"Riesengeschichte" gegen Dänemark Bender feiert perfektes Dreifachdebüt
18.06.2012, 16:46 Uhr
Schelmisch, verschmitzt, sympathisch: Am Tag nach dem Dänemark-Spiel war Lars Bender in bester Laune.
(Foto: picture alliance / dpa)
Er fährt als Streichkandidat zur EM-Vorbereitung, wird dort zum Rechtsverteidiger umgeschult - und geht nach dem Vorrundenfinale als Siegtorschütze vom Platz: Von allen EM-Geschichten hat Lars Bender bisher die schönste geschrieben. Und sie soll noch nicht zu Ende sein.
Eigentlich muss Lars Bender jetzt sofort abreisen aus Danzig. Sich in den Flieger zurück nach Deutschland setzen, endlich die ganzen Glückwunsch-SMS beantworten und dann daheim genießen, was ihm seit dem 7. Mai widerfahren ist. Schöner als am Sonntag gegen Dänemark kann es für den Fußballer Lars Bender ja nicht mehr werden. Eigentlich.
Die Fußball-EM 2012 hat schon einige kuriose Personalgeschichten geschrieben. Die Ankunft von Mats Hummels im deutschen Abwehrzentrum, die Siegtor-Antworten von Mario Gomez an seine Kritiker, der Treffer von Jubilar Lukas Podolski in seinem 100. Länderspiel. Die "Riesengeschichte" von Lars Bender toppt sie alle.
Dabei wollte es der 22-Jährige von Bayer Leverkusen ja eigentlich nur in den erweiterten EM-Kader schaffen, erzählte Bender nun in Danzig. Eigentlich ist er wie sein Zwillingsbruder Sven von Borussia Dortmund ein defensiver Mittelfeldspieler, ein ziemlich guter zwar, aber auf seiner Position bestenfalls vierte Wahl im stark besetzten DFB-Kader. Eigentlich galt er vor dem Turnierstart als Streichkandidat. Und trotzdem hat dieser Lars Bender am Sonntag gegen Dänemark im dritten deutschen EM-Spiel zum dritten Mal auf dem Platz gestanden - und ein dreifaches Debüt gefeiert, das so selten ist wie ein Tor von Manuel Neuer.
"Das war Schicksal"
Erstmals in seiner inzwischen neun Länderspiele starken DFB-Karriere stand er von Beginn an auf dem Platz. Erstmals überhaupt lief er als Rechtsverteidiger auf, als Ersatz für den gesperrten Jerome Boateng. Erstmals erzielte er ein Tor im Nationaltrikot, und es war auch noch das Siegtor gegen Dänemark. Anschließend ist sein Handy vor Glückwunschnachrichten explodiert und Lars Bender sagte: "Es war schon ein Erfolg überhaupt bei der EM dabei zu sein. Dass ich dann ein Spiel von Anfang an machen durfte, war für mich natürlich überhaupt der schönste Moment."
Seinen Premierentreffer in der 80. Minute, als er urplötzlich im dänischen Strafraum aufgetaucht war und einen Pass von Mesut Özil überlegt verwandelt hatte, kommentierte er ganz trocken: "Ich habe den Raum gesehen und gedacht, hoffentlich reicht's mit der Kraft. Dass mir der Ball vor die Füße rollt, war Schicksal. Mir blieb nichts anderes übrig, als den Ball reinzuschießen. Sonst hätte ich die 80 Meter wieder zurücklaufen müssen."
Sein Abschluss gegen Dänemark beeindruckte auch Joachim Löw: "Das Spiel stand auf des Messers Schneide, aber der macht das Tor mit einer Seelenruhe." Der Bundestrainer, der gern Wert darauf legt, dass sich seine fußballerischen Bewertungen bisweilen von den öffentlichen unterscheiden, durfte sich durch sein Umschul-Experiment bestätigt fühlen. Bender zeigte bis auf seinen Stellungsfehler vor dem 1:1 ("Habe mich riesig geärgert") alle Qualitäten, die Löw an ihm schätzt: Absolute Siegermentalität, Lauf- und Zweikampfstärke für das anspruchsvolle Spiel als Außenverteidiger, dazu keine Angst oder überzogenen Respekt vor einer völlig neuen Aufgabe: "Als ich ihm mitgeteilt habe, dass er spielt, hat er gesagt: Ich freue mich. Das sagt viel über Lars Bender."
Keine Ambitionen im Verein
Als größten Unterschied zu seiner Rolle im Mittelfeld sieht Bender das exaktere Positionsspiel als Außenverteidiger: "Die Abstimmung mit der Innenverteidigung, mit den Nebenmännern, die muss natürlich in der Höhe zentimetergenau stimmen, dass du Leute ins Abseits stellst. Das ist anfangs vielleicht ein bisschen schwierig." Dennoch habe er sich wohlgefühlt und sei von Nebenmann Mats Hummels gut dirigiert worden: "Ich konnte nicht viel falsch machen."
Ambitionen, auch im Verein diese neue Rolle zu übernehmen, wies Bender in Danzig von sich. "Das hat mir der Trainer gleich geschrieben. Da hab ich ihm aber sofort gesagt, dass ich nur im Mittelfeld spiele, das kommt überhaupt nicht in Frage."
Unter Joachim Löw würde er aber schon noch gern ein paar Spiele machen, auch bei dieser EM. Wichtig sei aber nicht, ob er gegen Griechenland anstelle des dann spielbereiten Boateng erneut in der Startelf stehe, worüber nach seiner starken Leistung prompt spekuliert wurde: "Wichtig ist, dass der Trainer die Erkenntnis gewinnen konnte, dass er auf mich setzen kann." Seine Chance, so sieht es Bender, habe er jedenfalls genutzt.
Die Frage, was er dem gegen Portugal und Holland starken Boateng als Rechtsverteidiger voraushabe, beantwortete er lässig: "Was habe ich, was Jérome nicht hat? Ich glaube, ein Tor mehr." Denn Lars Bender guckt zwar immer bierernst. Aber eigentlich ist er ganz witzig.
Quelle: ntv.de