F1-Rookie Nicholas Latifi Der große Kampf gegen den Milliarden-Makel
30.08.2020, 08:37 Uhr
"Es ist kein Geheimnis, dass Fahrer wie Lance und ich aus einem privilegierten Umfeld kommen."
(Foto: HOCH ZWEI/Pool/Williams Racing)
Ob es nun das Geld seines Vaters war, das ihm einen Platz in der Formel 1 beschert hat, oder nicht - es macht die Fahrt gegen Größen wie Hamilton, Vettel und Teamkollege George Russell nicht leichter. Trotzdem will Nicholas Latifi um Titel kämpfen.
"Ich wäre nicht da, wo ich jetzt bin, wenn ich nicht daran glauben würde, dass ich das Zeug dafür habe, das Ultimative zu erreichen. Das war zuerst das Erreichen der Formel 1." Dass Nicholas Latifi in der Formel 1 ganz richtig ist, zeigte er beim Qualifying zum Großen Preis von Ungarn. Dort gelang ihm mit seinem Rennstall Historisches. Williams schaffte es erstmals seit zwei Jahren mit zwei Fahrern in Q2, also unter die besten 15 der Startaufstellung. Sowohl George Russell als auch Nicholas Latifi waren auf dem Hungaroring schnell genug - und durften weiter mitfahren.
"Hinten mitzufahren ist anders, man muss seine Erwartungen anpassen." Wo andere Fahrer um einen Platz auf dem Podium kämpfen, sind kleine Erfolge wie die in Budapest solche, die Latifi antreiben, verrät er im RTL-Interview. Der Kanadier startete mit 25 Jahren seine Formel-1-Karriere in der Corona-Notsaison. Er schnappte sich die Startnummer 6 und trat damit in die großen Fußstapfen des deutschen Formel-1-Fahrers Nico Rosberg. In den ersten sechs Rennen war er immer einer der letzten, die das Ziel erreichten.
Doch Latifi ist deswegen nicht weniger ambitioniert als die anderen Fahrer: "Auch wenn es nur für Platz 15 oder 14 ist, die Ziele sind die gleichen, du willst angreifen und du willst einen anderen Fahrer schlagen." Ganz oben auf der Liste der Konkurrenten: Teamkollege George Russell. Der 22-Jährige fährt schon ein Jahr länger in der Formel 1, hat die überlegene Geschwindigkeit, lag immer vor seinem Latifi, wenn beide das Ziel erreichten. Es sind oft nur wenige Sekunden, die die beiden voneinander trennen, das weiß auch Latifi: "Die Lücke scheint kleiner zu werden. Wir arbeiten gut zusammen, was gut fürs Team ist. Ich hoffe, ich kann ihn noch mehr pushen im Qualifying."
Ihr Team, Williams Racing, das ist in der Formel 1 nicht irgendein Name. Das Traditionsteam aus dem englischen Grove dreht in der Königsklasse seit 1977 seine Runden. Ayrton Senna, Alain Prost, Nigel Mansell - früher fuhren die ganz Großen für Williams. Damon Hill und Jacques Villeneuve holten ihre WM-Titel für den ruhmreichen Rennstall im Kampf gegen Michael Schumacher. Williams liegt mit neun Weltmeistertiteln hinter Ferrari (16 Titel) auf Platz zwei der besten Konstrukteure. Der bislang letzte Titel gelang 1997, als der Kanadier Jacques Villeneuve auch die Fahrer-WM für das britische Team gewann.
Geld oder Talent
Die Formel 1 war und ist ein unglaublich kostspieliges Vergnügen. Für Teams, Sponsoren, aber auch für die sogenannten "Paydriver". Sie - respektive ihre Geldgeber - blättern mehrere Millionen hin, um ein Cockpit in der Motorsport-Königsklasse zu ergattern. Auch der Kanadier Latifi wurde schnell in diese Schublade gesteckt, als er bei Williams ans Lenkrad griff.
Der Vater des Formel-1-Debütanten, Michael Latifi, ist Eigentümer einer in Kanada ansässigen Lebensmittelfirma - und Multi-Milliardär. "Geld hilft in der Formel 1 immer weiter", sagt RTL-Experte Christian Danner. Den gleichen Weg ging 2017 auch Lance Stroll, der aus ähnlichen Verhältnissen stammt wie Latifi. Mittlerweile ist Stroll beim Team Racing Point gelandet, bei dem sein Vater Lawrence Anteilseigner ist. Im nächsten Jahr wird die Mannschaft als Aston-Martin-Werksteam an der Start gehen. Auch an der Edel-Marke hält Papa Stroll Anteile.
"Es ist kein Geheimnis, dass Fahrer wie Lance und ich aus einem privilegierten Umfeld kommen", gibt Latifi zu. Gleichzeitig verweist er auf das System der F1, das dafür sorgt, dass die Fahrer die es dahin geschafft haben, es verdienen, dabei zu sein. "Ich bin mehr als qualifiziert für die Superlizenz. Ich verdiene es zu 100 Prozent hier zu sein." Ein Paydriver ist nicht zwangsläufig ein Fahrer ohne Talent, stellt Danner klar: "Nicholas Latifi war letztes Jahr Vizemeister in der Formel 2, Stroll hat 2016 souverän die Formel 3 gewonnen. Das sind richtig gute Rennfahrer."
Latifi wohl bis 2022 bei Williams
Während seiner Formel 2-Zeit hatte Latifi zwei extrem gute Jahre, aber auch zwei sehr schwierige, mit Tiefpunkten an denen er dachte: "Vielleicht ist es nicht möglich für mich, die Formel 1 zu erreichen." Es seien die Jahre, in denen er am meisten über sich gelernt habe, nicht nur als Fahrer, sondern auch als Mensch. Er glaubt, dass der mentale Aspekt, der Umgang mit Rückschlägen, vielleicht wichtiger seien als die eigentlichen Fähigkeiten als Fahrer. Er blickt hinauf zu Legenden wie Michael Schumacher, am siebenfachen Weltmeister beeindruckt ihn besonders dessen Arbeitsmoral.
In der Saison 2021 kann Latifi die Rennstrecke mit einem Piloten teilen, der ebenfalls zu seinen Idolen zählt: Fernando Alonso. Der Spanier kehrt dann für Renault in die Formel 1 zurück. Latifi hat seinen Platz schon, sowohl er als auch Russell fahren auch im kommenden Jahr für Williams. Es wird vermutet, dass Latifi einen Dreijahresvertrag unterzeichnet hat, wonach er bis mindestens Ende 2022 für den britischen Rennstall an den Start geht.
Da die große Regel-Revolution auf 2022 verschoben ist, bleibt Williams allerdings wie in diesem Jahr eines der schwächsten Teams. Deshalb heißt es für den Rookie weiterhin: "Eigene Motivationen kreieren." Kleine Erfolge und Verbesserungen zu feiern, das eine oder andere Mal Russell zu schlagen - es sind Zeichen von Fortschritt. Genauso wie das Erreichen von Q2, Q3, also die Ausscheidung der besten Zehn, wäre für Latifi "ein Traum"!
"Ich glaube, ich wäre nicht in der Formel 1, wenn ich nicht glauben würde, dass das möglich ist. Gleichzeitig weiß ich, dass es eine lange Reise dahin ist." Latifi redet bereits von seinem neuen ultimativen Ziel: Formel-1-Weltmeister zu werden.
Quelle: ntv.de