Mauer des Schweigens bröckelt Fifa-Funktionär Webb will auspacken
17.07.2015, 20:38 Uhr
Medienberichten zufolge soll Jeffrey Webb an die USA ausgeliefert worden sein.
(Foto: imago/Fotoarena International)
Im Fifa-Skandal übergibt die Schweiz den ehemaligen Vizepräsidenten Jeffrey Webb an die USA. Seine frühe Auslieferung spricht für Kooperationsbereitschaft. Auch Aaron Davidson soll bereits einen Deal mit den Anklagebehörden aushandeln.
Nun müssen alle Verdächtigen und Mitwisser zittern. Denn im Korruptionsskandal beim Fußball-Weltverband Fifa wurde der erste Topfunktionär an die USA ausgeliefert. Dabei handelt es sich um den früheren Fifa-Vizepräsident Jeffrey Webb von den Kaimaninseln. Die Staatsanwaltschaft New York bestätigte bei einer Voranhörung vor Gericht, dass Webb sich in den USA befinde und einen Anwalt genommen habe. Einen Zeitpunkt für die Anhörung Webbs gibt es allerdings noch nicht - die Verhandlung des Fifa-Funktionärs könne "mehrere Monate" in Anspruch nehmen. Die Aussagen des neuen Kronzeugen könnten für große Teile des Establishments bis zur Spitze gefährlich werden.
"Lieblingszögling" Blatters
Webb gehörte zu den sieben Ende Mai vor dem Kongress des Fußball-Weltverbandes in Zürich verhafteten Funktionären, er war allerdings der einzige, der sich nach Angaben des Schweizer Bundesamtes für Justiz mit seiner Überstellung an die US-Justiz einverstanden erklärt hat. Webbs Anwalt Edward O'Callaghan soll mit den Ermittlern eine Vereinbarung getroffen haben, die auch eine Kooperation des früheren Chefs des Kontinentalverbandes CONCACAF (Nord- und Mittelamerika sowie Karibik) mit der Justiz beinhaltet.
Webb wird von der US-Justiz wie acht weitere Topfunktionäre aus Gremien der Fifa, der CONCACAF oder des CONMEBOL (Südamerika) und fünf Vermarkter wegen Beteiligung an Verschwörung, Betrug, Bestechung und Geldwäsche angeklagt. Er wäre im Falle seiner tatsächlichen Bereitschaft zur Mitarbeit bei der Aufklärung ein wertvoller Zeuge.
Der ehemalige Bankier hatte 2012 in der CONCACAF seinen ebenfalls angeklagten Vorgänger Jack Warner (Trinidad und Tobago) als Präsident abgelöst und gehörte seit dem gleichen Jahr auch der FIFA-Exekutive an. Bis zu seiner Festnahme in Zürich galt Webb auch als ein "Lieblingszögling" des Schweizer Fifa-Bosses Joseph S. Blatter.
Unabhängig von der Identität der auslieferungswilligen Person dürften die angeklagten Fußball-Manager derzeit unruhige Tage erleben. Den Gepflogenheiten des US-Rechtssystems zufolge gilt die Zustimmung einer im Ausland inhaftierten Person zur Auslieferung in die USA als eindeutiges Zeichen zur Kooperationsbereitschaft - als Gegenleistung für eine Strafmilderung.
Fifa als Mafia ähnlich bezeichnet
Mit welcher Erwartungshaltung die US-Ermittler ihrem hochrangigen Häftling begegnen dürften, ließ bei der Anhörung des US-Senats zum Fifa-Skandal Senator Richard Blumenthal erahnen. Der Demokraten-Obmann bezeichnete die Fifa in seinem Eröffnungsstatement "als Mafia ähnliches Syndikat". Außerdem sagte er: "Mich lässt die Formulierung alleine etwas zögern, dass ein Vergleich der Fifa mit der Mafia fast eine Beleidigung für die Mafia wäre, denn die Mafia würde ihre korrupten Geschäfte niemals in einer solch himmelschreiend unverdeckten und arroganten Weise abwickeln".
Das Schweizer Bundesamt für Justiz stellt im Zusammenhang mit den bestätigten Befragungen der Häftlinge eine Entscheidung erst für August in Aussicht. Neben Webb hatte die Schweizer Polizei Ende Mai auf US-Antrag auch den damaligen Fifa-Vizepräsident Eugenio Figueredo (Uruguay), Costas Ricas Verbandschef Eduardo Li, Nicaraguas früheren Fußball-Boss Julio Rocha, Warners britischen Ex-Attaché Costas Takkas, den venezolanischen Verbandsboss Rafael Esquivel und Brasiliens früheren Verbandspräsidenten José Maria Marin festgenommen.
Auch Verhandlungen mit Aaron Davidson
Und die Mauer des Schweigens im Fifa-Skandal könnte weitere Risse bekommen. Wie die "New York Times" berichtet, soll der Marketingverantwortliche Aaron Davidson mit den Anklagebehörden wegen einer Strafminderung verhandeln. Das gehe aus einem Brief hervor, den der zuständige Richter den anderen 13 Angeklagten geschickt habe, um sie über neue Informationen in Kenntnis zu setzen.
Davidson war im Mai in Miami im US-Bundesstaat Florida festgenommen worden. Er darf gegen eine Kaution von fünf Millionen Dollar bis zum Prozessbeginn auf freiem Fuß bleiben. Die "New York Times" zitiert aus dem Brief des Gerichts an die Angeklagten auch die Art von Informationen, die die Strafverfolger inzwischen angesammelt haben: "Tonmitschnitte in mehreren Sprachen, Bank- und Überweisungs- und andere finanzielle Dokumente, Verträge in mehreren Sprachen, E-Mails, SMS-Nachrichten, andere Schriftwechsel in mehreren Sprachen, Tagungsprotokolle, Reisedokumente und handgeschriebene Notizen". Alle Dokumente seien in Miami im Zuge von Davidsons Festnahme beschlagnahmt worden.
Währenddessen pocht Wolfgang Niersbach auf die baldige Neuwahl eines Nachfolgers von Fifa-Boss Joseph S. Blatter. "Ich erwarte eine Terminierung für den Dezember, noch vor Weihnachten", sagte der Chef des Deutschen Fußball-Bundes. Das Fifa-Exekutivkomitee gibt am Montag, 20. Juli, die Entscheidung über das Datum des außerordentlichen Wahl-Kongresses bekannt. Blatter hatte am 2. Juni im Zuge des Korruptionsskandals seinen Rücktritt angekündigt und so den Weg frei gemacht für die außerordentliche Versammlung der 209 Fifa-Verbände.
Quelle: ntv.de, kpi/sid/dpa