Ach, der Abwehrchef wieder Badstuber hält den Ball flach

Gewinnt nicht nur Zweikämpfe und sorgt für die nötige Sicherheit, sondern liefert auch seinen fußballerischen Beitrag. Holger Badstuber.

Gewinnt nicht nur Zweikämpfe und sorgt für die nötige Sicherheit, sondern liefert auch seinen fußballerischen Beitrag. Holger Badstuber.

(Foto: picture alliance / dpa)

Holger Badstuber hat im Moment eine gute Zeit. Unaufgeregt und souverän agiert und dirigiert der 23-Jährige zusammen mit Mats Hummels die Abwehr der DFB-Elf und sorgt so für ein solides Fundament der deutschen Erfolge. Dabei weiß er aber durchaus seinen Wert für das Team selbstbewusst einzuschätzen.

Holger Badstuber kann gar keine gute Zeit haben gerade. Erst haben Mats Hummels und Borussia Dortmund seinen FC Bayern in der Meisterschaft abgehängt und im Pokalfinale gedemütigt. Und jetzt hat ihn der BVB-Innenverteidiger auch noch im Nationalteam in den Schatten gestellt.

Wenn nach der deutschen Rekord-Vorrunde über die starken Defensivleistungen des DFB-Teams gesprochen wurde, fiel immer der Name Hummels. Der von Badstuber? Fiel nie.

Holger Badstuber kann das herzlich egal sein. Der Münchner wird es wahrscheinlich als Lob betrachten. Als Bestätigung dafür, dass er anders als Hummels mit einer "fast schon spektakulären Eindeutigkeit gesetzt" war für die EM, wie die "Süddeutsche Zeitung" feststellte. Ob Badstuber spielen würde, stand nie in Frage. Nur wer den Platz neben ihm bekommt.

Die Hymnen auf Holger, sie sind schon alle gesungen, und auch ein ausgewachsener Dortmund-Komplex ist nicht zu befürchten.

Denn Badstuber spielt nicht nur immer. Der 23-jährige Innenverteidiger vom FC Bayern hat seit 2010 auch ein sehr gesundes Selbstbewusstsein entwickelt. In der neuen Abwehrpaarung Badstuber/Hummels, die sich in der EM-Vorrunde etabliert und auf Anhieb harmoniert hat, ist der Münchner die anerkannte Autorität. Er hat ja schon vor zwei Jahren geschafft, was dem ein Jahr älteren und nicht minder selbstsicherem Hummels erst jetzt gelingt: Sich neben dem Verein auch im Nationalteam zu etablieren, ein Standing im Team zu erarbeiten und die Wertschätzung von Joachim Löw zu genießen. Die öffentlich geäußerte, wohlgemerkt.

Blitzartig vom Amateur zum Bayern-Stammspieler

Im Verein hat Badstuber nach der WM 2010 ein schwieriges Jahr erlebt. Es waren die ersten Tiefen nach einem Traumstart in seine Karriere, der ihn in zwei Jahren vom Amateur zum Bayern-Stammspieler, Double-Sieger und WM-Teilnehmer gemacht hatte. Nun war Badstuber verletzt, machte Fehler, verlor seinen Stammplatz. Er fand das "schwer zu akzeptieren", aber er hat sich im EM-Jahr zurückgekämpft in die Bayern-Startelf. Hat "einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht", was er "persönlich sehr entscheidend" nennt. Geholfen hat ihm dabei auch das Vertrauen des DFB-Teams. Bei Löw war Badstuber nach der unglücklichen WM, bei der er als Linksverteidiger hoffnungslos überfordert war, immer gesetzt. Im Abwehrzentrum, als Hoffnungsträger. In allen wichtigen Spielen war er dabei, Badstuber legt vor der Presse in Danzig Wert auf diese Feststellung.

Wenn Holger Badstuber öffentlich über Holger Badstuber spricht, tut er das selbstbewusst und gern. Er wirkt im Vergleich zu Mats Hummels schüchtern und jungenhaft, aber er weiß wie sein Konkurrent aus Dortmund genau, was er kann. Es wurde Badstuber oft genug gesagt, vor allem von Joachim Löw. Wenn der Bundestrainer über den Nationalverteidiger spricht, sagt er Sachen wie: "Holger kann das, was ein Innenverteidiger heute können muss". Oder er lobt "sein sehr gutes Stellungsspiel und Orientierungsvermögen", "seine seriöse und einfache Art zu spielen", die Spieleröffnung mit diesen scharfen, vertikalen Druckpässen.

Agiert wie ein routinierter Abwehrchef

Löw sagt Dinge, die einen jungen Fußballer wachsen lassen können. Bei Holger Badstuber haben sie einen Schub ausgelöst, bestätigte er in der "Süddeutschen Zeitung": "Ich hab' so viel Wertschätzung erfahren, dass ich mit ganz anderem Selbstvertrauen in die Spiele gehe." Er spiele jetzt ganz einfach so, wie er es für richtig halte, dirigiere wenn nötig, verlagere und beschleunige nach Belieben. Weil ihm niemand sagt, dass das falsch wäre. Badstuber agiert mit seinen 23 Jahren wie ein routinierter Abwehrchef. Nur den Titel will er nicht.

"Ach, der Abwehrchef wieder, der Abwehrchef. Für mich ist wichtig, dass ich in meiner Position natürlich viel rede, die Mannschaftsteile vor mir dirigiere, so dass ich ihnen das Leben leichter mache. Genauso denke ich, dass es der Mats versucht", sagte Badstuber in Danzig leicht genervt: "Wer letztendlich dort mehr Kommandos gibt, kann ich nicht beurteilen. Ich versuche meinen Teil, er versucht seinen Teil zu leisten, und es gelingt uns beiden gerade sehr gut. Wer dann der Chef ist, sollen andere beurteilen." Badstuber, das klang zwischen den Zeilen durch, genießt es aber schon, wie ein Abwehrchef spielen zu dürfen.

Keine zwei Meinungen gibt es darüber, dass die Paarung Badstuber/Hummels erstaunlich gut funktioniert – dafür, "dass es jetzt das erste Mal ist, dass wir diese Konstellation öfters spielen".

Fußballerischen Beitrag erwartet

Die gemeinsame Bayern-Vergangenheit, beide stammen aus der Jugend des Rekordmeisters, sieht der Münchner nicht als Grund dafür: "Wir hatten nur ein gemeinsames Jahr in der U15. Aber da war er Stürmer und ich Mittelfeldspieler."

Stattdessen betrachtet Badstuber eine identische Spielauffassung als gemeinsame Basis: "Ich glaube, wir sind beide Leute, die Fußball verstehen, die das Spiel verstehen, die die Abwehrarbeit verstehen. Und wenn sich beide ergänzen, versteht man sich auch auf dem Platz gut. Das scheint im Moment der Fall zu sein." Außerhalb des Platzes, sagte Badstuber, sei sein Verhältnis zu Hummels nicht schlechter als zu anderen Teamkollegen.

Dass mit Mats Hummels an seiner Seite die DFB-Innenverteidigung auf Jahre stehe und die Ära Per Mertesacker im Nationalteam zu Ende gehen könnte, wies Badstuber in Danzig als "absoluten Schwachsinn" zurück: "Der Per hat ein schwieriges halbes Jahr hinter sich. Er konnte vor der Euro keine wirklichen Spiele absolvieren. Dann war es für ihn natürlich auch nicht einfach. Aber dennoch ist er so ein wichtiger Bestandteil von der ganzen Truppe. Er ist sehr erfahren, er ist vor allem hochgeschätzt in der Mannschaft, und das ist glaube ich auch was sehr Wichtiges." Fußballerische Argumente für den Arsenal-Profi, der einst als modernster deutscher Innenverteidiger galt und gegen Badstuber/Hummels nun bisweilen rustikal-antiquiert wirkt, zählte der Münchner nicht auf.

Dabei betonte Badstuber in Danzig ja selbst, dass die Anforderungen an Abwehrspieler und die Bedeutung der Defensive im deutschen Spiel "immens zugenommen" hätten: "Man erwartet ja nicht nur, dass sie hinten diese Zweikämpfe gewinnen und die Dinger raushauen. Sondern man erwartet natürlich ihren fußballerischen Beitrag, ihre Spielauslösung, ihrer Cleverness, ihr Stellungsspiel. Das ist auch der Anspruch natürlich gewachsen, und das ist, denke ich, auch gut so."

Denn auch wenn gerade kaum jemand darüber spricht: Der Innenverteidiger Holger Badstuber erfüllt diese Ansprüche ziemlich perfekt, er war selbst stilbildend im DFB-Team. "Ball flach halten", sagt Badstuber dazu, er hat die Tiefen ja schon kennengelernt. Aber im Moment hat er eine ziemlich gute Zeit.

Quelle: ntv.de

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