Formel-1-Ausstieg oder Blamage Red Bull kann nur noch verlieren
16.10.2015, 09:20 Uhr
Drehen die Red-Bull-Boliden ihre letzten Runden in der Formel 1?
(Foto: picture alliance / dpa)
Im WM-Titelkampf ist Red Bull in dieser Saison chancenlos. Trotzdem bestimmt Sebastian Vettels Ex-Team die Formel-1-Schlagzeilen, weil sich das Team bei der Motorensuche grandios verpokert. Ein Horrorszenario droht.
"Wenn es keinen konkurrenzfähigen Motor für uns gibt, dann gibt es Red Bull nicht mehr in der Formel 1." Die Ansage von Motorsportberater Helmut Marko am Rande des Großen Preises von Singapur war eindeutig, nicht zum ersten Mal drohte er öffentlich. Dreieinhalb Wochen später steckt sein Team tiefer denn je in der Motoren-Sackgasse. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone versicherte beim Großen Preis von Russland in Sotschi am vergangenen Wochenende zwar: Ein Ausstieg von Red Bull sei kein Thema mehr, die Motorenfrage geklärt. "Alles wird gut." Antworten, woher er diese Zuversicht nehme, blieb Ecclestone schuldig.

Helmut Marko und Red Bull haben sich bei der Motorensuche offenbar verzockt.
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Für den F1-Zampano wäre der Verlust wirtschaftlich gesunder Rennställe wie Red Bull und des Ausbildungsteams Toro Rosso ein Fiasko. Den übrigen Teams käme er womöglich gar nicht unrecht. Weniger Rennställe bedeutet für sie größere Stücke vom Vermarktungskuchen. Angeblich sollen Ingenieuren von Red Bull und Toro Rosso bereits Offerten anderer Rennställe vorliegen.
Die Chronik eines angekündigten Formel-1-Todes - mit Option auf ein kitschiges Happy End.
Das Zerwürfnis
Jahrelang dominierte Red Bull die Formel 1. Angeführt von Sebastian Vettel räumte das Team zwischen 2010 und 2013 alle WM-Titel in der Fahrer- und Konstrukteurswertung ab. Das Marketingvehikel des österreichischen Getränkeherstellers legte einen rasanten Aufstieg zu einer der schillerndsten Formel-1-Marken hin - bis ab 2014 mit der Umstellung auf V6-Turbomotoren der schleichende Absturz folgte. Vom Dominator wurde Red Bull zum Mitläufer, der plötzlich zu teure Vettel wurde mit einer sieglosen Saison Richtung Ferrari vergrault und Red Bull motzte immer wieder öffentlich gegen Motorenlieferant Renault und dessen schwachen Antrieb. Irgendwann motzten die Franzosen zurück, beide Seiten reichten die Scheidung ein. Der bis 2016 laufende Vertrag soll vorzeitig gelöst werden.
Die Lösung des Problems ist für die Franzosen die Übernahme von Lotus, das zum Werksteam umgebaut wird. Eine Lösung für Red Bull auf der Suche nach leistungsstarken Motoren gibt es immer noch nicht. Das Kernproblem dabei: Die Auswahl an Partnern ist äußerst begrenzt, neben Renault gibt es mit Mercedes, Ferrari und Honda nur noch drei weitere Motorenhersteller. Red Bull bleiben theoretisch sechs Szenarien, letztlich aber vor allem das Prinzip Hoffnung.
Vier Hochzeiten, keine Scheidung, ein Todesfall
Die Braut, die sich nicht traut: Der beste Motor in einem Auto, das dank Stardesigner Adrian Newey immer noch als eines der besten in der Formel 1 gilt: Diese Vorstellung elektrisierte im Sommer die Formel-1-Gemeinde. Mercedes war der erklärte Wunschpartner von Red Bull, ließ sich umwerben und heizte durch Motorsportchef Toto Wolf die Gerüchteküche an. "Eigentlich sollte man seine Gegner nicht stark machen, aber wir müssen auch die Balance wahren zwischen purem Egoismus und dem Wohl der Serie." Von einer Traumehe war bereits die Rede, obwohl Red Bull noch gar nicht von Renault geschieden war. Jetzt ist die Trennung vollzogen - und die Roten Bullen stehen alleine da. Wolf betonte zwar in Sotschi angesichts des drohenden Red-Bull-Aus: "Wir sollten versuchen, sie im Sport zu behalten." Trotzdem wurde Mercedes zur Braut, die sich nicht traut. Zumindest nicht mit Red Bull. Stattdessen rüstet Mercedes im neuen Jahr weiterhin Force India und Williams sowie neuerdings auch Manor aus. | Matching: Ein Prozent.
Die Zweckehe: Den ganzen September über zogen sich die Gespräche mit Ferrari, zusammen fanden beide Parteien nicht – weil die Italiener nur den 2015er Motor liefern wollten, Helmut Marko aber klarstellte: "Eine B-Version kommt für uns nicht infrage. Denn ohne richtigen Motor hast du keine Chance." Hinzu kommt, dass das Reglement der Formel 1 ab 2016 keine Vorjahresmotoren mehr erlaubt. Kunden müssen mit der gleichen Antriebseinheit ausgestattet werden wie die Werksteams. Ferrari steht damit vor demselben Problem wie Mercedes: Kommt man zusammen, muss man Red Bull stark machen. Ende September schuf Ferrari andere Fakten und teilte mit, dass man 2016 den Formel-1-Neuling Haas mit Motoren beliefern und das Team auch technisch unterstützen werde. Dass sich Ferrari nach den Hinterbänklern Sauber und Haas noch mit einem Spitzenteam als drittem Kunden einlässt, ist wahrscheinlicher als bei Mercedes. Realistisch ist es nicht - es sei denn Ecclestone macht Druck. | Matching: Zwei Prozent.
Das Blinddate: Die Rückkehr von McLaren-Honda in die Formel 1 weckte zu Saisonbeginn Erinnerungen an glorreiche Zeiten. Vier Rennen vor Saisonende ist jede Euphorie verpufft, McLaren-Honda hat eine Saison zum Vergessen und in der Teamwertung nur das punktlose Team Manor Marussia hinter sich. Trotz neuen Aggregats, das in Sotschi getestet wurde, bleiben die Hoffnungen auf einen Leistungssprung 2016 vage. Für Red Bull wäre die Zusammenarbeit ohnehin ein Blinddate. | Matching: 0,0000001 Prozent.
Fernbeziehung: Der Einstieg von VW oder seiner Tochter Audi taugte zu Träumereien. Die BBC meldete sogar schon, die Übernahme von Red Bull sei beschlossene Sache. Dann kam der Dieselskandal und alle Spekulationen lösten sich in schlecht gefilterte Abgase auf. Bliebe ein anderer Anbieter wie Hyundai. Auf Nachfrage haben die aber abgewunken: "Wenn Sie sich unser Concept Car N 2025 Vision-Gran Turismo ansehen, das wir auf der IAA gezeigt haben, dann würden wir wohl eher in die LMP1 einsteigen. Aber nicht in die Formel 1." Zumal ein Einstieg eines Neulings ohnehin erst 2017 möglich wäre und Red Bull ein Übergangsjahr bevorstünde. | Matching: 0,0000000000000000000000000000001 Prozent.
Zurück zur Ex: Gewinnen kann Red Bull im Motoren-Dilemma nicht mehr. Die 1200 Mitarbeiter der beiden Werkteams können aber darauf hoffen, zumindest eines nicht zu verlieren - ihre Arbeitsplätze. Dazu müsste ihr Arbeitgeber aber die totale und total peinliche Kehrtwende vollziehen und sich reumütig doch wieder Renault vor die Füße werfen. In Sotschi schloss Red-Bull-Teamchef Christian Horner genau das plötzlich nicht mehr aus, sein Argument: "Offiziell ist ja noch nichts beendet." Seine "Priorität" liege darin, "Red Bull im kommenden Jahr in der Formel 1 zu sehen", sagte Horner dem Bezahlsender Sky F1: "Deshalb müssen wir mit allen Parteien sprechen." Also auch wieder mit Renault. Fraglich ist nur, ob Red-Bull-Boss Mateschitz das ähnlich sieht. Der Milliardär will seine Teams nur mit "konkurrenzfähigen Motoren" weiterbetreiben. Bislang war der Renault-Antrieb klar unterlegen, das wird sich 2016 ändern. Die Franzosen sehen in der Übernahme von Lotus definitiv mehr Vorteile, als dann in der neuen Saison ungestört hinterherfahren zu dürfen. 2016 vom eigenen Motor im Red Bull abgehängt zu werden, ist nach dem ganzen Theater hingegen wenig verlockend. | Matching: 15 Prozent.
Single - und Tschüss! "Sie nehmen uns neben der Zeit und dem Geld auch die Lust und die Motivation." So ätzte Mateschitz im Sommer via "Speedweek" gegen Renault. Ist der Milliardär konsequent, findet die Formel 1 im nächsten Jahr ohne Red-Bull-Racing und Toro Rosso statt. Anders als Hinterbänkler wie Manor Marussia ist der Konzern nicht bereit, mit B-Ware über die Formel-1-Rennstrecken zu schleichen. Geld ist für Red Bull kein Problem, leistungsfähige Motoren zu bekommen schon. Die sind allem Anschein nach nicht zu bekommen. | Matching: 82 Prozent.
Quelle: ntv.de