"Einfach ein Scheiß-Wettkampf" Verkrampfter Storl stürzt ins Kugel-Chaos
07.08.2017, 14:59 Uhr
Schlecht gestoßen: David Storl erlebt bei der WM in London eine gewaltige Enttäuschung.
(Foto: REUTERS)
Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 kann David Storl sein schwaches Abschneiden noch erklären, ein Jahr später bei der Leichtathletik-WM in London ist der Kugelstoßer ratlos. Das einstige Wunderkind bereitet dem DLV mehr und mehr Sorgen.
David Storl, dieser 1,98 m große und 125 kg schwere Berg von einem Kugelstoßer, wirkte auf einmal sehr zerbrechlich. Müde an ein Gatter gelehnt, suchte Storl in den Katakomben des Londoner Olympiastadions nach Erklärungen für sein WM-Debakel. Allein, er fand keine. Aus dem einstigen Wunderkind ist ein Sorgenkind der deutschen Leichtathletik geworden.
"Ich war mir sicher, dass es klappt. Aber es ging halt nicht", sagte der 27-Jährige, nachdem sein Traum von der vierten Weltmeisterschafts-Medaille, dem dritten Titel, bereits zur Halbzeit des Finales geplatzt war: "Es war mein drittschlechtester Wettkampf in diesem Jahr, das darf bei einer WM nicht passieren." Im Vorjahr hatte der Leipziger nach vielen Verletzungsproblemen Platz sieben bei Olympia in Rio belegt - eine Enttäuschung, aber eine nachvollziehbare. Nun reichte es nach starker Vorleistung und guter Vorbereitung nur zum zehnten Platz und nicht einmal zum Endkampf der besten Acht.
Mit 20,80 m blieb der zweimalige Weltmeister rund einen Meter unter seinem Saisonbestwert, der neue Champion Tom Walsh aus Neuseeland (22,03) sowie Joe Kovacs (USA/21,66) und Stipe Zunic (Kroatien/21,46) auf den weiteren Medaillenrängen wären für einen "normalen" Storl durchaus in Reichweite gewesen. "Ach, Konjunktiv ist nicht so meine Lieblingssprache", sagte Storl: "Ich habe einfach einen Scheiß-Wettkampf gemacht. Das ist kein Riesen-Drama, das kann passieren. Seit 2009 bin ich bei jedem großen Wettkampf dabei, da darf auch mal einer kommen, der mal nicht so gut war."
Verkrampft ins Kugel-Chaos
Rätsel gibt allerdings die Art und Weise auf, in der Storl dort unterging, wo er 2012 noch Olympiasilber geholt hatte: Der Sachse war fit, glänzte als Zweiter (21,41) in der Qualifikation, nagelte die Kugel im Einstoßen unmittelbar vor dem Finale noch mehrfach an die 22-Meter-Marke - und verlor dann völlig den Faden, als es ernst wurde. Die Leichtigkeit war schlagartig verschwunden, Storl wollte alles, verkrampfte. Ungültig der erste Versuch, ungültig der zweite, zu kurz dann unter Druck der dritte.
Storl solle nicht mehr der liebe David sein, sondern "böse" werden und auftreten, hatte ihm sein neuer Mentalcoach Matthias Große, Lebensgefährte von Rekord-Olympionikin Claudia Pechstein, eingeimpft. Ging das gezielte Bemühen um demonstrativ selbstbewusstes Auftreten in London nach hinten los? "Das war kein mentales Problem, sondern eine technische Katastrophe", sagte Storl. Vor allem die sportliche Leitung um seinen Trainer Sven Lang muss den wankenden Riesen nun wieder hinbekommen, auch wenn Lang selbst zunächst vor einem Rätsel stand. "Wie will man jemanden nach so einem Wettkampf aufbauen?", fragte der langjährige Wegbegleiter.
Mit 27 ist Storl für einen Stoßer immer noch jung, wenn sein notorisch malades Knie hält, ist eine goldene zweite Karriere-Hälfte immer noch möglich. Bis zur nächsten WM 2019 in Doha ist es weit hin, die Heim-EM im kommenden August in Berlin wird eine reizvolle Zwischenstation. Die Zeit, alles auf links oder zumindest an einigen Schrauben zu drehen, hat Storl.
Quelle: ntv.de, Kristof Stühm & Christoph Leuchtenberg, sid