Formel1

"Riesiger Fehler" mit FolgenMcLaren muss erschreckende Selbst-Sabotage eingestehen

01.12.2025, 05:42 Uhr tsiTorben Siemer
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Als das Safety-Car zum Einsatz kommt, fahren nur die McLaren nicht an die Box. (Foto: IMAGO/PsnewZ)

Erstmals seit 2010 können beim letzten Rennen der Formel-1-Saison noch drei Fahrer Weltmeister werden. Für Max Verstappen und Red Bull ist allein das ein riesiger Erfolg. McLaren muss sich jedoch fragen, warum Lando Norris und Oscar Piastri leer auszugehen drohen.

Schon auf dem Weg zurück in die Boxengasse war Oscar Piastri "sprachlos", auch nach dem Aussteigen hatte sich daran nichts geändert: "Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll." Ein Gefühl, mit dem der australische McLaren-Pilot keineswegs allein war. Die Entscheidung seines Teams, die frühe Safety-Car-Phase beim Großen Preis von Katar nicht für Boxenstopps zu nutzen, sorgte weltweit für Fassungslosigkeit. McLaren-Boss Zak Brown hatte daher auch keine andere Wahl, als das Offensichtliche einzugestehen und von einem "riesigen Fehler" zu sprechen.

"Wir haben seinen Sieg und Landos Podiumsplatz weggeworfen", sagte Brown, nachdem Piastri als Zweiter und Norris als Vierter ins Ziel gekommen waren. "Wir sind im Moment alle angefressen." Es wirkt fast, als würde McLaren versuchen, den sicher geglaubten WM-Titel tatsächlich noch aus der Hand zu geben. Denn auch Teamchef Andrea Stella resümierte: "Wir hatten heute das schnellste Auto und die Fahrer haben einen großartigen Job gemacht", aber "als Team haben wir sie im Stich gelassen". Von außen sieht es aus wie Selbst-Sabotage.

Allen voran bei Piastri, dessen WM-Chancen nach dem im vorletzten Grand Prix der Saison auf ein Minimum geschrumpft sind. Denn der große Profiteur von McLarens Versagen war - wie schon bei der Doppel-Disqualifikation in Las Vegas - natürlich Max Verstappen. Der Titelverteidiger geht überraschend mit nur noch 12 Punkten Rückstand auf Norris ins Finale am kommenden Sonntag. Piastri liegt weitere vier Punkte dahinter nur noch auf Platz drei der Fahrerwertung.

Red Bull weiß um das große Geschenk von McLaren

Der Red-Bull-Superstar nutzte seinen strategischen Vorteil souverän, dominierte das Rennen in Lusail und hat tatsächlich in Abu Dhabi die Chance auf seinen fünften WM-Triumph in Serie. Nach zwischenzeitlich über 100 Punkten Rückstand und in einer Saison, in der McLaren das klar bessere Auto hat - aber sich immer wieder selbst im Weg steht. Dahingehend war die katastrophale Entscheidung, Piastri und Norris in der Safety-Car-Phase nicht an die Box zu rufen, symptomatisch. "Wir haben nicht erwartet, dass wirklich alle reinkommen", gestand Teamchef Andrea Stella.

Piastri hatte seine Pole Position behauptet und das Rennen angeführt, als Nico Hülkenberg seinen Sauber in der siebten Runde infolge eines Zusammenstoßes mit Alpine-Fahrer Pierre Gasly so abstellen musste, dass das Safety-Car ausrückte. Zur Überraschung aller fuhren die McLaren an der Boxeneinfahrt vorbei, während alle anderen Autos danach abbogen und sich frische Reifen abholten. Was in Katar umso bedeutsamer dadurch war, dass die Rennleitung mindestens zwei Stopps vorgeschrieben hatte. Mehr als 25 Runden durfte ein Reifen aus Sicherheitsgründen nicht gefahren werden.

Und so lagen Piastri und Norris zwar vorn, als das Rennen wieder freigegeben wurde. Aber der Dritte Verstappen wusste, dass er bei seiner Jagd kein allzu großes Risiko eingehen musste. "Mit dem ersten Stopp zur richtigen Zeit war der Sieg praktisch besiegelt", sagte Red-Bull-Berater Helmut Marko und veranschaulichte damit das Ausmaß des Fehlers beim großen WM-Konkurrenten. McLaren-Boss Brown bestätigte das indirekt, indem er Verstappen zwar "ein tolles Rennen" attestierte, aber unmittelbar danach auch konstatierte: "Wir haben es ihnen wirklich geschenkt."

Schließlich war Piastri an diesem Wochenende klar der schnellste Fahrer im Feld gewesen. Er hatte jede Session gewonnen: Training, Sprint-Quali, Sprint und Qualifying. Er hatte seine Verfolger am Start souverän hinter sich gehalten und war auf dem besten Weg, in der Fahrerwertung auf Norris aufzuholen und Verstappen zu distanzieren. Schließlich ist Überholen auf dem eigentlich für Motorrad-Rennen konzipierten Kurs in Katar kaum möglich.

Erst Las Vegas, jetzt Lusail

"Wir haben es nicht hinbekommen", sagte Piastri anschließend, die Frustration darüber war ihm deutlich anzumerken: "Ich habe das Gefühl, dass ich keinen Fehler gemacht habe." Deshalb werde man die Gründe für das enttäuschende Rennergebnis "als Team diskutieren müssen", so der Australier, der an diesem Wochenende seine Formschwäche endlich überwunden hatte und erstmals seit Monaten wieder wie ein WM-Kandidat aufgetreten war. Die augenscheinlich als Entschuldigung zu verstehende Umarmung von McLaren-Boss Brown im Fahrerlager dürfte deshalb kaum tröstlich gewirkt haben.

Schon in der Vorwoche in Las Vegas hatte McLaren seine Fahrer in Probleme gebracht: Auf dem anspruchsvollen Stadtkurs in der Casino-Hochburg war das Team von der massiven Beanspruchung des Unterbodens überrascht worden, die zur Disqualifikation beider Autos geführt hatte. In Katar war es jetzt ein Strategie-Fehler, der Verstappen als gefühlten Favoriten zum Saisonfinale nach Abu Dhabi anreisen lässt.

"Ich hätte auch reinkommen sollen, oder?", hatte Norris an die Box gefunkt, ehe er sich an die Schadensbegrenzung machte. In der letzten Runde zog er noch Kimi Antonelli vorbei, nachdem der Mercedes-Rookie von der Ideallinie abgekommen war, und nimmt deshalb immerhin 12 statt nur 10 Punkten Vorsprung mit in die Vereinigten Arabischen Emirate.

"Jetzt ist alles möglich", sagte Verstappen dagegen, der sich auf die Rückkehr an den Ort seines vielleicht größten Triumphs freute. In Abu Dhabi hatte er im skandalösen Finale der Saison 2021 in der allerletzten Runde den bis dahin im Rennen und in der WM führenden Lewis Hamilton überholt und den ersten von inzwischen vier Titeln eingefahren.

Verstappen und Piastri müssen auf Vettel-Schicksal setzen

In diesem Jahr ist es im finalen Grand Prix allerdings ein Dreikampf um den WM-Titel, erstmals seit 2010. Für wen das ein gutes Omen ist, kommt auf die Deutung der damaligen Ereignisse an. Verstappen wird sicherlich hoffen, wie damals sein Red-Bull-Vorgänger Sebastian Vettel mit einem Sieg und dank schwächelnder Konkurrenten zum ersten Mal überhaupt in der Saison die Führung in der Fahrerwertung zu übernehmen und sich zum Weltmeister zu krönen.

Oscar Piastri dürfte dagegen eher darauf spekulieren, dass wie vor 15 Jahren der Fahrer am Ende in der Gesamtwertung vorn liegt, der als Dritter anreist. Wie Vettel damals, der außerdem seinen Teamkollegen (Mark Webber) überholte und trotz scheinbar unüberwindbarem Rückstand auch den Führenden Fernando Alonso im Ferrari noch hinter sich ließ.

Und Norris? Setzt vielleicht darauf, wie Verstappen 2021 in einem dramatischen Endspurt im entscheidenden Moment die Ruhe zu bewahren und Platz 1 zu verteidigen. Auf Hilfe von Piastri braucht er dabei jedoch nicht zu spekulieren. Einer Teamorder erteilte Teamchef Stella noch in Katar eine recht deutliche Absage: "Ich denke, wir müssen respektieren, dass Oscar seine Chance auf den Titel hat, und deshalb werden wir sie frei fahren lassen." Es würde zu McLarens Entscheidungen in diesem WM-Endspurt passen, wenn auch aus dieser Maßgabe ein neues Problem erwächst. Und Verstappen, der doch das ganze Jahr über eigentlich chancenlos war, das auszunutzen weiß.

Quelle: ntv.de

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