Erster Rassismus-Fall der EM Affenlaute bei Oranje-Training

Bert van Marwijk verlagerte das Training kurzerhand in die andere Hälfte des Stadions.

Bert van Marwijk verlagerte das Training kurzerhand in die andere Hälfte des Stadions.

(Foto: dpa)

Viele befürchten, dass es bei der EM in Polen und der Ukraine zu rassistischen Vorfällen kommen könnte. Nun ist ein erster solcher Fall bekannt geworden: Beim Training der Niederländer imitieren mehrere polnische Zuschauer Urwaldgeräusche. Die Holländer sind wütend und selbst die Uefa muss eingestehen, dass es hier ein Problem gibt.

Die Fußball-EM in Polen und der Ukraine hat ihren ersten Rassismus-Zwischenfall. Spieler des Vizeweltmeisters Niederlande sind während ihres ersten öffentlichen EM-Trainings am Mittwoch in Krakau beleidigt worden. "Wir haben alle die Affenlaute gehört", sagte Kapitän Mark van Bommel dem "Telegraaf": "Wir können das nicht akzeptieren."

Wenn so etwas während des Turniers passiere, sagte der ehemalige Bayern-Kapitän, "werden wir sofort zum Schiedsrichter gehen und ihn bitten, einzuschreiten". Die Referees können in solchen Fällen das Spiel unter- oder sogar abbrechen.

Am Mittwoch während des Trainings habe Bondscoach Bert van Marwijk, der Schwiegervater van Bommels, "gut reagiert". Er habe die Einheit auf die andere Seite des Spielfelds verlegt, "und die Situation war gelöst", sagte van Bommel.

Uefa dementiert zunächst

Ruud Gullit nahm derweil in Warschau die rassistischen Beschimpfungen gegen seine Nachfolger im Oranje-Trikot mit Betroffenheit zur Kenntnis. "Es ist schade, dass das passiert ist. Ich hoffe, das war ein Einzelfall", sagte der ehemalige Kapitän der Oranje-Auswahl am Freitag: "Polen hat etwas Besseres verdient."

Der Europameister von 1988 hob hervor, dass er in seiner aktiven Zeit Ähnliches erlebt hätte. "Ich wusste, dass die Fans so etwas rufen, weil sie Angst vor mir hatten. Das hat mich zusätzlich motiviert", sagte der 49-Jährige, der zwischen 1985 und 1994 in 66 Länderspielen das Oranje-Trikot getragen hatte. Am Freitag eröffnete er in Warschau im Rahmen der Anti-Rassismus-Kampagne der Uefa (FAIR) einen Bolzplatz in einer Fanzone.

Die Aussagen van Bommels werfen auch ein schlechtes Licht auf die Europäische Fußball-Union. Die Uefa hatte Berichte über rassistische Schmähungen während des Oranje-Trainings, das in Krakau 25.000 Fans verfolgten, noch dementiert und stattdessen eine andere Protestaktion bestätigt. Demnach soll eine Gruppe polnischer Fans ihren Unmut darüber bekundet haben, dass Krakau von der Uefa und dem Organisationskomitee nicht als Ausrichterstadt berücksichtigt worden ist.

Platini redet Problem klein

Nun erklärte die Uefa in einer Stellungnahme, ihr sei nun bewusst geworden, dass es "vereinzelte Störungen durch rassistische Sprechchöre" in Krakau gegeben habe. Es läge aber keine formelle Beschwerde der niederländischen Delegation vor. Sollte es weitere Zwischenfälle bei öffentlichen Trainingseinheiten geben, so die Uefa, würde sie Maßnahmen prüfen, "um die Spieler zu schützen". Warin diese liegen könnten, präzisierte der Verband nicht.

"De Telegraaf" hatte berichtet, dass während des Aufwärmens einige dunkelhäutige Spieler des Vize-Weltmeisters - Nigel de Jong, Jetro Willems, Michel Vorm, Gregory van der Wiel und Luciano Narsingh stehen im Oranje-Kader - von wenigen Zuschauern im Krakauer Stadion mit Affenlauten verunglimpft worden seien. Die Uefa erklärte, dass sie daraufhin Beobachter vor Ort und Mitglieder der niederländischen Delegation befragt hätten, die allesamt den beschriebenen Vorfall nicht bestätigten. Die Spieler wurden anscheinend nicht gefragt.

Das Thema Fremdenhass während der EM ist spätestens durch eine Reportage der englischen BBC, die zahlreiche Rassismus-Fälle in polnischen und ukrainischen Stadien dokumentiert hatte, in den Fokus gerückt. Uefa-Präsident Michel Platini hatte in seiner ersten EM-Pressekonferenz noch versucht, die Gastgeberländer aus der Schusslinie zu nehmen.

Balotelli will bei Rassismus einfach gehen

"Ich habe diese Sendung nicht gesehen. Wenn wir auf die ganze Welt und vor allem Europa schauen, dann gibt es einen aufkommenden Nationalismus. Es geht nicht darum, nun auf Polen und die Ukraine zu zeigen, das wäre zu leicht", sagte Platini.

Er hoffe, sagte der Franzose, dass die Fans in die EM-Stadien kommen würden, um das Spiel zu genießen. "Aber natürlich würden wir den Schiedsrichter unterstützen, wenn er das Spiel im Falle solcher Beschimpfungen unter- oder abbrechen würde. Das wäre der worst case", sagte Platini, der es vermied, die Schiedsrichter dazu zu ermutigen.

Er bestätigte zudem: "Wenn ein Spieler eigenmächtig den Platz verlassen würde, nachdem er rassistisch beleidigt wurde, dann müsste der Schiedsrichter ihm die Gelbe Karte zeigen." Der italienische Nationalspieler Mario Balotelli hatte angekündigt, in einem solchen Fall das Spielfeld umgehend zu verlassen.

Lamm und Süßkartoffeln

Polens Premierminister Donald Tusk hatte am Tag vor dem Eröffnungsspiel zwischen dem Co-Gastgeber und Griechenland demonstrativ englische Fans zur Endrunde eingeladen. "Polen ist bereit, seine Rolle als Gastgeber auszufüllen. Ich lade alle englischen Fans ein, nach Polen zu kommen. Ihnen wird hier nichts passieren", sagte Tusk.

Mehrere Familienangehörige englischer Nationalspieler, Politiker und Ex-Profis hatten unter dem Eindruck der BBC-Reportage angekündigt, nicht zur EM zu fahren. Offizielle Stellen in Polen und der Ukraine hatten dies scharf kritisiert und der BBC tendenziöse Berichterstattung vorgeworfen.

Tusk versuchte mit einer medialen Inszenierung, die Wogen zu glätten. Der Premierminister sprach die Einladung an die englischen Fans im Rahmen eines Essens bei einem dunkelhäutigen polnischen Parlamentarier aus. Bei John Godson, einem gebürtigen Nigerianer, der seit beinahe 20 Jahren in Polen lebt, bekam Tusk Lamm und Süßkartoffeln serviert.

Quelle: ntv.de, Jörg Mebus, sid

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