Darts-Weltmeister wird zum Jäger Van Gerwen will Scotsman-Triple verhindern
15.12.2016, 10:15 Uhr
Topfavoriten unter sich: Gary Anderson (r.) und Michael van Gerwen.
(Foto: imago/Action Plus)
Gary Anderson ist Weltmeister. Doch als der große Gejagte bei der Darts-WM 2017 gilt er nicht – weil es Michael van Gerwen gibt. Auf wen Sie im "Ally Pally" achten müssen, der n-tv.de-Favoritencheck.
Die Favoriten
Michael van Gerwen. Mal ehrlich – muss man noch mehr sagen? Der 27-Jährige Niederländer ist derzeit die dominierende Figur der Dartswelt. Über 1,5 Millionen Pfund hat "Mighty Mike" in den letzten zwei Jahren mit dem Werfen von Pfeilen verdient und so ziemlich alles gewonnen, was man gewinnen kann. Da könnte man fast vergessen, dass der amtierende Weltmeister ein anderer ist: Der Schotte Gary Anderson. Gelingt ihm die Titelverteidigung, wäre "The Flying Scotsman" zum dritten Mal in Folge der König der Pfeilewerfer. Und: Man würde es ihm gönnen. Keiner wirft so smooth wie er, kaum ein Zweiter ist in der Lage, in brenzligen Matches so die Ruhe zu bewahren und konsequent sein Ding durchzuziehen. Die psychische Stärke könnte am Ende auch der entscheidende Vorteil sein - sollte es tatsächlich zu einem Traumfinale kommen. Und so beginnt Anderson schon vor der WM mit kleinen Psychospielchen: "Dass die Leute sagen, Michael ist der Beste, ist gut für mich. Es nimmt mir den Druck."
Natürlich darf auch Altmeister Phil Taylor bei Aufzählung der Topfavoriten nicht fehlen. Dazu gehört wenig Analysefähigkeit, es braucht nur blanke Zahlen: 28. WM-Teilnahme (viermal beim Verband BDO), 16 Titel, aus der Weltspitze nicht wegzudenken. Der 56-Jährige will in diesem Jahr die Schmach aus dem vergangenen Jahr wiedergutmachen: Damals scheiterte "The Power" im Achtelfinale. Unwürdig – mindestens das Halbfinale muss es diesmal sein. Der bunte Hund Peter Wright, Weltranglistendritter und seit einigen Jahren konstant in der Weltspitze unterwegs, wartet auf seinen ersten Titel. Bei der Weltmeisterschaft scheiterte der Schotte 2014 im Finale gegen van Gerwen, die letzten beiden Jahre jeweils im Achtelfinale gegen spätere Finalisten. Der WM-Titel fehlt ihm also noch – mit ein wenig Glück wäre das durchaus denkbar. Um als Top-Favorit zu gelten, mangelt es ihm aber an einem: Anders als Landsmann Anderson fehlt ihm das letzte Quäntchen Konstanz. Dass er unglaublich stark spielen kann, zeigt er regelmäßig. Aber eben nicht immer dann, wenn es darauf ankommt.
Die Mitfavoriten:
Sie heißen Adrian Lewis und James Wade, sind Nummer fünf und sechs der Weltrangliste. Lewis darf sich schon zweifacher Dartsweltmeister nennen (2011, 2012 – er ist unglaublich stolz darauf) und gilt nicht gerade als Publikumsliebling. Ab dem dritten Pint ist das aber auch den Fans im Ally-Pally egal. Fakt ist: Er will den Titel nach der Finalniederlage im vergangenen Jahr unbedingt. James Wade, nunja, er ist so etwas wie der brave Junge der Dartswelt. Unauffällig, immer vorne mit dabei, aber selten ganz oben. Der Gewinn der Premier-League 2009 und diverse WM-Halbfinals waren bisher das höchste der Gefühle. Sein größter Erfolg: Er hat ein Walk-On Girl geheiratet. Kleiner Scherz.
Die Außenseiter:
Raymond van Barneveld gelang im vergangenen Jahr die Sensation: Er warf Landsmann und Top-Favorit auf van Gerwen im Achtelfinale aus dem Turnier. Das zeigt: Er ist immer für eine Überraschung gut. "Barney" hat in den vergangenen Jahren an Schwung verloren. Es wirkt häufig so, als sei er nicht ganz bei der Sache. Sein letzter WM-Titel liegt schon zehn Jahre zurück (2007, der einzige bei der PDC, davor gewann er vier Mal den BDO-Titel). Mit Platz 12 der Weltrangliste bewegt sich der Niederländer derzeit auch außerhalb der absoluten Weltklasse-Spieler. Gerade das könnte ihn jedoch gefährlich machen. In Runde drei bei der WM 2017 könnte Barneveld auf Adrian Lewis treffen, im folgenden Viertelfinale auf Phil Taylor. Sollte er das überstehen, hätte er die Sensation bereits geschafft.
Auch Barneys Landsmann Jelle Klaasen spielte 2016 eine sensationelle WM. Er schmiss im Achtelfinale spektakulär Phil Taylor aus dem Turnier, fing sich dann allerdings im Halbfinale eine 0:6 Klatsche gegen Weltmeister Anderson ein (der warf in dem Match sogar einen Neun-Darter). Klaasens Problem: Er wird zu leicht unkonzentriert, wenn es nicht läuft. Das ist beim Darts fatal. Sein großer Pluspunkt: "The Cobra" schnappt zu, wenn er eine Schwäche beim Gegner wittert. Große Titel hat Klaasen – abgesehen vom BDO-Weltmeistertitel 2006 – noch nicht gewinnen können. Der 32-Jährige könnte gerade deshalb so etwas wie der Geheimfavorit der WM sein, wäre da nicht das Viertelfinalduell, in dem er Titelverteidiger Anderson gegenüberstehen könnte. Doch mit dem hat er ja noch eine Rechnung offen.
Michael Smith ist der "Bully Boy". Vor drei Jahren ließ der 26-Jährige mächtig aufhorchen, als er den legendären Phil Taylor in der zweiten Runde mit 4:3 bezwang und dann im Achtelfinale nur ganz knapp an Peter Wright scheiterte (3:4). Bei der letzten WM überzeugte der Bühnen-Hooligan erneut und lieferte sich im Viertelfinale einen starken Fight mit Raymond van Barneveld. In diesem Jahr wurde der Weltranglisten-Elfte dann folgerichtig erstmals zur Premier League Darts eingeladen, ging dort aber mit nur einem Sieg sang- und klanglos unter. Dennoch: Findet der "Bully Boy" gut ins Turnier, kann er richtig heißlaufen, so wie 2014.
Den nervösesten Finger in der Darts-Weltspitze hat Mensur Suljović. Wohl kein anderer Spieler auf der Welt bietet in der Wurfvorbereitung ein so auffälliges Zeigefinger-Theater wie der Österreicher. Was einen schon beim Zuschauen in den Wahnsinn treiben kann, hat Suljović zu einem der besten Spieler überhaupt gemacht. Bis auf Platz 8 hat sich der 44-Jährige in der "Order of Merit" nach oben gespielt. Im vergangenen Jahr schaffte er es erstmals unter die besten 30, 2016 spielte er sich zwischenzeitlich bis auf Platz sieben nach vorne. Im September gewann er bei den International Darts Open in Riesa sein erstes PDC-Turnier. Suljović könnte also mit breiter Brust nach London fahren – wäre da nicht seine katastrophale Bilanz im "Ally Pally". Bei acht Teilnahmen seit 2008 kam er nur zweimal ins Achtelfinale, scheiterte ebenso oft in Runde zwei und gar vier Mal bereits direkt im ersten Match. Dabei müsste er eigentlich gute Nerven haben, im Softdarts gewann er bis 2005 drei WM-Titel.
Die Deutschen
Anders als in den vergangenen Jahren sind diesmal nur zwei Deutsche im "Ally Pally" dabei: Hoffnungsträger Max Hopp und Debütant Dragutin Horvat. Hopp ist trotz seines jungen Alters, gerade einmal 20, zum vierten Mal bei der WM am Start. Doch bislang hat er erst einmal die erste Runde überstanden, vor zwei Jahren. Damals schied er deutlich (0:4) gegen den Niederländer Vincent van der Voort aus. In diesem Jahr treffen sich beide wieder, direkt zum Auftakt. Und Hopp fühlt sich bereit: "Es ist keine leichte, aber auch keine unlösbare Aufgabe", sagte der "Maximiser" dem TV-Sender Sport 1. Zum ersten Mal auf der größten aller Darts-Bühne wird sich Horvat am 20. Dezember präsentieren. In der Qualifikation für die erste Runde trifft der 40-Jährige auf den Russen Boris Koltsov. Bei einem Sieg käme es dann zum Duell mit dem Australier Simon Whitlock. Der bis vor kurzem noch gänzlich unbekannte Horvat hat sich im September erstmals in den Fokus gespielt, als er bei den International Darts Open in Riesa gegen Ricky Evans, Gerwyn Price und Ian White gewann, ins Viertelfinale einzog, dort aber gegen die Nummer 13 der Welt, Kim Huybrechts, unterlag. Noch ist Horvat Amateur, ganz anders als die Weltspitze, aber vor der WM gab er bei Sport1 ein Versprechen ab: "Wenn ich im Ally Pally im Viertelfinale stehe, werde ich Profi." Auf dem Weg dorthin müsste er aber wohl im Achtelfinale ausgerechnet Michael van Gerwen schlagen …
Quelle: ntv.de