Katar Und wieder wartet der große WM-Angstgegner

Rafael Capote tat dem DHB-Team schon zweimal weh.

Rafael Capote tat dem DHB-Team schon zweimal weh.

(Foto: picture alliance / Christina Pahnke / sampics)

Katar ist im Handball eine Macht, zumindest in Asien. Dort ist der Vize-Weltmeister von 2015 unschlagbar. Doch auch auf der Weltbühne setzt die Mannschaft immer wieder Glanzpunkte. Und zwar in der Regel auf Kosten der deutschen Mannschaft. Nun trifft man sich schon wieder.

Dagur Sigurdsson schenkte dem deutschen Handball seine letzten ganz großen Highlights: Eine im Laufe des Turniers immer weiter dezimierte Außenseitertruppe machte der Isländer im Januar 2016 völlig überraschend zum Europameister, wenige Monate später holte Deutschland die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen von Rio. Es war eine glänzende Phase für das DHB-Team. Die Ära Sigurdsson aber endete mit einem Schock. Sie endete frustrierend und überraschend früh im Achtelfinale der Weltmeisterschaft 2017. "Es ist mit Abstand die größte Enttäuschung. Natürlich hätten wir uns alle mehr vorgestellt", sagte Sigurdsson damals.

20:21 verlor seine Mannschaft, mit dem Abpfiff endete auch die Amtszeit des Bundestrainers, der danach nach Japan wechselte. "Wir hatten das Spiel bis zur Mitte der zweiten Halbzeit im Griff. Deswegen ist es wirklich, wirklich ein Schock für uns, dass wir das Spiel verloren haben." Seine Mannschaft lag genau einmal zurück: beim Stand von 20:21, dem Endergebnis.

Nun trifft man sich wieder: Zum Auftakt der Weltmeisterschaft 2023 (18 Uhr/ZDF und im Liveticker auf ntv.de), die für das DHB-Team in Polen beginnen und am besten in Schweden bei den Medaillenspielen enden sollen. Doch die letzten Pleiten hat niemand vergessen.

"Daran sollte man sich erinnern"

"Ich habe schon einige Pflichtspiele gegen Katar erlebt. Bei der WM 2015 und 2017 konnten wir nicht gewinnen. Daran sollte man sich erinnern", warnte DHB-Sportvorstand Axel Kromer, einst Co-Trainer unter Sigurdsson, vor dem Rivalen. "Das ist mit Sicherheit keine Laufkundschaft." Schon 2015 hatte man bei einer Weltmeisterschaft gegen Katar verloren. 24:26, im Viertelfinale, gegen den Gastgeber, der sein Team auf reichlich absurde, den Regeln im Handball aber entsprechende Weise aufgerüstet hatte: Gerade einmal vier einheimische Spieler standen im Kader des WM-20. von 2013, der zwei Jahre später im eigenen Land erst im Finale zum ersten Mal verlor - gegen Rekordweltmeister Frankreich.

Den Weg dorthin ebneten die Montenegriner Zarko Markovic und Goran Stojanovic, Weltklassetorwart Danijel Saric, ein Bosnier, der Franzose Bertrand Roiné, der Spanier Borja Vidal Fernández und der Kubaner Rafael Capote. Weil man im Handball, anders als im Fußball, wo man nur für ein einziges Land A-Länderspiele absolvieren darf, für einen Nationenwechsel nur eine dreijährige Länderspielpause nötig ist, konnte sich Katar ein schlagkräftiges All-Star-Team zusammencasten. Angeblich gab es für jede gewonnene WM-Partie 100.000 Euro - pro Spieler. Im Handball, in dem schon mittlere sechsstellige Jahresgehälter den absoluten Topstars vorbehalten sind, ist das eine gewaltige Stange Geld.

Trainer Valero Rivera, den Katar nach der WM 2013 von Weltmeister Spanien losgeeist hatte, soll für sein Engagement bis zum WM-Finale 2015 eine Millionensumme kassiert haben. Der Spanier, der für seine Mannschaft bei der Heim-WM eine lautstarke Fangruppe aus seiner Heimat einfliegen und für seine Mannschaft trommeln ließ, ist auch 2023 noch für Katar tätig.

Und glaubt man Silvio Heinevetter, war es nicht alleine das sportliche Personal, dass die Katarer bezahlt haben. "Heute konnten wir nicht gewinnen", sagte der damalige Profi der Füchse Berlin nach der Pleite bei Sky. Damit spielte der Torwart auf die Leistung der mazedonischen Schiedsrichter Gjorgji Nachevski und Slave Nikolov an. "Wir sind immer noch Gäste hier, da muss man aufpassen, was man sagt. Aber jeder, der das Spiel gesehen und etwas Ahnung hat, weiß, was ich denke." Der österreichische Trainer Patrekur Johanesson wollte nach der Achtelfinal-Niederlage seines Teams (27:29) gegen Katar zwar "keinen Kommentar zu den Schiedsrichtern" abgeben, tat es aber mit seiner Prognose für den weiteren Turnierverlauf dann doch: "Ich glaube, Katar wird Weltmeister." Ganz so weit kam es damals dann doch nicht.

"Sieg ist ein Muss"

Nun heißt es also wieder Deutschland gegen Katar. Mit Rafael Capote steht im Kader des Asienmeisters noch ein Überbleibsel aus der Mannschaft von 2015 und 2017. 2015 schoss der Kubaner im Trikot Katars Deutschland mit acht Treffern beinahe alleine aus dem Turnier, 2017 traf der wurfgewaltige Hüne sogar neunmal - und erzielte damit beinahe die Hälfte der Treffer seines Teams. "Katar hat eine technisch begabte und erfahrene Mannschaft, die auch körperlich sehr stark ist. Sie haben viel Wurf-Power aus dem Rückraum", sagte Bundestrainer Alfred Gislason nun.

Capote ist dabei, der 35-Jährige schultert weiter die Hauptlast des katarischen Angriffs. Vor allem, weil mit Frankis Carol Marzo der Torschützenkönig der letzten WM fehlt. 2021 war für Katar, das in Asien seit vielen Jahren unangefochten dominiert, im Viertelfinale Schluss, die deutsche Mannschaft hatte in Ägypten mit Rang zwölf die schlechteste WM-Platzierung seiner Geschichte eingefahren.

Katar ist nicht mehr so stark ist wie in den vergangenen Jahren. "Ein Sieg ist ein Muss - und würde uns mit Blick auf die weiteren Aufgaben definitiv helfen", sagte Bob Hanning, einer der Macher des letzten deutschen Handball-Märchens unter Sigurdsson, dem "Kicker".

"... aber das wird sich regeln"

Gislason aber warnte: "Fakt ist: Wir müssen über 60 Minuten ein richtig gutes Spiel machen, um sie zu schlagen." Das ist einer deutschen Mannschaft bei einer Weltmeisterschaft gegen Katar noch nie gelungen. Nun also ein neuer Anlauf. Auch in den letzten Tests gegen Island (30:31 und 33:31) hatte das DHB-Team jeweils deutliche Führungen binnen kurzer Zeit wieder hergeschenkt. Die Erkenntnis aus den beiden Spielen: Der zweite Anzug sitzt noch nicht so ganz richtig: "Wir sind in der Breite nicht so gut eingespielt. Aber das wird sich regeln, denn wir werden rotieren müssen", sagte der Bundestrainer denn auch. Vor allem der zu Großem fähige Spielmacher Juri Knorr muss sich bei seinem ersten großen Turnier in herausragender Rolle auf hohem Niveau stabilisieren müssen, will Deutschland etwas Zählbares erreiche.

"Wir brauchen eine aggressive und bewegliche Abwehr. Wenn wir das hinbekommen, können wir den gegnerischen Angriff unter Druck setzen und werden mit großer Sicherheit eine gute Torhüterleistung bekommen", Gislason. Detaillierter wollte er auf seine Überlegungen, wie die Katarer diesmal zu knacken sind, nicht eingehen, jedenfalls "nicht in einer Pressekonferenz. Die Katarer sind technisch ziemlich begabt, die können das hier natürlich auch aufnehmen."

Co-Trainer Erik Wudtke ging in seiner öffentlichen Analyse vor Turnierstart ins Detail: "Sie stellen ein gemischtes Team, mit zwei verschiedenen Rückraumreihen und verfügen dadurch über unterschiedliche Strategien. Eine Strategie ist eine wurforientierte, physisch sehr präsente Rückraumreihe mit Rafael Capote im linken Rückraum und Jovan Gachevic rechts, das sind echte Shooter. Die Alternative sind drei technisch versierte Rückraum-Angreifer, die sehr viel über Eins-gegen-eins-Situationen kommen."

"Müssen uns vor niemandem verstecken"

In der Abwehr vor Keeper Anadin Suljakovic (HSG Wetzlar, in Bosnien-Herzegowina geboren) wolle Katar "ständig für Unruhe zu sorgen und Stürmerfouls zu provozieren, um so zu Ballgewinnen und Gegenstoßtreffern zu kommen." Die 6:0-Abwehr, die die Mannschaft anbietet, dürfte dem deutschen Team, das traditionell Probleme mit offensiveren Abwehrformationen hat, dagegen entgegenkommen. Aber wie der Bundestrainer sagt: Will man nicht wieder einen schlimmen Tag gegen Katar erleben, geht das nur über eine konstante Leistung.

Zwei Spieler, die beide Katar-Traumata miterlebt haben, stehen auch 2023 im deutschen Kader: Rechtsaußen Patrick Groetzki und Rückraumspieler Paul Drux. Groetzki hatte 2017 Sekunden vor dem Schlusspfiff die große Chance auf den Ausgleich vergeben, Drux war 2015 als 19-Jähriger erstmals bei einem großen Turnier dabei. Nun, acht Jahre später, ist der Berliner einer der erfahrenen Spieler im Aufgebot - und optimistisch: "Wir haben eine hungrige und spielstarke Truppe", sagte Drux und richtete eine kleine Kampfansage an die Konkurrenz: "Wir gehen mit Demut an das Turnier, müssen uns aber vor niemandem verstecken."

Doch der Start in die Vorrunde, in der Deutschland noch auf Serbien (15.1.) und Algerien (17.1.) trifft, ist nun mal kompliziert: Fünfmal in Serie wurde man zuletzt Asienmeister und auch für die WM ist Superstar Capote optimistisch: "Die Farben Katars zu tragen, ist eine Sache des Stolzes", erklärte er Mitte Dezember gegenüber "The Peninsula" und ist sich sicher: "Wir glauben, dass wir alles haben, was nötig ist, um in unserer Gruppe weiterzukommen." Woran man sich aus deutscher Sicht auch erinnern sollte: 2016, eingerahmt von den beiden bittersten Niederlagen der jüngeren deutschen WM-Geschichte, schlug eine DHB-Auswahl im olympischen Viertelfinale den amtierenden Vizeweltmeister Katar - mit 34:22.

Quelle: ntv.de

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