
Newey beim Großen Preis von Japan Anfang April.
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Der nahende Abgang von Design-Ikone Adrian Newey droht Red Bull schwer zu treffen. Formel-1-Experte Christian Danner sieht sogar Anzeichen, dass Weltmeister Max Verstappen daraus Konsequenzen ziehen könnte. Mercedes, Ferrari und Aston Martin haben die Fühler schon ausgestreckt.
Die offizielle Bestätigung steht noch aus, doch die Berichte in deutschen und englischen Medien lassen kaum einen anderen Schluss zu: Adrian Newey verlässt allem Anschein nach tatsächlich Red Bull Racing. Dessen Führungsetage soll der legendäre Designer bereits über seine Absichten informiert haben, es scheint also nur noch um die Formalitäten zu gehen. Als Auslöser werden Irritationen Neweys über den Umgang Red Bulls mit den Anschuldigungen gegen Teamchef Christian Horner genannt.
Eine Mitarbeiterin hatte Horner vor Saisonbeginn "unangemessenes Verhalten" vorgeworfen, der Red-Bull-Konzern ließ diese Vorwürfe prüfen, wies die Beschwerde jedoch ab. Der Fall sorgte jedoch weiter für Kontroversen, ausgeräumt ist der Verdacht nicht, überschattet viel mehr die laufende Formel-1-Saison. Newey scheint nun der erste hochrangige Red-Bull-Entscheidungsträger zu sein, der daraus derartige Konsequenzen zieht.
2006 war er zum Formel-1-Projekt des österreichischen Milliardenkonzerns gewechselt, zeichnete seitdem maßgeblich verantwortlich für die großen Erfolge. Sebastian Vettel holte in Newey-Boliden in den 2010er Jahren vier WM-Titel, in dieser Saison ist Max Verstappens vierter Triumph in Serie nur eine Frage der Zeit. Der RB19 aus der Saison 2023 ging mit 21 Siegen in 22 Rennen sogar als dominantestes Auto jemals in die F1-Geschichte ein.
Die BBC bezeichnet Newey als "brillanten und verantwortlichen Kopf" hinter den Red-Bull-Boliden und vergleicht seinen Abgang mit einem Erdbeben. Schon bei Williams und McLaren hatte der Brite große Erfolge gefeiert, seine Autos gewannen mehr als 200 Grands Prix.
Danner: "Newey lässt sich nicht ersetzen"
RTL-Experte Christian Danner schätzt die Situation ähnlich drastisch ein: Verlässt Newey den in Milton Keynes beheimateten Rennstall, "führt das automatisch zu einer katastrophalen Lage bei Red Bull". Für den ehemaligen F1-Piloten und langjährigen F1-Kommentator ist der 65-Jährige schlicht und ergreifend "der Erfolgsgarant für die ganzen Weltmeister-Jahre". Der Designer ist laut Danner eine "Personalie, die sich nicht ersetzen lässt". 13 WM-Titel hat Red Bull Racing gewonnen, sieben in der Fahrer- und sieben in der Konstrukteurswertung, am Doppelerfolg in der laufenden Saison gibt es schon nach fünf von 24 Rennwochenenden keine ernsthaften Zweifel mehr.
Danner geht sogar davon aus, dass ein Abgang Neweys auch die Zukunft von Weltmeister Max Verstappen massiv beeinflusst. "Einhundertprozentig Ja", antwortete der F1-Fachmann auf die Frage, ob Newey der erste Dominostein sei, dessen metaphorisches Umfallen zur Folge haben könnte, dass auch Verstappen Red Bull verlässt. Der Niederländer hatte in den vergangenen Wochen ein eindeutiges Bekenntnis zu Horner vermieden, sein Mentor Helmut Marko gilt gemeinhin als größter Gegenspieler Horners im teaminternen Konflikt. Berichten zufolge wollte Marko gar zu Saisonbeginn schon hinschmeißen, ehe die Verstappen-Seite ihn vom Weitermachen überzeugt habe.
Mercedes buhlt um Verstappen, Ferrari offenbar um Newey
Wichtig dabei: Für den Fall eines Marko-Abgangs verfügt Verstappen dem Vernehmen nach über eine Ausstiegsklausel aus seinem langfristigen Vertrag, über eine vergleichbare Klausel zu Newey ist nichts bekannt. Allerdings betonte der 26-Jährige am Rande des Großen Preises von China am vergangenen Wochenende: "Ich habe einen langen Vertrag. Das Einzige, das ich von Anfang an betont habe, ist, dass ich mir eine friedvolle Arbeitsumgebung wünsche." Ein vorzeitiger Newey-Abgang würde dazu wohl kaum passen.
Besonders Mercedes wirbt seit Wochen um Verstappen, den aktuell besten Fahrer der Formel 1. Weil Rekordweltmeister Lewis Hamilton zur kommenden Saison zu Ferrari geht, haben die Silberpfeile für 2025 noch ein Cockpit zu vergeben. Danner sieht sogar die Möglichkeit, dass Verstappen bereits nach diesem Jahr den Arbeitgeber wechselt. Allerdings fallen die Transfergerüchte in der F1 nicht zufällig unter den Oberbegriff "silly season", in der weitaus mehr spekuliert und gemunkelt als dann tatsächlich unterschrieben wird. Mercedes-Teamchef Toto Wolff macht jedoch kein Geheimnis daraus, dass Verstappen seine bevorzugte Wahl bei der Suche nach einem Hamilton-Nachfolger wäre.
Weitaus konkreter scheint indes die Zukunftsplanung von Adrian Newey bereits zu sein. Aston Martin soll der Design-Legende bereits ein Angebot unterbreitet haben, die Hauptquartiere der beiden Rennställe liegen nur ein paar Autominuten voneinander entfernt nahe der Grand-Prix-Strecke in Silverstone. Laut der italienischen "Gazzetta dello Sport" besteht zudem schon Kontakt zwischen Newey und Ferrari. So soll der 65-Jährige kürzlich am Flughafen von Bologna in Italien gesichtet worden sein - zur Ferrari-Fabrik in Maranello sind es von dort aus keine 50 Kilometer.
Quelle: ntv.de, mit sport.de