Kritische Situation vor Heimspiel Die Zweifel an Vettel wachsen
30.08.2016, 11:55 Uhr
Der Druck auf Sebastian Vettel wächst.
(Foto: dpa)
Ferrari freut sich auf das Heimspiel in Monza - so war's in der Vergangenheit. Doch vor dem Formel-1-Grand-Prix in Italien wird dem Rennstall die Liebe entzogen. Und die Kritik der Öffentlichkeit richtet sich gegen den eigentlich als Heilsbringer verehrten Sebastian Vettel.
Den Blick in Italiens Zeitungen sollte Sebastian Vettel sich in diesen Tagen sparen. Vor dem Heimspiel in Monza am Sonntag (14 Uhr bei RTL und im n-tv.de-Liveticker) ist der Druck ohnehin gewaltig, die Enttäuschung ist groß im Ferrari-Land. Und der Deutsche wird längst nicht mehr von allen als Heilsbringer für die strauchelnde Scuderia gesehen - nach anderthalb gemeinsamen Jahren wird der Ton rauher.
Vettel sei zuletzt "nervös und ungenau" gewesen, schreibt etwa die "Gazzetta dello Sport" und gab dem viermaligen Weltmeister die Note 5 für das vergangene Rennen in Spa - "insufficiente", das ist auch im italienischen Schulsystem nicht mehr ausreichend. Und Italiens größte Sportzeitung stand nicht alleine da mit ihrem Urteil. Nahezu alle bedeutenden Blätter gaben Vettel die Schuld am Crash in Kurve eins des belgischen Grand Prix mit Teamkollege Kimi Räikkönen und Red-Bull-Pilot Max Verstappen.
Das ist bemerkenswert, denn der Rest der Formel-1-Welt hatte ziemlich einstimmig den Niederländer für den Unfall verantwortlich gemacht, der das Rennen aller Beteiligten ruinierte. Doch Vettel ist nicht mehr unumstritten in Italien. Noch vor anderthalb Jahren war er euphorisch empfangen worden, mit Eifer und großem Talent sollte er helfen, die Scuderia wieder zur ersten Adresse der Königsklasse zu machen. Parallelen zur Ferrari-Ära seines Vorbilds Michael Schumacher waren schnell hergestellt. Vettel präsentierte sich zugänglich, lernte in beeindruckendem Tempo Italienisch und kam einfach gut an.
Vettel, ein Nervenbündel?
Doch im zweiten gemeinsamen Jahr hat sich vieles geändert. Kein Sieg in dieser Saison und weiterhin ein großer Rückstand auf Branchenführer Mercedes. Dazu ein Vettel, der oft dünnhäutig reagiert, auch einen Rundumschlag gegen die italienische und deutsche Presse erlaubte er sich in diesem Sommer. All das wird kritisch begleitet. Es häufen sich die Kommentare, Vettel bringe riesiges Talent mit, komme nun mit den schwierigen Umständen aber nicht zurecht und verliere die Nerven. Auch der redselige Ferrari-Chef meldete sich in diesen Tagen mal wieder zu Wort, und Sergio Marchionnes Aussagen klangen nicht ermutigend. "Jeder von uns muss gehen, wenn der Erfolg nicht stimmt", sagte der 64-Jährige.
Das Problem für Vettel und die Scuderia: Es fehlen jegliche Argumente. Mercedes ist außer Reichweite, mittlerweile ist auch Red Bull Racing in der Gesamtwertung vorbeigezogen. Immer wieder gab es in diesem Jahr zwar Anzeichen für einen Aufwärtstrend, doch zuletzt verhinderten stets technische Probleme oder einfach Pech die nötigen Erfolge. Auch in Belgien war bei genauem Hinsehen durchaus nicht alles schlecht. "Wir können Spa erhobenen Hauptes verlassen, der Speed war da, normalerweise wären wir hinter Mercedes reingekommen", sagte Vettel und hatte recht.
Und sogar die kritische "Gazzetta dello Sport" wies auf diesen positiven Aspekt hin, die Leistung des SF16-H im ersten Rennen nach der Sommerpause war ein Mutmacher. In Spa sei "der beste Ferrari des Jahres" leer ausgegangen, schrieb das Blatt, "es bewegt sich etwas am Ferrari-Firmament". Werden diese vorsichtigen Hoffnungen in Monza erneut enttäuscht, dürfte es ungemütlich werden. Doch das Rennen ist auch eine große Chance für Vettel und Co. - ein erfolgreiches Heimspiel könnte vieles überstrahlen in diesem verlorenen Jahr.
Quelle: ntv.de, Thomas Weitekamp, sid